Norderstedt. Deutliches Votum der Bürger in Norderstedt für neue Rathauschefin. Doch die Polarisierung im Wahlkampf hinterlässt Spuren.

Eine harmlose Floskel-Antwort hätte gereicht. Doch ausgerechnet Elke Christina Roeder als amtierende Oberbürgermeisterin von Norderstedt lieferte am Wahlabend im Live-TV bei Noa4 das beste Beispiel dafür, wie sehr die letzten Wochen im erbitterten Kampf um die Macht im Rathaus polarisiert und auf persönlicher Ebene Spuren hinterlassen haben. Gefragt nach den Stärken ihrer Nachfolgerin Katrin Schmieder, leistete sich Roeder ein verbales Nachtreten. Dort wo Kameras und Medien seien, würde Schmieder stehen, „hervorragend erzählen“, sie könne sich „sehr gut verkaufen“.

Wenn solche Aussagen öffentlich fallen, lässt das tief blicken, was hinter den Kulissen abgelaufen sein muss. Auf vielen Ebenen versuchten alle Seiten, die Konkurrenz anzugreifen, zu diskreditieren, es wurden unlautere Motive vorgeworfen, Hinterzimmerabsprachen suggeriert oder Abhängigkeiten von Geldgebern geraunt. Nie zuvor fand ein Wahlkampf in Norderstedt so sehr auch in sozialen Medien, speziell Facebook, statt, in Kommentarspalten wurde teilweise scharf geschossen, auch Medien erhielten Leserbriefe, in denen manche Aussagen grenzwertig waren.

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Die politische Kultur blieb auf der Strecke. Das kann man sportlich sehen, muss man aber nicht. Dass die Gratulationen der Verliererseite am Sonntag – wenn überhaupt – zähneknirschend und beinahe vergiftet übermittelt wurden, wirft kein gutes Licht auf Norderstedt. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Hier wurde keine Bundesregierung gewählt, die Stadt ist ebenso wenig eine Präsidialdemokratie. Wer auch immer das OB-Amt übernimmt, hat keine Allmacht, kann nicht per Dekret entscheiden, weder über Baugebiete noch über Stellenpläne. Jedes Wahlversprechen ist nur so viel Wert wie eine politische Mehrheit, das gilt bei der Gewaltenteilung auf kommunaler Ebene erst recht.

Für den CDU-Kandidaten Robert Hille blieb in der Stichwahl nur der zweite Platz. Seine Hoffnung vom OB-Posten in Norderstedt wurde nicht erfült.
Für den CDU-Kandidaten Robert Hille blieb in der Stichwahl nur der zweite Platz. Seine Hoffnung vom OB-Posten in Norderstedt wurde nicht erfült. © Funke Foto Services | Thorsten Ahlf

Katrin Schmieder trat zwar ausdrücklich als unabhängige Bewerberin an. Doch der Lagerwahlkampf war nicht zu vermeiden. Und das zog sich nicht nur durch die Parteien – hier Grüne und FDP, dort CDU und später die SPD. Vielmehr gibt es zahlreiche Verbindungen, ob nun freundschaftlich oder per Verwandtschaft, zwischen Politik und Rathaus. Hille versus Schmieder, dieses Duell fand auch auf den Fluren der Verwaltung statt. Wer auf welcher Wahlparty war, mit wem redete und dabei möglicherweise noch freudig lächelte – auch so etwas wurde registriert.

Robert Hille ist kein Norderstedter – ein entscheidender Nachteil?

Die Fakten sind so: Robert Hille war fleißig, umgänglich, ihm unterliefen keine groben Schnitzer, er konnte bei jedem Thema mitreden. Doch zwei Nachteile waren nicht wettzumachen. Erstens: seine Hamburger Herkunft. Ein Argument war in den letzten Wochen eben doch wiederholt zu hören: Katrin Schmieder sei Norderstedterin, kenne sich gut aus, und daher erste Wahl.

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Genau diese Karte spielte sie konsequent, mutmaßlich war das sogar entscheidender als programmatische Aussagen, bei denen sie sich sowieso im Vergleich zu ihrem Konkurrenten vage äußerte. Der zweite Punkt: Sie hatte, bedingt durch ihr Amt, einen Wissensvorsprung, was ihr etwa bei der Veranstaltung in der TriBühne half.

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Bei der Stichwahl betrug Schmieders Vorsprung 3037 Stimmen, im ersten Wahlgang waren es nur 284. Vieles deutet also darauf hin, dass diejenigen Wählerinnen und Wähler von Elke Christina Roeder, die ihr Kreuz setzten, sich mehrheitlich für die Sozialdezernentin entschieden – und nicht, wie es der SPD-Ortsvorstand empfahl, für den CDU-Kandidaten.

Ob es nun auch ohne Hille zur anvisierten „Kooperation“ zwischen Christ- und Sozialdemokraten kommt, bleibt abzuwarten. Eine geglückte Strategie war die Annäherung bislang auf keinen Fall. Katrin Schmieder ihrerseits hat eine 180-Grad-Wende in der Kommunikation versprochen – nach innen und nach außen. Wie viel Kredit sie hierbei insbesondere in der Politik erhält, wird die große Frage des nächsten Jahres sein. Die kolportierte Funkstille zwischen ihrer Vorgängerin Elke Christina Roeder und vielen Fraktionen ist Warnung genug. So etwas darf sich nicht wiederholen.