Norderstedt. Haus Rosengarten in Norderstedt schließt: Geschäftsführer abgetaucht, Insolvenzverfahren eröffnet, Senioren brauchen neue Heime.
Es ist sehr schnell gegangen: Das Altenpflegeheim Rosengarten in Norderstedt wurde erst verkauft, dann verabschiedete sich die Heimleitung, der neue Geschäftsführer tauchte ab, es wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Nun steht fest: Zum Monatsende wird die Einrichtung, die sich seit Jahrzehnten an der Alten Dorfstraße in Garstedt befindet und die früher „Haus Kallen“ hieß, dicht gemacht. Für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Angehörige kann es nichts Schlimmeres geben. Sie müssen kurzfristig neue Heimplätze finden.
Vor Ort deutet von außen nichts auf die dramatische Entwicklung hin. Auch die Türen öffnen sich noch. Und tatsächlich: Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will, beschreibt ausführlich, was in den letzten Wochen passiert ist. „Ich mache diesen Beruf jetzt seit 25 Jahren, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Innerhalb von zwei Monaten ging alles bergab. Das Haus hat seit dem 1. September einen neuen Betreiber. Diesen hat bis heute, sprich 23. Oktober, keiner von uns zu Gesicht bekommen, er hat sich nicht vorgestellt.“
Drama um Altenheim Rosengarten in Norderstedt: Bewohner müssen bis Monatsende raus
Es handelt sich um einen Andzej Z., wie sich via Google-Recherche schnell feststellen lässt. „Wir haben von ihm keine Telefonnummer, nur eine E-Mail-Adresse. Aber er hat nicht auf alle Mails geantwortet.“ Er selbst habe Mitte September seine Kündigung eingereicht mit Frist Ende Oktober. „Die alte Heimleitung ist seit dem 1. Oktober nicht mehr für das Haus zuständig. Damit wäre es ab dem 1. November ohne Führung.“ Und damit nicht betriebsfähig.
Die Heimaufsicht des Kreises wurde informiert. Und diese schritt ein. „Die Einrichtung wurde in den vergangenen Monaten anlassbezogen kontrolliert. Das Verfahren der Wohnpflegeaufsicht begann Mitte September mit der kurzfristigen Mitteilung des Wechsels des einzigen Geschäftsführers“, so Kreissprecherin Sabrina Müller. Dann seien Hinweise bekanntgeworden: Das Heim konnte wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht mehr betrieben werden. Das bestätigte sich am 11. Oktober, als gegen den Träger ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Am gleichen Tag teilte der Kreis der Geschäftsführung mit, dass der Weiterbetrieb zum Monatsende hin untersagt sei.
Undurchsichtiges Firmengeflecht mit verschiedenen Gesellschaften
Zuvor gehörte das Altenpflegeheim zu einem Firmengeflecht namens Casa Senes, ebenso mit Sitz an der Alten Dorfstraße. Dort war niemand für das Abendblatt erreichbar, auch zu Andzej Z. waren keine Kontaktinformationen auffindbar. Die genauem Umstände des Verkaufs sind damit unklar. Öffentlich einsehbare Daten weisen auf diverse Gesellschaften und wechselnde Geschäftsführer hin, auch in der Vergangenheit hat es mutmaßlich schon einmal ein Insolvenzverfahren gegeben. Casa Senes wird deutschlandweit wiederholt in Zusammenhang mit Altenheimen genannt, die in finanziellen Nöten sind.
Andzej Z. gehört seinerseits neben Rosengarten auch eine vergleichbare Einrichtung (Alten- und Pflegeheim Mackethun) in Westergellersen (Landkreis Lüneburg). Auch hier wurde Insolvenz angemeldet, wie die „Landeszeitung für die Lüneburger Heide“ berichtet. Allerdings wird dort der Betrieb nach jetzigem Stand nicht eingestellt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warten noch auf das Septembergehalt
„Vor einem halben Jahr war das Heim noch gesund. Die Energiekosten sprengen den Rahmen, aber bis zum 1. September lief alles einigermaßen, wir hatten 50 bis 60 Bewohner, und dann waren wir ohne Führung“, sagt der Rosengarten-Mitarbeiter. Das Septembergehalt wurde bislang nicht ausgezahlt. Trotzdem kommen viele noch zur Arbeit, sodass die Betreuung gewährleistet bleibt.
Am 12. Oktober seien die Angehörigen in Norderstedt von der Heimaufsicht des Kreises über die Schließung informiert worden. Eine Familie wendete sich nun an das Abendblatt. Jürgen und Sven Fahrenkrog, deren 84 Jahre alte Mutter beziehungsweise Großmutter hier lebt, sagen: „Eine offizielle Kündigung seitens des Geschäftsführers vom Altenpflegeheim gab es jedoch nicht.“ Dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner – oder deren Familien – neue Plätze suchen müssten, sei „unzumutbar“.
Zur Insolvenzmasse gehören übrigens auch private Ersparnisse. Denn die Bewohnerinnen und Bewohner haben „Taschengeldkontos“, auf die sie selbst oder die Familien einzahlen. Teilweise sind das mehrere Hundert Euro, die dann für Friseur, Fußpflege oder Zeitungen und Zeitschriften ausgegeben werden können. Vorerst hat hierauf nur der Insolvenzverwalter Zugriff.
„Es kann nicht sein, dass pflegebedürftige Personen so behandelt werden“
Die Fahrenkrogs haben zwar einen neuen Platz gefunden, sogar in Norderstedt. Aber, so Sven Fahrenkrog: „Ich erhoffe mir jedoch, dass die Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht wird, und im Idealfall die Politik etwas ändert. Es kann nicht sein, dass pflegebedürftige Personen so behandelt werden und nur noch das Geld im Vordergrund stehe.“ Und Jürgen Fahrenkrog ärgert sich, dass Andzej Z. das Altenpflegenheim überhaupt übernehmen durfte. „Ich prangere an, dass die Heimaufsicht so etwas zulässt. Das ist doch Behördenversagen.“
Am Montag waren noch 26 Bewohnerinnen und Bewohner verblieben. „Der Auszug läuft“, so der Mitarbeiter. „Viele haben es hingenommen, andere waren traurig, haben beim Auszug geweint. Mit uns als Team waren sie sehr zufrieden. Aber ohne Führung kann es nicht funktionieren.“ Längst nicht immer kann der Wunsch erfüllt werden, in Norderstedt zu bleiben. Und es gebe generell Heime, die zwar freie Zimmer hätten, aber keine Neuaufnahmen machen – aus Personalmangel.
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Norderstedt: Bewohnerinnen und Bewohner müssen teils in andere Städte und Gemeinden ziehen
Die Kreisverwaltung geht davon aus, „dass alle bis zum Fristablauf einen neuen Pflegeplatz finden werden“, so Sabrina Müller. Denn: „Es gibt im Kreis Segeberg derzeit ausreichend freie Pflegeplätze.“ Aber eben über die Region verteilt und nicht unbedingt in Norderstedt, das ist die Kehrseite.
Ab November wird niemand mehr betreut. Die Angestellten haben mittlerweile gekündigt, manche meldeten sich arbeitslos, andere haben schon neue Jobs. „In der Branche findest du immer etwas“, sagt der Mann. Auch er hat eine neue Anstellung gefunden. Was bleibt: Anfang November sollen, so hat er gehört, die Türschlösser ausgetauscht werden.