Norderstedt. Zwei Jahre nach historischer Entscheidung: Das sagen Stadt, Ministerium und Hochbahn zum Stand der Dinge. Viele Fragen sind offen.

Es ist selten, dass sich in Norderstedt bei einer Entscheidung Verwaltung und Politik unisono auf die Schultern klopfen. Doch bei diesem historischen Beschluss Mitte September 2021 war es so: Die Verlängerung der U1 nach Norden bis hin zur Quickborner Straße soll kommen, dafür votierten erst der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und dann die Stadtvertretung. Es war der offizielle Startschuss für ein Megaprojekt, eines, das Norderstedt verändern würde.

Das ist zwei Jahre her. Öffentliche Statements hat es seitdem so gut wie keine gegeben, die damalige Aufbruchstimmung ist verschwunden. Warum das so ist, und ob es überhaupt eine realistische Chance gibt, dass die U-Bahn tatsächlich eines Tages bis an den nördlichen Rand der Stadt fährt, hat das Abendblatt versucht, herauszufinden.

U1: Verlängerung in Norderstedt – warum stockt das Megaprojekt?

Die Antwort aus dem Rathaus fällt sehr knapp aus. „Derzeit wird in der Stadtverwaltung Norderstedt die Ausschreibung der Ingenieurleistungen vorbereitet.“ Doch hinter dieser Formulierung steckt mehr. Es geht hier um die Trassenstudie, also jene Untersuchung der Bereiche, wo die U1 fahren soll.

Und das wiederum ist die Basis für die Berechnungen, wie viel die Bauarbeiten tatsächlich kosten könnten. Der Auftrag ist komplex, nur wenige Büros in Deutschland gelten als hierfür geeignet. Schon im Doppelhaushalt 2022/2023 waren zu diesem Zwecke 850.000 Euro vorgesehen gewesen, wurden aber nie abgerufen. Das Geld dürfte im nächsten Etat erneut zur Verfügung stehen.

Norderstedt setzte auf Hilfe der Hochbahn – vergebens

Die Verzögerung war nicht eingeplant. Doch wie sich mittlerweile herausgestellt hat, muss Norderstedt vorerst in Eigenregie arbeiten. Grundsätzlich ist das okay, die Stadt ist sowieso formal Herr des Verfahrens. Aber: Mario Kröska, verantwortlicher Verkehrsplaner der Verwaltung, hatte 2021 auf die Unterstützung der Hochbahn gesetzt.

Daraus wurde nichts, wie er selbst Anfang des Jahres auf eine Nachfrage des Stadtvertreters Marc Giese (Bündnis 90/Die Grünen) einräumte. Demnach habe Norderstedt nach der Entscheidung im September 2021 damit begonnen, „alle erforderlichen Planungen, Gutachten, Projektbeteiligte und Untersuchungen zu sondieren“. Das Ziel: Alle Akteure einbeziehen, um letztlich ein erfolgreiches Planfeststellungsverfahren durchzuführen.

Mario Kröska, Verkehrsplaner im Rathaus, und Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder: Die Stadt lässt nun eine Trassenstudie für die U1-Verlängerung erstellen.
Mario Kröska, Verkehrsplaner im Rathaus, und Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder: Die Stadt lässt nun eine Trassenstudie für die U1-Verlängerung erstellen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Der Knackpunkt: Die Hochbahn, beschrieben als „zwingend erforderlicher Projektentwicklungspartner“, hatte die U1-Verlängerung zwar Mitte 2022 durch ihren Aufsichtsrat mit Verkehrssenator Anjes Tjarks als Vorsitzenden positiv bewertet. Aber die Übernahme von Aufgaben war immer abhängig von laufenden Projekten in Hamburg. Kröska beschreibt genau dieses Dilemma am 25. Januar 2023: Die Hochbahn habe „nicht genügend Personalkapazitäten“, um zusätzlich an einem Vorhaben zu arbeiten, dass sich nicht in der Hansestadt befindet, sondern in Schleswig-Holstein.

Hochbahn: „Aktuell keine Kapazitäten“

Denn in Hamburg steht die Planung der neuen U5 über allem, dazu wird die U4 verlängert, und die U3 soll in Barmbek eine neue Haltestelle „Fuhlsbütteler Straße“ bekommen. All das hat hohe Priorität für den Senat. Das ernüchternde Fazit von Kröska: „Ohne den sofortigen Einstieg/die kontinuierliche Mitarbeit der Hochbahn ist eine Weiterführung des Projektes leider ausgeschlossen.“

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Gegenüber dem Abendblatt formuliert es Christoph Kreienbaum, Sprecher der Hochbahn, so: „Aktuell haben wir keine Kapazitäten, um die ersten Planungsschritte zu begleiten. Wir stehen aber im Austausch mit der Stadtverwaltung in Norderstedt und beabsichtigen, die Planung ab der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre zu begleiten.“ Den Bedarf für eine Verlängerung sieht die Hochbahn durchaus. „Erste verkehrliche Untersuchungen haben gezeigt, dass ein relevantes Fahrgastpotenzial besteht.“

U1-Verlängerung: Projekt nicht Teil des Landes-Nahverkehrsplans

Schon 2019, auf Anfrage der Stadt Norderstedt, hatte das Unternehmen eine Studie vorgelegt, die besagte: Gegenüber dem AKN-Betrieb wäre eine Steigerung der Fahrgastzahlen um 37 Prozent möglich. Und das war, bevor die Verkehrswende politische Prämisse wurde. Doch Kreienbaum verweist ein zweites Mal auf die anderen Vorhaben: „Allerdings müssen wir als Unternehmen sehen, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen in die aktuell zahlreichen Aus-, Um- und Neubauvorhaben im U-Bahn-Netz einsetzen können.“

Ein weiterer wichtiger Akteur ist das Verkehrsministerium des Landes Schleswig-Holstein. Doch auch hier hakt es. Wieder ist es anders gekommen als vor zwei Jahren angekündigt. Die U1-Verlängerung ist keineswegs als Projekt im Landes-Nahverkehrsplan für die Jahre 2022 bis 2027 aufgeführt, sie wird lediglich mit einem Satz erwähnt in Zusammenhang mit dem AKN-Expresszug zwischen Neumünster und Norderstedt. Demnach gebe es „Bemühungen“ zur Verlängerung der U1, heißt es.

Norderstedt setzt auf Finanzierung aus Bundesmitteln

Die U1-Verlängerung wird in Kiel als reines Norderstedt-Projekt eingeordnet. Auf Abendblatt-Nachfrage sagt Harald Haase, Sprecher von Minister Claus Ruhe Madsen (CDU): „Das Land hat einen landesweiten Nahverkehrsplan verabschiedet, der diejenigen Projekte priorisiert, die den höchsten Nutzen für Schleswig-Holstein haben. Selbst diese Projekte sind bei weitem nicht alle finanziert.“

Sich an den Kosten für die U1 zu beteiligen, dazu sei man „auf absehbare Zeit kaum in der Lage“. Und hier blickt Norderstedt sowieso eher nach Berlin. Die hiesige Politik hatte abgesegnet, dass die Stadt 25 Prozent der kalkulierten Investition von 135 Millionen Euro übernehmen würde.

Und der große Rest? Hier setzt man auf das sogenannte Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, das die Förderung kommunaler, schienengebundener ÖPNV-Projekte wie zum Beispiel einer U-Bahn regelt. Ab 2025 stehen hierfür laut Bundesverkehrsministerium 2 Milliarden Euro zur Verfügung, der Betrag soll weiter angehoben werden. Aber bevor die Subvention beantragt werden kann, muss eine fertige Planung vorliegen.

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Trotzdem: In Norderstedt selbst überwiegt der Optimismus, dass es klappen wird mit der U1-Verlängerung. Im Wahlkampf hatte Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder gesagt, dass die Planung „auf einem sehr guten Weg sei“, sich aber noch „einige Jahre hinziehen“ werde. Mit einer Fertigstellung rechne man „in fünf bis acht Jahren“. Sie denkt sogar schon weiter, nämlich an einen U1-/AKN-Ring mit einer Aktivierung des alten Industriegleises in Richtung Stadtpark.

Der Landtagsabgeordnete Patrick Pender aus Norderstedt ist von dem Projekt überzeugt und setzt sich in Kiel und Hamburg für die Umsetzung ein.
Der Landtagsabgeordnete Patrick Pender aus Norderstedt ist von dem Projekt überzeugt und setzt sich in Kiel und Hamburg für die Umsetzung ein. © CDU | CDU

U1: Verlängerung ist „realistisch“, sagt der Landtagsabgeordnete

Ihre Kontrahenten äußerten sich ähnlich. Katrin Schmieder sagte, sie werde, wo es möglich sei, „Planungsschritte beschleunigen“, und Robert Hille kündigte an, „meine sehr gute Vernetzung nach Kiel und Hamburg“ zu nutzen. Das ist alles im Sinne der Bevölkerung, denn es wird kaum Bürgerinnen und Bürger geben, die nicht für eine Erweiterung des U-Bahn-Angebots wären. Der Abschnitt von Garstedt bis Norderstedt-Mitte war der letzte, der hinzukam, und das war 1996.

Und noch ein Norderstedter arbeitet hinter den Kulissen an dem Vorhaben, dass ihn nach eigener Aussage sehr am Herzen liegt: der CDU-Landtagsabgeordnete Patrick Pender. „Gut, dass niemand in Norderstedt die Verlängerung in Abrede stellt. Das Projekt muss Fahrt aufnehmen“, fordert er.

„Wenn im Norden von Norderstedt der Schleswiger Hagen, die Grüne Heyde und die Nachverdichtungsgbiete abgeschlossen sind und dann die U1 nicht da ist, sind alle auf das Auto angewiesen.“ Pender, der auch stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für die länderübergreifende Zusammenarbeit mit Hamburg ist, zeigt sich überzeugt davon, dass die U1 einmal bis zur Quickborner Straßen fahren und damit auf diesem Abschnitt die AKN ersetzen wird. „Es ist realistisch, da es auf bestehenden Gleisen gebaut wird.“ Und die, das ist der entscheidende Punkt, seien in städtischem Eigentum.