Norderstedt. Nach der Abwahl von Elke Christina Roeder: Wie Schmieder und Hille jetzt den Chefsessel im Rathaus erobern wollen.

Katerstimmung bei der SPD, demonstrative Zuversicht bei der CDU und im Lager von Katrin Schmieder: Nach der krachenden Abwahl von Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder kommt auf Norderstedt nun ein Kandidaten-Duell zu. Gut vier Wochen bleiben Katrin Schmieder und Robert Hille, noch einmal kräftig für sich zu werben. Roeder hatte am Sonntagabend nur 27,7 Prozent der Stimmen erhalten, Hille bekam 35,6 Prozent, Schmieder 36,7 Prozent. Die Stichwahl steht am 5. November an – mit einer Konstellation, die wenige so erwartet hatten.

Auf der einen Seite: Katrin Schmieder, 55 Jahre alt, Ur-Norderstedterin, derzeit Sozialdezernentin der Stadt und allseits bestens vernetzt. Ihr hatten viele einen Erfolg zugetraut, sie selbst hatte wohl damit gerechnet, schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit zu bekommen. Auf der anderen Seite: CDU-Mann Robert Hille, 47, Kulturmanager aus Hamburg. Ihn kannte noch vor einigen Monaten kaum jemand in Norderstedt, er galt manchen als chancenloser Zählkandidat. Aber jetzt darf er sich ernsthaft Hoffnung auf den Chefsessel machen.

„Jetzt geht es um alles“, sagt Robert Hille mit krächzender Stimme

Am Montagmorgen steht Robert Hilles Telefon nicht still. Viele Freunde und Parteikollegen rufen den CDU-Politiker an und bieten ihm ihre Unterstützung für die nächsten Wochen an. „Jetzt geht es um alles“, sagt Hille mit etwas krächziger Stimme. Bis Mitternacht ging seine Wahlkampfparty in der „Hopfenliebe“.

Spannend wird, ob die Unterstützer von Elke Christina Roeder sich nun für einen der anderen Kandidaten entscheiden oder der Stichwahl fernbleiben. Hille will zumindest nicht sein Konzept anpassen, um die Roeder-Wähler auf seine Seite zu ziehen. „Ich werde meiner Linie treu bleiben. Ich rufe keine neuen Themen auf, nur um andere Wähler anzusprechen“, sagt er. Seine Schwerpunkte seien klar, und die hießen weiterhin: Sicherheit, Wirtschaft, Familie und Bildung.

Business as usual für Katrin Schmieder: Am Montag in die Dezernentenrunde

Katrin Schmieder und ihr Team hatten am Wahlabend ebenfalls in der „Hopfenliebe“ ihr Lager aufgeschlagen – und dort herrschte beste Stimmung. Teilweise wurden „Und tschüs!“-Rufe angestimmt, in Richtung von Noch-OB Elke Christina Roeder. Doch am Montag herrschte wieder Business as usual bei Katrin Schmieder, im Rathaus stand die turnusmäßige Dezernentenrunde auf dem Programm.

Schmieder will „in den nächsten Tagen mit der SPD in den Dialog gehen“

Das Doppelpensum mit Arbeit in der Verwaltung und Wahlkampf wird Schmieder nun noch für einen Monat weiterführen müssen. Aber sie hat bereits erste Pläne, wie sie bis zur Stichwahl agieren will. „Ich werde mit der SPD in den nächsten Tagen in den Dialog gehen, schauen, welche Themen da für uns inhaltlich zueinander passen, ob sie wie die FDP und die Grünen vielleicht eine Unterstützung aussprechen möchten, oder nicht. Es würde mich wundern, wenn sie Herrn Hille unterstützen.“

Wie konnte es eigentlich so weit kommen, dass es ein bis dato unbekannter CDU-Mann aus Hamburg in die Stichwahl schafft? Susanne Bernitt, Mitglied seines Wahlkampfteams, begründet das so: „Wir hatten ausschließlich positives Feedback an den Wahlkampfständen. Wir haben oft gehört, dass sich die Leute jemanden wünschen, der jung ist und frischen Wind von außen bringt“, so das Mitglied der CDU Norderstedt.

Thema Sicherheit dominierte teilweise den Wahlkampf

Außerdem war da natürlich das Thema Sicherheit, das den Wahlkampf phasenweise dominierte. „Wir wurden an den Wahlständen immer wieder darauf angesprochen, von sehr jungen, aber auch von älteren Menschen“, sagt Susanne Bernitt. Und Hille besetzte das Thema geschickt und überdeutlich. Griff er damit eine verbreitete Sorge in der Bevölkerung auf, oder machte er ein eigentlich kleines Problem groß, um davon zu profiitieren?

„Scheindebatte“, sagt Grünen-Politiker Marc-Christopher Giese

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Am Wahlabend warf Noch-OB Roeder Hille vor, die Stadt bewusst schlecht geredet zu haben, um Stimmen zu gewinnen. Norderstedt sei entgegen Hilles Darstellung sehr sicher. Von einer „Scheindebatte“ sprach am Montag auch der Norderstedter Grünen-Politiker Marc-Christopher Giese. „Wir haben größere Probleme als die Sicherheit an den beiden Bahnhöfen“, meint er. Seine Partei hatte im Wahlkampf Schmieder unterstützt.

Reimer Rathje (WiN): „Thema Sicherheit brennt Leuten auf den Nägeln“

Reimer Rathje von der Partei „Wir in Norderstedt“ (WiN) hingegen sagte am Montag: „Das Problem gibt es, das brennt den Leuten auf den Nägeln, und Roeder hat es verpennt. Sicherheit in Norderstedt-Mitte und in Garstedt ist ein großes Thema.“ Rathjes Wahlkreis ist in Garstedt, er werde dort „täglich“ auf dieses Thema angesprochen, „Menschen haben abends Angst, zu den Bahnhöfen zu gehen.“ Und Elke Christina Roeder habe in dieser Sache, wie auch bei anderen Themen, „verwaltet, aber nicht gestaltet.“ Hille habe das Thema gut aufgegriffen. Die WiN hatte sich im Wahlkampf allerdings neutral positioniert.

Katrin Schmieder besetzte das Thema Sicherheit weniger deutlich als Hille – indes pflegt sie das Image der „Kümmerin“ in Norderstedt und hat gute politische Instinkte. Und dass das Thema auch die kommenden vier Wochen prägten könnte, dürfte Gegenstand ihrer Überlegungen sein. Den politischen Angriffsmodus, soviel wurde in den letzten Monaten klar, beherrscht sie.

Was Katrin Schmieder zum Thema Sicherheit sagt

Und so zeigt sie nun auch in Richtung Hille klare Kante: „Beim Thema Sicherheit tut er so, als wäre ich ganz weit weg von dem, was er will. Ich habe überhaupt keine Bedenken, Kameras dort einzurichten, wo sie der Aufklärung dienen“, so Schmieder. Sie sagt aber auch: „Echte Sicherheit in Notsituationen ist nur gegeben, wenn Menschen vor Ort sind.“ Eine Videoüberwachung führe nicht zu Sicherheit, sondern zu Aufklärung. Und im Übrigen sei es auch für Schmieder „selbstverständlich“, Ordnungsdienste und Polizei besser zu verzahnen.“

Hille: „Frau Schmieder ist eine Grüne“

Sind also Schmieder und Hille in Wahrheit recht nah beieinander, politisch? Wohl kaum. Katrin Schmieder ist seit Jahren Mitglied der Grünen, trat aber als überparteiliche Kandidatin auf. Robert Hille hingegen müht sich nun, sie stärker in die grüne Ecke zu rücken: „Frau Schmieder ist eine Grüne. Man wird Mitglied in einer Partei und legt seine Zugehörigkeit nicht einfach ab, wenn es gerade nicht passt“, sagt er.

Schmieder kontert: „Ich werde von der FDP unterstützt, von 500 Bürgerinnen und Bürgern in meiner Kandidatur, da sind auch Christdemokraten dabei.“ Das zeige den Stil, wie sie arbeite. Aus strategischen Gründen vor der Kandidatur bei den Grünen auszusteigen, sei nicht infrage gekommen. „Da hätte doch jeder gesagt, guck mal, jetzt gibt sie es nicht mehr zu.“

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Der Wahlkampf, das deutet sich an, wird in den kommenden Tagen und Wochen wohl eher härter werden. Und vielleicht wird es ja auch ein paar mehr Gelegenheiten geben, bei denen die Kandidaten öffentlich aufeinander treffen. Das wurde in den ersten Monaten des Wahlkampfes von vielen Norderstedtern schmerzlich vermisst.