Norderstedt. Am Coppernicus fehlen fünf Klassenräume, Oberstufenschüler leiden besonders. Probleme werden seit Jahren nicht gelöst, heißt es.
Schüler, die mit ihren Tischen und Stühlen mitten auf dem Schulhof sitzen. Mathematiklehrer, die unter freiem Himmel Formeln auf die Tafel schreiben: Das Bild, das sich am Donnerstag am Coppernicus-Gymnasium in Norderstedt bot, wirkte auf den ersten Blick fast idyllisch. Aber es hatte einen sehr ernsten Hintergrund. Denn der Unterricht unter freiem Himmel sollte auf einen handfesten Missstand hinweisen. Der Schule fehlen Räume – und zwar schon seit Jahren. Und eine baldige Lösung ist nicht in Sicht.
„Hier fehlt vorne und hinten der Platz. Die Schülerinnen und Schüler sind sehr, sehr belastet. Und wir Lehrer auch. Das sind unhaltbare Zustände“, sagt Mathelehrer Markus Rudolph. Er ist einer der Lehrer, die am Freitag den Klassenraum gegen den Schulhof eingetauscht haben. Schülerin Lucca Liekefett (15) sagt: „Es fehlt ein Rückzugsraum. Das ist schlecht, auch in Hinblick auf das Abi. Manchmal braucht man einfach Ruhe zum Lernen.“
Immer mehr Schüler am „Copp“ – aber noch keine neuen Räume
Das Problem: Die Schülerzahlen am „Copp“ steigen seit Jahren – aber der Schulbau kommt nicht hinterher. Aktuell fehlen fünf Klassenräume. Schulleiterin Heike Schlesselmann sagt: „Wir können derzeit nur den jüngeren Schulkindern feste Klassenräume geben. Für die zwölf Klassen der Jahrgänge 11 und 12 gibt es nur sieben Klassenräume.“
Das bedeutet: Die Oberstufenklassen sind sogenannte „Wanderklassen“. Sie haben keine festen Räume, ihr Unterricht findet immer dort statt, wo gerade Platz ist. Und das kann bedeuten, dass der Unterricht in einem Fach immer in anderen Räumen stattfindet, Änderungen kann es auch innerhalb einer Woche geben.
Wanderklassen, das bedeutet „Chaos pur“, sagt eine Lehrerin
Was das bedeutet, schildert Oskar Mardaus (16) aus der elften Klasse: „Man muss vor jedem Unterricht nachschauen, wo genau der stattfindet.“ Etwas im Klassenraum liegen lassen, Federtasche, Ranzen – das geht nicht. Und auch den Lehrern wird der Job erschwert: „Man muss immer schauen, wo gibt es einen Beamer, wo Kreide? Das ist schon zeitaufwändig“, sagt Julia Kapraun. Ihre Kollegin Vanessa Fitzner ergänzt: „Die Schüler sitzen in jedem Raum anders, es dauert deshalb viel länger, sich die Namen zu merken. Das ist Chaos pur.“
Außerdem komme es dazu, dass Fachräume „zweckentfremdet“ werden, sagt Markus Rudolph. Das heißt: Deutschunterricht kann schon mal in einem Chemieraum stattfinden. Weil es keine festen Klassenräume gibt – und damit keine festen Verantwortlichkeiten – beschleunigt sich auch der „Abnutzungsprozess“, wie Schulleiterin Schlesselmann sagt. Und nicht zuletzt beklagt sie, dass es wegen der Raumnot keinen eigenen Raum für die Oberstufenschüler gibt, in dem diese Hausaufgaben oder einfach Pause machen können.
Der geplante Erweiterungsbau schon jetzt zu klein?
In der Norderstedter Politik ist das Problem durchaus erkannt worden. Und so bekommt das Gymnasium auch einen Erweiterungsbau, das ist längst beschlossene Sache. Gebaut werden soll er zwischen dem Hauptgebäude und der Aula. Nur: er wird Raum für vier Klassen bieten – und ist damit schon jetzt zu klein. „Das bildet unseren Bedarf von 2022 ab, inzwischen ist er weiter gewachsen“, sagt Heike Schlesselmann.
Noch ein Problem: Zu allem Überfluss verzögert sich der Baubeginn. „Ursprünglich sollte der Bau Ende 2023 beginnen und Ende 2024 fertig sein. Jetzt wurde uns gesagt, es gehe erst nächstes Jahr los“, so Heike Schlesselmann. Stadtsprecher Bernd-Olaf Struppek sagt auf Abendblatt-Anfrage, es gehe „im laufenden Schuljahr“ los. Aber das kann natürlich auch bedeuten, Sommer 2024.
Container? Hausmeisterhaus? Warum es keine Übergangslösung gibt
Gäbe es keine Möglichkeit, bis dahin Übergangslösungen zu schaffen? Aus Sicht der Schule schon. Sie würde zum Beispiel gerne das ehemalige Hausmeistergebäude nutzen. Das steht aktuell leer, hier könnte – so Heike Schlesselmann – der ersehnte Rückzugsraum für Oberstufenschüler eingerichtet werden. Geht aber nicht, sagt die Stadtverwaltung: „Die Räume sind mit Schimmelbefall belastet und für eine Nutzung somit nicht geeignet“, so Bernd-Olaf Struppek.
Angedacht war es an der Schule außerdem, Container auf dem Schulgelände aufzustellen. Doch der Plan zerschlug sich. Weshalb davon Abstand genommen wurde, beantwortet der Stadtsprecher so: „Aus Platzgründen, ein Ausweichen auf den neuen Sportplatz war für die Stadt keine Option.“
Elternvertreter: Stadt ist das Problem viel zu langsam angegangen
Jan-Hendrik Kreft, er ist Mitglied im Vorstand des Schulelternbeirats, hat dazu eine andere Meinung. „Die Stadt wehrt sich gegen die Container mit den unterschiedlichsten Argumenten. Mal haben wir gehört, man bekomme keine, dann, sie seien zu teuer. Und dann hieß es, es gebe keinen Platz.“
Kreft ist sehr verärgert, spricht von „Ausreden“ – und davon, dass Politik und Verwaltung das Problem, das sich schon seit zehn, 15 Jahren abzeichnete, einfach zu langsam angegangen sei. „Das rächt sich jetzt. Und Schulneubauten dauern eben, aktuell mindestens fünf bis sieben Jahre“, so Kreft, der auch im Kreis- und Landeselternbeirat sitzt.
Bildungshaus Garstedt – ein teures „Prestigeprojekt“?
Und noch eine Sache stört ihn: Nämlich, dass die Bauvorhaben am Coppernicus-Gymnasium der Umsetzung harren, während direkt nebenan ein anderer Neubau schon begonnen hat. Die Rede ist vom Bildungshaus Garstedt, für das im März der erste Spatenstich getan wurde. Ein 50-Millionen-Euro-Projekt, das ein regelrechter „Leuchtturm“ für den Stadtteil werden soll.
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Kreft nennt das Bildungshaus ein „Prestigeprojekt“ der Stadt, kann andererseits aber auch verstehen, dass es gebaut wird. Aber er betont: „Wir brauchen eben auch Geld für Schulen.“ Ähnlich klingt Heike Schlesselmann: „Wir bestreiten nicht, dass das Bildungshaus sinnvoll ist. Aber Schulen müssten Vorrang haben.“