Norderstedt. Sicherheit, Flüchtlinge, Wohnen, Verkehr und der Strandhaus-Streit: Was die Kandidaten im Falle eines Erfolgs vorhaben.

Eine Oberbürgermeisterin oder ein Oberbürgermeister in Norderstedt ist formal Chefin oder Chef der Verwaltung, also von über 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Doch die Menschen erwarten mehr von der Person, die das wichtigste Amt der Stadt ausübt. Wer hier das Sagen hat, soll auch gestalten, soll Ideen entwickeln, die dann politisch mehrheitsfähig sind. Und deswegen hat das Hamburger Abendblatt Elke Christina Roeder, Katrin Schmieder und Robert Hille zu den fünf wichtigsten Themen befragt, die Norderstedt bewegen.

Wohnen, Flüchtlinge, öffentliche Sicherheit, der Verkehr, hierzu waren Positionierungen gefordert, dazu auch zur Zukunft des Strandhauses im Stadtpark. Was die Kandidatinnen und der Kandidat geantwortet haben – hier ist der große Überblick.

Katrin Schmieder (l.), Robert Hille und Elke Christina Roeder vor dem Triell in der Aula des Coppernicus-Gymnasiums.
Katrin Schmieder (l.), Robert Hille und Elke Christina Roeder vor dem Triell in der Aula des Coppernicus-Gymnasiums. © Norderstedt | Claas Greite

Wohnungsbau in Norderstedt

Frage: Hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft Priorität Nr. 1 oder ist das politisches Wunschdenken? Und: Wie lässt sich eine mehrheitsfähige Strategie zusammen mit der Politik finden

Roeder: Der Kommunale Wohnungsbau wäre ein möglicher Baustein zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gewesen. Durch die veränderten Mehrheiten nach der Kommunalwahl sehe ich hierfür jedoch keine politischen Mehrheiten. Dennoch werde ich nach der Wahl einen neuen Aufschlag für ein Bündnis für Wohnen in Angriff nehmen.

Das Wohnen in unserer Gesellschaft verändert sich. Die jüngeren Generationen haben andere Anforderungen an Wohnen. Individuelle Mobilität ohne Autos oder Nutzung von regenerativen Energieformen stehen hoch im Kurs. Hier sind Verwaltung und Politik gemeinsam als Gestalter neuer Wohngebiete und Wohnformen tätig und gefragt.

Schmieder: Ich sehe das vom Ergebnis her. Viele in der Stadt brauchen bezahlbaren Wohnraum. Wir werden unter meiner Führung mit der Wohnungswirtschaft, den Eigentümervertretungen und der Politik zurück an den Tisch kehren und gemeinsam schauen, wie das gelingen kann. Die Zeiten sind für keinen einfacher geworden. Ich klammere mich nicht an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft.

Kommunikation, gemeinsame Zieldefinitionen und ein politischer Konsens bzw. eine Mehrheit entstehen selten in den Ausschuss-Sitzungen. Es wurde in Teilen verlernt, den Konsens herauszuarbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden. Diese politische Dissonanz in Kombination mit Misstrauen gegenüber der Verwaltung gilt es aufzubrechen. Dafür mache ich mich stark und stoße gerne eine neue Kultur an.

Die Suche nach Wohnungen (hier ein Nebaugebiet im Garstedter Dreieck) auch für Familien bzw. Menschen mit weniger finanziellem Spielraum ist in Norderstedt in den letzten Jahren immer schwieriger geworden.
Die Suche nach Wohnungen (hier ein Nebaugebiet im Garstedter Dreieck) auch für Familien bzw. Menschen mit weniger finanziellem Spielraum ist in Norderstedt in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. © Christopher Mey | Christopher Mey

Hille: Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft löst kein Problem. Ich setze auf die konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Wohnungsbauwirtschaft und der Verwaltung. In meinen vielen Gesprächen erlebe ich Unternehmergeist, Eigeninitiative und eine Vorstellung der Zukunft Norderstedts: bezahlbarer Wohnraum, Nachhaltigkeit und die Schaffung von Quartieren im Ausgleich zwischen der technischen, sozialen und grünen Infrastruktur, und das mit Augenmaß und im Dialog mit den Bürgern.

Für die Zukunft unserer Stadt ist es wichtig, Wohnquartiere zu schaffen, die sich an den wirklichen Bedürfnissen der Bevölkerung messen. Eine wohnortnahe Grundversorgung muss gewährleistet sein: kurze Wege zu Kita, Hausarzt und Bäcker. Dafür werde ich mich als Oberbürgermeister einsetzen und den zielführenden Dialog mit der Wohnungsbauwirtschaft und den politischen Gremien führen.

Der leidige Strandhaus-Streit

Frage: Die Norderstedterinnen und Norderstedter vermissen das Strandhaus, es ist seit Monaten aufgrund eines Rechtsstreits geschlossen: Was wollen Sie tun, um den Streit zu beenden?

Roeder: Bereits in der Vergangenheit habe ich angeboten, mich an einem Mediationsverfahren als Oberbürgermeisterin gern zu beteiligen. Im Hinblick auf den Verlauf der außergerichtlichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen besteht von Seiten der Beteiligten derzeit jedoch wenig Interesse an einer vergleichsweisen Lösung. Das letzte Urteil des OLG lässt aber hoffen, dass das Strandhaus demnächst seinen Betrieb wieder aufnehmen kann und wird.

Das vakante Strandhaus im Norderstedter Stadtpark: Der Rechtsstreit zwischen Pächter und Stadtwerken nervt viele Menschen in der Stadt.
Das vakante Strandhaus im Norderstedter Stadtpark: Der Rechtsstreit zwischen Pächter und Stadtwerken nervt viele Menschen in der Stadt. © Christopher Mey | Christopher Mey

Schmieder: Wenn ein „Machtwort“ so einfach wäre, dann gerne das. In Realität braucht es dringend einen außergerichtlichen Lösungsweg und einen Neustart an diesem wunderbaren Standort. Dazu hole ich alle so lange an einen Tisch, bis weißer Rauch aufsteigt.

Hille: Als Oberbürgermeister werde ich das Strandhaus zur Chefsache machen, den direkten Dialog mit den Streitparteien führen und die überfällige Wiedereröffnung vorantreiben. Das Strandhaus muss den Bürgern und Gästen des Stadtparks wieder zur Verfügung stehen.

Verkehr in Norderstedt

Frage: Ein konkreter Plan für die U1-Verlängerung lässt auf sich warten. Fehlt Norderstedt der Einfluss? Was wäre die Alternative? Carsharing macht keinen Sinn – oder?

Roeder: Die Planung der U-Bahn-Verlängerung ist auf einem sehr guten Weg. In der Landesplanung wird Norderstedt berücksichtigt. Nun gilt es, weitere Gutachten in Auftrag zu geben. Die Planung wird sich noch einige Jahre hinziehen, sodass wir mit der Fertigstellung der U-Bahn-Verlängerung in fünf bis acht Jahren rechnen können.

Carsharing ist ein Teil der Mobilitätsplanung von Norderstedt. Neben der U-Bahn-Verlängerung entwickeln wir mit den Stadtwerken zusammen unser Mobilitätskonzept kontinuierlich für eine vernetzte Fortbewegung weiter. In den kommenden Jahren habe ich weitere ehrgeizige Ziele. Neben neuen Verkehrskonzepten und weiteren Mobilitätsstationen mit Fahrradverleih und Carsharing habe ich etwas ganz Besonderes vor: Einen U-Bahn/AKN-Ring durch die Verlängerung der U1-Linie und die Aktivierung bzw. Verlängerung des alten Industriegleises.

Wird die U1 bis zur Quickborner Straße verlängert? Die Planung ist aufwendig. In Norderstedt hat die Politik hierzu bereits einen Grundsatzbeschluss gefasst. Doch ohne die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein geht es nicht.
Wird die U1 bis zur Quickborner Straße verlängert? Die Planung ist aufwendig. In Norderstedt hat die Politik hierzu bereits einen Grundsatzbeschluss gefasst. Doch ohne die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein geht es nicht. © Schulze | Frank Schulze

Schmieder: Die Planungen laufen. Als zukünftige OB stehe ich für eine klare Kommunikation. So muss die Linie zum Beispiel unter der Waldstraße durch. Das alles braucht Zeit. Und wo es möglich ist, Planungsschritte zu beschleunigen, so werde ich das tun.

Unbedingt Carsharing, und das im gesamten Stadtgebiet, damit weniger selten genutzte Verbrenner-Autos rumstehen. Unbedingt kompatibel mit überregionalen Angeboten, insbesondere zu Hamburg.

Hille: Als Oberbürgermeister werde ich die U1-Verlängerung mit Kraft vorantreiben und meine sehr gute Vernetzung nach Kiel und Hamburg nutzen. Zusätzlich müssen flexible Kleinbuslösungen Querverbindungen schaffen. Auch ein On-demand-Service außerhalb der Kernzeiten ist sinnvoll. Dafür werde ich mich ebenso einsetzen.

Ein erfolgreiches Mobilitätskonzept neben dem Individualverkehr und dem ÖPNV umfasst mehrere Instrumente, unter anderem Carsharing, Stadträder, Kleinbusse, Moia. Entscheidend ist, dass die Flexibilität nicht an Stadt-, Kreis- und Landesgrenzen endet. Mein Bestreben ist, eine übergreifende Lösung herbeizuführen.

Sicherheit in Norderstedt

Frage: Diebstähle, Raubtaten, Gewalt: Die Bahnhöfe sind Brennpunkte. Eine Normalität, die nicht mehr zu ändern ist?

Roeder: Die Verwaltung erarbeitet zurzeit ein umfassendes Sicherheitskonzept. Daneben haben wir den Einsatz unseres kommunalen Ordnungsdienstes enorm verstärkt. Auf das subjektive Wohlbefinden an Bahnhöfen oder anderen Treffpunkten in unserer Stadt wirken sich aber auch Sauberkeit, gute Beleuchtung und einladendes Ambiente aus. Gemeinsam mit der Politik versuche ich hier sicherzustellen, dass auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen steigt.

Rund um das Herold-Center kommt es regelmäßig zu Straftaten, bei denen meist Jugendliche und junge Erwachsene beteiligt sind. Die Polizei sieht hier einen besonderen Brennpunkt.
Rund um das Herold-Center kommt es regelmäßig zu Straftaten, bei denen meist Jugendliche und junge Erwachsene beteiligt sind. Die Polizei sieht hier einen besonderen Brennpunkt. © Christopher Mey | Christopher Mey

Schmieder: Gute Sicherheitskonzepte und unter anderem mehr Licht steigern das Sicherheitsgefühl. Hier gilt es, mit den Diensten der Hochbahn, der Polizei, der Jugendarbeit und des Ordnungsdienstes gut zusammen zu arbeiten.

Hille: Meine Nachtschicht bei der Polizei hat mein Rechtsstaatsbewusstsein abermals bestätigt. Als Oberbürgermeister werde ich an den Brennpunkten in Verzahnung mit der Polizei konkrete Maßnahmen zum Schutz der Norderstedter Bürger priorisieren: Videoüberwachung, Beleuchtung, bestimmte bauliche Maßnahmen und besonders den Ausbau des kommunalen Ordnungsdienstes, ggf. unter Hinzunahme von Sicherheitsdiensten. Die rechtsstaatlichen Regeln müssen durchgesetzt werden.

Flüchtlinge in Norderstedt

Frage: Flüchtlinge aus der Ukraine: Kein Problem! Aus arabischen oder afrikanischen Ländern? Muss nicht sein. Und: Wie soll die Integration in der Stadt gelingen?

Roeder: Als Kommune ist es unsere Aufgabe, die Menschen – gleich welcher Herkunft – die uns zugewiesen werden, herzlich aufzunehmen und ihnen ein Zuhause zu geben. Über die Bleibeperspektiven entscheiden dann andere Ebenen. Unser Willkommenteam leistet hier in Zusammenarbeit mit meiner Verwaltung großartige Arbeit. Ich betrachte alle Geflüchteten als Gäste unserer Stadt.

In unserer Stadt fehlt es leider an bezahlbarem Wohnraum. Dies betrifft neben den vielen anderen Menschen mit niedrigen Einkommen natürlich auch die Neubürger unserer Stadt, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Gemeinsam mit der Politik und Wohnungswirtschaft müssen wir weiter an dem Thema des bezahlbaren Wohnraumes arbeiten. Ich setze hier auf Kooperation mit allen Akteuren, um konstruktive Lösungsansätze zu finden.

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Wie hier an der Lawaetzstraße hat die Stadt in den letzten Jahren zahlreiche Neubauten für die Unterbringung von Flüchtlingen realisiert.
Wie hier an der Lawaetzstraße hat die Stadt in den letzten Jahren zahlreiche Neubauten für die Unterbringung von Flüchtlingen realisiert. © Christopher Mey | Christopher Mey

Schmieder: Ich heiße alle Schutzsuchenden gleichermaßen willkommen! Spracherwerb, echter Wohnraum und der Weg in eine berufliche Perspektive sind die Basis. Die Einbindung in Ehrenamt, Sportverein und Stadtgesellschaft sind die Kür. Das gilt insbesondere für Kinder, die schulisch integriert, aber im Alltag oft isoliert sind.

Hille: Als Kommune sind wir verpflichtet, die vom Land zugewiesenen Flüchtlinge gleich welcher Herkunft aufzunehmen. Die Aufnahmekapazitäten der Kommunen sind jedoch mehr als erschöpft. Die rot-grüne Bundesregierung muss endlich ihre Verantwortung wahrnehmen und gemeinsam mit der Europäischen Union umsteuern.

Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Die sinnvolle Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt ist mindestens ein C-Schein. Diese Kapazitäten müssen von der Stadt ausgebaut werden, damit erfolgreiche Integration gelingen kann. Gemäß ihrer Qualifikation müssen die Flüchtlinge dann im Arbeitsmarkt integriert werden, um vom Sozialstaat unabhängig zu werden.