Norderstedt. Elke Christina Roeder soll regelmäßigen Jour fixe mit Polizei und Institutionen vorgeschlagen, aber nie besucht haben.
Die Lage in den beiden Norderstedter Kriminalitätsschwerpunkten bleibt angespannt. Nach weiteren Gewalttaten im Umfeld der U-Bahnhöfe Norderstedt-Mitte und Garstedt hat Polizeichef Florian Born eine Fortsetzung umfangreicher Kontrollen angeordnet. Damit bleiben diese sogenannten Kontrollgebiete nach Einschätzung der Polizei „gefährliche Orte“.
Zwar gehört Norderstedt statistisch betrachtet zu den Orten mit einer durchschnittlichen Kriminalitätsbelastung, doch die beiden Bahnhöfe und ihr Umfeld werden von der Polizei als Kriminalitätsschwerpunkte mit auffällig vielen Straftaten eingestuft. Seit Jahren kommt es dort immer wieder zu Gewaltdelikten wie Raub, Körperverletzung sowie Fahrrad- und Taschendiebstählen. Bei den Tätern handelt es sich in der Regel um Jugendliche und junge Erwachsene.
Gewalt in U-Bahnhöfen: Oberbürgermeisterin weiter unter Druck
Dass die verschärften Kontrollen und die intensiven Recherchen der Ermittlungsgruppe Jugend die Kriminalität eindämmen, beweist der jüngste Erfolg der Polizei: Ein Intensivtäter wurde festgenommen, weil er seine Haftstrafe nicht angetreten hatte. „Wir kontrollieren in diesen Bereichen viel“, sagte Born.
Mehrfach hat er Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder beraten und einen Maßnahmenkatalog mit Vorschlägen vorgelegt, welchen Beitrag die Stadt für mehr Sicherheit rund um die Bahnhöfe leisten kann. Im Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters wirft die Politik Roeder nun vor, keinen dieser Vorschläge umgesetzt zu haben. Darin geht es unter anderem um mehr Videoüberwachung, bessere Beleuchtung und den verstärkten Einsatz des Kommunalen Ordnungsdienstes und von Streetworkern.
Ein Jour fixe hat nach Abendblatt-Informationen nie stattgefunden
Außerdem haben nach Informationen des Abendblatts die von Roeder selbst vorgeschlagenen monatlichen Gesprächsrunden (Joufix) zwischen Oberbürgermeisterin, Ordnungsamt, Polizei und anderen sicherheitsrelevanten Institutionen nie stattgefunden. In anderen Orten gehört dieser Austausch über die Sicherheit in der Kommune zu den monatlichen Routineveranstaltungen. Auf Anfrage bestätigte Born, dass ein regelmäßiger Austausch nicht stattfinde.
Auch im Wahlkampf hat Roeder der Polizei bislang keinen Besuch abgestattet – im Gegensatz zu einem Mitbewerber, der eine Streife begleitet und sich über die polizeiliche Arbeit in der Stadt informiert hat. Die innere Sicherheit gehört mittlerweile im Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters zu den wichtigsten Themen.
Hochbahn spricht von einer sogenannten „Null-Lage“
Dass intensive Videoüberwachung und scharfe Kontrollen zu Erfolgen führen, belegt das Sicherheitskonzept der Hamburger Hochbahn in den beiden U-Bahnhöfen. „Aus Hochbahn-Sicht ist die Sicherheitslage an beiden Haltestellen unauffällig – oder anders gesagt, wir haben hier aktuell eine sogenannte Nulllage“, sagte Hochbahn-Sprecherin Constanze Salgues. Nachdem es Anfang des Jahres mehrere Beschwerden über Probleme mit Jugendgruppen gegeben.
Darüber habe sich die Hochbahn auch mit dem Management des Herold-Center ausgetauscht. „Seither wurden die Haltestellen engmaschig in die Bestreifung der Hochbahn-Wache aufgenommen und die Lage ist aus Sicht der Hochbahn heute sicher“, sagte Salgues. Der Angriff von zwei Jugendlichen Mitte September im U-Bahnhof Garstedt mit einem Taser und Pfefferspray auf zwei Männer ist auch nach Einschätzung der Polizei ein Einzelfall.
Angriff mit Taser im Bahnhof Garstedt war eine Ausnahme
Auch im U-Bahnhof Norderstedt-Mitte sei die Lage sicher, schreibt die Hochbahn. Zuweilen werden dort Personen in prekären Lebenslagen entdeckt, die in der U-Bahn einschlafen und an der Endhaltestelle aufwachen. Doch von diesen Personen gehe aber keine Gefahr aus, sagte die Hochbahnsprecherin. Doch diese Einschätzungen beziehen sich nur auf die Bahnhöfe selbst, nicht auf das Umfeld. Der Angriff von zwei Jugendlichen Mitte September im U-Bahnhof Garstedt auf zwei Erwachsene mit Elektrotasern wird auch von der Polizei als Einzelfall eingestuft.
Der Sprecher der Stadtverwaltung, Bernd-Olaf Struppek, wies die Vorwürfe gegen die Oberbürgermeisterin zurück. „Die Stadt hat zu Beginn dieses Jahres zugesagt, innerhalb der eigenen Handlungsfelder zur Stärkung kommunaler Sicherheit den Einsatz des kommunalen Ordnungsdienstes deutlich auszubauen“, sagte er. Der Kommunale Ordnungsdienst gehe in den Abendstunden regelmäßig Streife an den Bahnhöfen. Im Hauptausschuss mussten die Politiker jedoch erfahren, dass diese Streifen bereits um 20 Uhr enden.
„Kommunale Sicherheitsanalyse“ in Auftrag gegeben
Außerdem werde der Kommunale Ordnungsdienst noch in diesem Jahr personell erheblich aufgestockt, um zukünftig die Präsenz ausbauen zu können, sagte Struppek. Darüber hinaus würden andere Maßnahme „angegangen“, zum Beispiel die Beseitigung von Sichtbeeinträchtigungen, eine bessere Beleuchtung und Kontrollen in der Tiefgarage unterhalb des ZOB. Zudem gebe es „konkrete Verabredungen mit einzelnen Akteuren, wie zum Beispiel dem ECE Center-Management für den Bahnhof Herold-Center“. Zum Thema Videoüberwachung sei eine „kommunale Sicherheitsanalyse“ in Auftrag geben worden, sagte Struppek.
Roeder hatte im Wahlkampf ihrer eigenen Dezernentin Katrin Schmieder vorgeworfen, sich nicht genug um den Ausbau der Straßensozialarbeit und damit um die Bekämpfung der Kriminalität gekümmert zu haben. Schmieder will ebenfalls Oberbürgermeisterin werden und gehört zu den schärfsten Kritikern ihrer eigenen Chefin. Wörtlich schrieb Roeder: „Neben allen baulichen und personellen Maßnahmen, die auch schon verstärkt umgesetzt werden, muss die Prävention in unserer Stadt verbessert werden. Die Straßensozialarbeit wurde in den vergangenen Jahren von der fachlich zuständigen Dezernentin nicht als Schwerpunkt gesehen.“
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Warum die Oberbürgermeisterin als Chefin der Verwaltung diesen Schwerpunkt nicht anordnete, sagte sie nicht. Roeders Einschätzung von Schmieders Arbeit wird nicht überall geteilt: Der ehemalige Norderstedter Polizeibeamte Wolfgang Banse, der im Kriminalpräventiven Rat und im Jugendhilfeausschuss engagiert, nahm Schmieder gegen die Vorwürfe ihrer Chefin in Schutz.