Norderstedt. Katrin Schmieder habe nicht genug für Prävention getan, sagt Elke Christina Roeder. Doch ihre Kritik erzeugt Protest.
Die politische Debatte über die Sicherheit in Norderstedt liefert den Kontrahentinnen im Wahlkampf um das Oberbürgermeisterinnen-Amt einiges an Munition. Und Amtsinhaberin Elke Christina Roeder – die selbst einiges an Kritik von Schmieder einstecken musste – scheut sich jetzt nicht mehr, diese auch einzusetzen.
Öffentlich mahnt sie jetzt die Defizite in der Arbeit der ihr unterstehenden Sozialdezernentin Katrin Schmieder an – und macht sie mitverantwortlich für die gefühlte Unsicherheit an Norderstedts Brennpunkten rund um die U-Bahnhöfe und das Herold-Center. Eine Sicht der Dinge, die der Oberbürgermeisterin nun selbst Kritik aus dem Jugendhilfeausschuss einbringt.
Norderstedt: Sicherheit – Oberbürgermeisterin kritisiert Sozialdezernentin
Am Montag gehen Roeder und die SPD-Ortsvorsitzende Katrin Fedrowitz mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit. Darin erklären sie, welche Maßnahmen sie für sinnvoll erachten, um für mehr Sicherheit in der Stadt zu sorgen. Es sei nicht die von anderen Parteien – etwa der CDU, der Fraktion Wir in Norderstedt/Freie Wähler – geforderte Kameraüberwachung an diversen Orten.
Denn viele Orte, an denen es zu Zwischenfällen kam, seien schon videoüberwacht. Etwa am 6. September, der Überfall auf einen 24-Jährigen durch drei Maskierte im Vorraum einer Bank. Und aktuell am 16. September, als zwei Männer (38 und 40) von Jugendlichen mit Pfefferspray und Taser attackiert – auf dem U-Bahndamm am Bahnhof Garstedt.
Kameras verhindern Kriminalität nicht, sagen die Sozialdemokraten
Roeder und Fedrowitz sind überzeugt, dass Kameras so etwas nicht verhindern und somit nicht die Lösung des Problems sind. Rund um das Herold-Center oder die U-Bahnhöfe seien unterschiedliche Gruppen unterwegs, „die teilweise auch über kriminelle Energie verfügen und Passantinnen und Passanten belästigen oder sogar körperlich angreifen.“ Man habe es mit Gruppen zu tun, die teilweise aus Hamburg verdrängt worden seien.
Dies sei das „reale Problem“, dass es durch die Stadtverwaltung anzupacken gelte. Roeder und Fedrowitz setzen dabei auf den verstärkten Einsatz des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD), auf bessere Beleuchtung in dunklen Ecken, das Abschalten des WLANs in gewissen Bereichen, den Einsatz eines externen Sicherheitsdienstes – und nur an einigen wenigen Stellen auf die zusätzliche Kameraüberwachung.
Im Übrigen dürfte die Kriminalität nun nicht einfach in andere Bereiche der Stadt verdrängt werden. Und da komme für Oberbürgermeisterin Roeder die Prävention ins Spiel – und nach ihrer Einschätzung offenbar unzureichende Arbeit ihrer Sozialdezernentin Katrin Schmieder, gleichsam ihre Gegenkandidatin im Rennen um den Chefsessel im Rathaus.
Schmieder sah die Prävention „nicht als Schwerpunkt“, sagt Roeder
Roeder wörtlich: „Neben allen baulichen und personellen Maßnahmen, die auch schon verstärkt umgesetzt werden, muss die Prävention in unserer Stadt verbessert werden. Die Straßensozialarbeit wurde in den vergangenen Jahren von der fachlich zuständigen Dezernentin nicht als Schwerpunkt gesehen. Hier kann die Politik die Verwaltung dazu veranlassen, den Jugendlichen mit Streetworkern Ansprechpartner vor Ort zu bieten und in modernen Jugendfreizeitheimen alternative Treffpunkte zu bieten.“
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Roeder sieht es also als das Versäumnis Schmieders an, nicht genug für die Straßensozialarbeit und die Prävention von Jugendkriminalität in der Stadt getan zu haben. Und die Politik habe es quasi versäumt, der Verwaltung mehr Mittel für die Beschäftigung von Streetworkern in Jugendfreizeitheimen zu gewähren.
Die beiden SPD-Frauen sind also der Ansicht, dem Problem krimineller Jugendlicher auch mit Sozialarbeitern und attraktiven Treffpunkten Herr werden zu können. Diese neuen Treffpunkte für die Jugend dürften nicht an den Bedürfnissen junger Menschen vorbei geplant werden. Die SPD wünsche sich eine stärkere Einbindung der Nutzer in die Planung und in den Betrieb der Einrichtungen.
Protest gegen die Kritik an der Sozialdezernentin
Auf Roeders Kritik an Schmieder meldet sich nun auch der ehemalige Norderstedter Polizeibeamte Wolfgang Banse zu Wort, der sich in seiner Dienstzeit mit Jugendkriminalität in der Stadt intensiv auseinandersetzte und dies bis heute im Kriminalpräventiven Rat und im Jugendhilfeausschuss der Stadt Norderstedt tut.
Er sieht in der Kritik Roeders an Schmieder die Regeln der Fairness verletzt und sah sich aufgefordert, „etwas klar zu stellen“. Banse führt aus, dass der Jugendhilfeausschuss einstimmig – schon vor der Corona-Pandemie – einen Träger finden konnte, der die Straßensozialarbeit in Norderstedt etablieren wollte. „Wir waren sehr froh über das Angebot, denn schon lange davor wurde von allen die Straßensozialarbeit für erforderlich gehalten.“
Straßensozialarbeit: Das Problem sind das fehlende Personal
Nach knapp zwei Jahren habe dieser Träger gekündigt. Seitdem werde im Sozialdezernat unter Dezernentin Katrin Schmieder nach einer neuen Lösung gesucht – mit Ausschreibungen für neue Träger und für die Zwischenzeit mit eigenen Ressourcen aus dem Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
„Es wurde auch von unserer Sozialdezernentin, die übrigens gerade mal eineinhalb Jahre im Dienst ist, nie daran gedacht, darauf zu verzichten“, sagt Banse. „Das Problem ist, und das nicht nur in diesem Bereich, einen Träger zu finden, der geeignet ist und sich vor allem selbst in der Lage sieht, diese nicht einfache Aufgabe zu übernehmen.“
Jugendtreffs: „Angebot in Norderstedt vielfältig“
Banse kritisiert auch die Aussagen von Fedrowitz und Roeder, wonach es neue Jugendtreffs in der Stadt brauche, die nicht an den „jungen Menschen vorbei geplant“ werden dürften. Aus seiner Sicht sind die vorhandenen oder neuen Jugendfreizeitheime nicht ausschlaggebend für die erfolgreiche Prävention.
Wolfgang Banse: „Man muss schon sehr suchen um eine Stadt in dieser Größenordnung zu finden, die für junge Leute so viel und vielfältig vorhält. Die Schwierigkeit ist, die jungen Leute abzuholen. Das hat auch mit der gesellschaftlichen Veränderung zu tun.“
Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen nichts
Erfolgreiche Prävention benötige ein Paket an Maßnahmen – die Verbesserung der Integrationsarbeit, gute Schulsozialarbeit, mehr Licht in dunklen Ecken der Stadt und auch die verstärkte Videoüberwachung, nicht zur Verhinderung, sondern zur Aufklärung von Straftaten.
„Wir haben zum Thema schon einige Sitzungen des Kriminalpräventiven Rates gehabt – und einige noch vor uns. Wir sind lösungsorientiert, weil alle an einem Strang ziehen. Ich glaube, alle drei Bewerber für das Oberbürgermeisteramt haben doch das Thema Sicherheit im Fokus. Und da bringt es nichts – vor allem nicht für die Bürger unserer Stadt – vermeintliche Fehler dem einen oder der anderen anzulasten, anstatt mit konstruktiven Vorschlägen an einer Veränderung (mit-) zu arbeiten“, sagt Wolfgang Banse.