Norderstedt. Analyse zur Wahlniederlage der Oberbürgermeisterin: eigene Fehler, starke Konkurrenz, zu wenig Erfolge.

Der Schock sitzt tief bei der SPD und bei Elke Christina Roeder. Dass die Wählerinnen und Wähler in Norderstedt die amtierende Oberbürgermeisterin derartig abstrafen würden, dass es nicht einmal für eine Stichwahl reichen würde – das kommt kommunalpolitisch einem Erdbeben gleich.

In Zahlen: 2017, als Roeder den CDU-Kandidaten David Hirsch deutlich besiegte, stimmten 11.028 Wahlberechtigte für sie. Heute, sechs Jahre später, waren es nur noch 7406, also 3622 weniger. Fast exakt ein Drittel aller Stimmen ist verloren gegangen, und das trotz einer um rund zehn Prozent gestiegenen Wahlbeteiligung. Von einem Amtsbonus konnte nicht annähernd die Rede sein.

Doch wenn Roeder, wie am Sonntag geschehen, auf den Bundestrend verweist als Grund für die Niederlage, dann greift das viel zu kurz. Wer in Städten der Größenordnung wie Norderstedt Verantwortung tragen möchte, braucht das Image einer Kümmerin. Die Menschen wollen das Gefühl haben, ihre Belange seien bei einer OB in guten Händen – und diese braucht nicht nur fachliche Kompetenz und Geschick, sondern auch eine dörfliche Nahbarkeit.

Norderstedt: Warum Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder gescheitert ist

Präsent ist Elke Christina Roeder gewesen. Aber ihr gelang es nicht, eine Sympathieträgerin zu werden – im Vergleich mit ihrem quer durch alle politischen Lager angesehenen Vorgänger Hans-Joachim Grote fällt das umso mehr auf. Zumal die Konkurrenz diesmal weitaus stärker war als vor sechs Jahren. Seinerzeit griff die Union mit ihrem blassen Bewerber daneben, und die Sozialdezernentin Anette Reinders war zwar inhaltlich bewandert, aber zu wenig Wahlkämpferin.

Das war nun komplett anders. Selbstbewusst trat Katrin Schmieder auf, zeichnete von sich das Bild der „Ur-Norderstedterin“, die sich in der Stadt bestens auskenne. Und: Sie unterstrich das mit gut besuchten Veranstaltungen, plauderte etwa mit Hans-Joachim Grote, was ein Coup war. Zudem bekannten sich zahlreiche Personen aus der Norderstedter Gesellschaft, sei es von Vereinen oder generell ehrenamtlich Tätige, zur Herausforderin. Da hatte es Roeder schwer. Viele der öffentlich präsentierten Unterstützer kamen bei ihr eher aus der eigenen Partei und deren Umfeld. Dass die SPD mit „ihrer“ Kandidatin nicht einmal eine Art Bürgerversammlung organisierte, überrascht im Nachhinein.

Innere Sicherheit: Umgang erweist sich als Fehleinschätzung

Als Fehleinschätzung hat sich dazu der Umgang mit der inneren Sicherheit herausgestellt. Wenn Menschen, und zwar aller Generationen, sich rund um die Bahnhöfe bedroht fühlen, mag das subjektiv sein – doch es wurde zu spät ernst genommen, wie sich hier eine Dynamik entwickelte, die Robert Hille mit der CDU strategisch clever nutzte und die eigene Stammwählerschaft mutmaßlich optimal aktivierte. Unwichtig ist, und da ist dieser Wahlkampf beileibe nicht der erste, ob Forderungen realistisch oder kurzfristig machbar sind. Bei zu vielen Bürgern entstand der Eindruck, das Rathaus beschönige die Lage und tue zu wenig – das war nicht mehr zu reparieren.

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Die Erfolge, die Roeder sich zuschrieb, zündeten hingegen nicht. Dass sie während der Pandemie das Impfzentrum in die TriBühne holte, ist vergessen, die Corona-Zeit wollen die Menschen heute am liebsten aus der Erinnerung streichen. Dass der Service im Rathaus, insbesondere im Einwohnermeldeamt, in den letzten Jahren besser geworden ist, stimmt – aber so etwas setzt die Bevölkerung eben als Selbstverständlichkeit voraus.

Norderstedt: Rathaus und Politik hatten keine gemeinsame Strategie beim Wohnungsbau

Dafür herrscht in der Stadt fast schon Stillstand bei wichtigen Wohnungsbauprojekten: Ob nun am Glashütter Damm, der Grünen Heyde, am Harkshörner Weg oder auf der Brachfläche der ehemaligen Flüchtlingsunterkunft an der Lawaetzstraße – nachdem das von Roeder initiierte Bündnis für Wohnen geplatzt war, gelang es ihr als Verwaltungsspitze eben nicht mehr, zusammen mit der Politik eine Strategie zu entwickeln im Sinne der Bürger.

Denn die wollen nichts hören vom Streit über Mobilitätskonzepte oder Förderquoten, sondern in ihrer Heimatstadt bezahlbare Wohnungen finden. Genau dieses langfristige Denken, ob nun Robert Hille oder Katrin Schmieder die Nachfolge antritt, muss im Rathaus wieder Einzug halten.