Kreis Segeberg. Mehrfach erwähnt Beschuldigter vor dem Landgericht den Kontakt zum Kreisvorsitzenden. Dieser bestätigt die damalige Verbindung.
Dass der Name eines Politikers, der zugleich Kreisvorsitzender seiner Partei und stellvertretender Landeschef ist, mehrfach in einem Prozess fällt, bei dem es unter anderem um versuchten Totschlag geht, ist für sich bereits bemerkenswert. Umso mehr, wenn es sich bei der Partei um die AfD handelt, bei deren Funktionär um Julian Flak aus Kaltenkirchen, und bei dem Verfahren um den möglicherweise bewussten Angriff mit einem VW Amarok auf linke Gegendemonstranten am 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg.
Immer wieder kam beim ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht Kiel die politische Gesinnung des Beschuldigten, M. S. aus Föhrden-Barl bei Bad Bramstedt, zur Sprache. Insbesondere, weil es zahlreiche eindeutige Hinweise auf eine rechtsextremistische Ideologie gibt – Videos, Bilder, Aussagen, Onlineaktivitäten, Kleidung.
Der 22-Jährige bestätigte nicht nur so gut wie alle dieser Punkte, sondern auch: Ja, er war zur Tatzeit AfD-Mitglied, sei auf mehreren Stammtischen gewesen, hätte Plakate aufgehängt. „Julian Flak war der Sprecher, er hat mich zu so etwas eingeladen.“ Die Nebenklage fragte später, ob S. auch bei Wahlkampfveranstaltungen gewesen sei. „Ja“, war die Antwort.
Prozess um Angriff auf Antifa: AfD-Chef Julian Flak kannte Angeklagten
Im Bürgerhaus war M. S. nicht, bevor er mit dem Auto seiner Mutter vier Menschen auf dem Gehweg an der Beckersbergstraße rammte. Allerdings hatte er von dem Besuch des damaligen AfD-Bundessprechers Jörg Meuthen gewusst – es darf davon ausgegangen werden, dass sämtliche Mitglieder in Schleswig-Holstein darüber informiert waren. Laut Partei seien damals alle Gäste der Veranstaltung namentlich registriert gewesen.
Das Abendblatt hat Julian Flak auf M. S. angesprochen. Dieser habe „nach meiner Erinnerung an einigen (wenigen) derartigen Veranstaltungen teilgenommen, zu denen ich als Kreissprecher eingeladen hatte“. Vor Gericht berichtete der Angeklagte, dem eine mehrjährige Haftstrafe droht, von seiner Kommunikation mit Flak nach der Tat. „Er hat mich gefragt, was aus meiner Sicht passiert ist. Und er hat gesagt, ja, er denkt, es sei besser, auszutreten.“
AfD-Vorsitzender legte M. S. den Parteiaustritt nahe
Auch das bestätigt Julian Flak: „Ich habe M. S. am Folgetag nahe gelegt, aus der AfD auszutreten. Dies ist dann erfreulicherweise auch sehr kurzfristig erfolgt. Die AfD lehnt Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab.“
S., der nach eigenen Angaben „nie wirklich aktiv“ gewesen sei in der Partei, begründete seinen Austritt wie folgt: Er habe am 17. Oktober zu Hause gesessen und seinen Eltern von den Geschehnissen erzählt, und „gemerkt, dass ich mit Rechtsextremen und Linksextremen nichts mehr zu tun haben möchte“.
Wenige Tage nach der Tat verteilte AfD im Ort Flyer, die ein „Antifa-Verbot“ forderten
Julian Flak war im Oktober 2020 wenige Tage nach dem folgenschweren Sonnabend wieder in Henstedt-Ulzburg. Zusammen mit weiteren AfD-Vertretern, darunter der heutige Norderstedter Fraktionsvorsitzende Sven Wendorf, verteilte er in der Großgemeinde Flyer, ein Gruppenfoto mit dem Bürgerhaus im Hintergrund veröffentlichten sie auf Facebook.
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„Den Brandstiftern das Handwerk legen: Antifa-Verbot jetzt“, forderten sie. Die Antifa würde „undemokratische Ideen und Gewalt nach Henstedt-Ulzburg tragen“, hieß es etwa. Ähnlich äußerte sich M. S. vor Gericht, als er aussagte, einer seiner Begleiter sei angegriffen worden und die Fahrt mit dem VW auf dem Bürgersteig sei als „Abschreckung“ gedacht gewesen.
Prozess um Angriff nach AfD-Veranstaltung: Julian Flak nicht als Zeuge geladen
Ob er dazu auch heute stehe, trotz der Erkenntnisse durch die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei und der Anklage auf versuchten Totschlag? Flak: „Es gab am Veranstaltungstag bereits vor Veranstaltungsbeginn Übergriffe der sogenannten Antifa auf Gäste unserer Veranstaltung. Ebenso wie jegliche andere Gewalt in der politischen Auseinandersetzung lehnen wir die Gewalt der sogenannten Antifa selbstverständlich ab und haben diesen Umstand auch im Herbst 2020 thematisiert.“
Ob die Verbindung zwischen M. S. und der AfD im Prozess eine weitere Rolle spielen wird, ist offen. „Bislang habe ich keine Zeugenladung erhalten“, sagt Julian Flak.