Kiel/Henstedt-Ulzburg. Mit Pickup in Demo gefahren: Kreisvorsitzender der Partei soll beim Landgericht über Kontakte zum Angeklagten aussagen.
- Nach einer AfD-Veranstaltung rammte ein VW Pickup in Henstedt-Ulzburg mehrere Gegendemonstranten
- Der Fahrer ist wegen versuchten Totschlags angeklagt
- Der Prozess ist politisch aufgeladen wegen der Verbindungen des Mannes in die rechte Szene
Für den Kreis Segeberg ist der Fall so gut wie beispiellos, der Prozess ist wegen seiner politischen Dimension und der vielen Beteiligten einer der brisantesten in diesem Jahr: Vor dem Landgericht Kiel muss sich seit Juli ein heute 22-Jähriger aus Föhrden-Barl bei Bad Bramstedt verantworten, er ist unter anderem wegen versuchten Totschlags angeklagt. Der Vorwurf: Er soll am 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg bewusst mit einem VW Pickup auf einen Gehweg an der Beckersbergstraße und dort in eine Gruppe Gegendemonstranten gefahren sein, wodurch diese teils schwer verletzt wurden.
Dies geschah im Anschluss an eine AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus. Der Fahrer war damals selbst Mitglied der Partei, die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist. Im Kreis Segeberg ist Julian Flak AfD-Vorsitzender. Auch in Schleswig-Holstein ist der Kaltenkirchener mittlerweile einer der wichtigsten Vertreter der Alternative für Deutschland, er ist stellvertretender Landeschef, dazu in seiner Heimatstadt Vorsitzender des Umwelt-, Natur- und Klimaausschusses, auf Kreisebene leitet er den Bauausschuss. Nun muss er am Freitag, 27. Oktober, ab 9 Uhr als Zeuge vor dem Landgericht Kiel aussagen.
Landgericht Kiel: Brisanter Prozess – jetzt soll der AfD-Chef aussagen
Es dürfte insbesondere darum gehen, wie gut er den Angeklagten vor der Tat kannte – und wie der Kontakt unmittelbar danach war. Der Pickup-Fahrer war nicht nur Mitglied der AfD, er berichtete auch, dass ihn Flak zu Veranstaltungen eingeladen habe. Das hatte der AfD-Vorsitzende dem Abendblatt gegenüber auf Nachfrage bestätigt.
Die Kommunikation im Anschluss an den mutmaßlichen Angriff mit dem Auto war schon mehrfach Thema im Prozess. „Er hat mich gefragt, was aus meiner Sicht passiert ist. Und er hat gesagt, ja, er denkt, es sei besser, auszutreten“, so berichtete der Angeklagte von einem Gespräch am 18. Oktober 2020. Flak sagte hierzu: Er habe dem Beschuldigten „am Folgetag nahe gelegt, aus der AfD auszutreten. Dies ist dann erfreulicherweise auch sehr kurzfristig erfolgt. Die AfD lehnt Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab“.
Henstedt-Ulzburg: Dass der Angeklagte am Steuer saß, hat dieser eingeräumt
Dass der heute 22 Jahre alte Mann am Steuer saß, hatte er bereits zu Verhandlungsbeginn eingeräumt. Allerdings hatte er seine Beweggründe eher als Reaktion darauf beschrieben, dass er Freunde von sich in Gefahr gesehen habe und mutmaßliche Angreifer abschrecken wollte.
Die Aussagen seiner Begleiter und zum Teil auch heutigen Freunde hatten sich aber in mehreren Punkten widersprochen. Dass es den kolportierten Angriff von Antifa-Demonstranten gegeben hat, konnte nicht erwiesen werden. Vielmehr ergab die Befragung des Beschuldigten, dass er sich eindeutig in einem rechtsextremistischen Spektrum bewegte, was auch durch die Auswertung von Handy- und Internetdaten gestützt wurde.
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Landgericht Kiel: Dem Angeklagten droht bei Verurteilung eine Haftstrafe
Ein weiterer Zeuge, nämlich ein Kumpel des Fahrers, hat ebenso mit Julian Flak gesprochen, wie er bei einer Befragung durch das Landgericht aussagte. Auch bei diesem Treffen ging es darum, darüber zu berichten, was an der Beckersbergstraße geschehen sei.
Dass er als Zeuge geladen wurde, kommentiert Flak auf Abendblatt-Anfrage nur knapp. „Ob ich etwas zur Aufklärung beitragen kann, vermag ich noch nicht einzuschätzen, zumal ich das Verfahren nur am Rande aus den Presseberichten verfolge. Ich vertraue da auf die Einschätzung des Gerichts.“
Ursprünglich war ein Urteil bereits für Mitte Oktober erwartet worden, ehe der Prozess um rund zwei Monate bis in den Dezember hinein verlängert wurde. Wird er schuldig gesprochen, droht dem Angeklagten eine Haftstrafe.