Norderstedt. Wegen hoher Zinsen und extrem gestiegener Baukosten werden kaum noch Grundstücke verkauft. Was Experten raten.

Wer derzeit ein Haus kaufen oder verkaufen möchte in Norderstedt und Umgebung, hat es derzeit schwer. Die hohen Zinsen und der Ukraine-Krieg haben die Lage völlig verändert. Jetzt zeigt sich: Auch der Verkauf von unbebauten Grundstücken bricht drastisch ein. Das belegen aktuelle Zahlen, Makler und Immobilienfinanzierer aus der Region bestätigen es.

„Die Käufergruppen in dem Bereich brechen regelrecht weg“, sagt Thorsten Hausmann, Geschäftsführender Gesellschafter der Hausmann Immobilienberatung in Norderstedt. Sein Unternehmen vermakelt auch Baugrundstücke.

Haus bauen Norderstedt: Grundstücke – „Käufergruppen brechen regelrecht weg“

Thorsten Hausmann, Geschäftsführer von Hausmann Immobilien Norderstedt.
Thorsten Hausmann, Geschäftsführer von Hausmann Immobilien Norderstedt. © Guido Kollmeier

Der Wandel macht sich auch auf Bankenseite bemerkbar – bei den Finanzierungsanfragen. „Das ist total eingebrochen“, sagt Thoralf Schumann, Leiter des Bereichs Baufinanzierung bei der Sparkasse Südholstein. „Seit Sommer 2022 hatten wir fünf Finanzierungsanfragen für Neubauten. In diesem Jahr noch keine einzige. Das ist wirklich ungewöhnlich. Normal wären 30 bis 50 pro Jahr.“

Der Trend ist auch statistisch belegt, im jetzt erschienenen Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Segeberg, für die Jahre 2007 bis 2022. Der Gutachterausschuss ist ein unabhängiges Gremium, in dem unter anderem Architekten, Immobilienkaufleute und Mitarbeiter der Segeberger Finanzverwaltung sitzen.

Aktueller Bericht: Grundstücksverkäufe in Norderstedt um die Hälfte eingebrochen

Eine der wichtigsten Aufgaben: Der Ausschuss legt alle zwei Jahre die sogenannten Bodenrichtwerte fest. Und er beobachtet auch, wie viele Grundstücksverkäufe es gibt. 2022 waren es extrem wenige – in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen so wenige wie nie seit 2007. Nur ein Beispiel: Noch 2021 gab es in Norderstedt 63 Grundstücksverkäufe, 2022 waren es nur noch 30.

Für 2023 gibt es noch keine Daten. Sandra Schulz, Immobilienexpertin bei der Postbank in Hamburg und auch tätig in Norderstedt und Umgebung, sagt: „Aus meiner Sicht ist die Vermarktung 2023 noch einmal schwieriger geworden. Wir hatten dieses Jahr nur ein einziges Grundstück in der Vermarktung, fanden aber keinen Käufer.“

Auch die Kosten für Abrisse sind extrem gestiegen

Postbank-Expertin Sandra Schulz (links) mit Claudia Winklmann, Filialdirektorin der Deutschen Bank-Filiale in Norderstedt, Schmuggelstieg.
Postbank-Expertin Sandra Schulz (links) mit Claudia Winklmann, Filialdirektorin der Deutschen Bank-Filiale in Norderstedt, Schmuggelstieg. © FMG | Claas Greite

Woran es liegt? „Meiner Ansicht nach sind die gestiegenen Baukosten der Hauptgrund“, sagt sie. Auch Thorsten Hausmann führt, neben den hohen Finanzierungszinsen, die „extrem gestiegenen Baukosten“ an. Was viele nicht wissen: Auch die Kosten für die Abrisse sind sehr stark gestiegen – und das schlägt oft zusätzlich zu Buche.

„Wir vermarkten viele Grundstücke, auf denen noch ein altes Haus steht, das dann erstmal abgerissen werden muss. Aber früher kostete es etwa 20.000 Euro, ein Einfamilienhaus abzureißen. Heute werden da schnell mal 70, 80.000 Euro fällig.“ Ein Grund seien strengere Auflagen für Gesundheits- und Umweltschutz.

Warum Grundstücksverkäufer derzeit nicht mit den Preisen runtergehen wollen

Thoralf Schumann, Leiter des Bereichs Baufinanzierung bei der Sparkasse Südholstein.
Thoralf Schumann, Leiter des Bereichs Baufinanzierung bei der Sparkasse Südholstein. © Sparkasse Südholstein

Können Verkäufer nicht einfach im Preis heruntergehen, für ihre Grundstücke? Theoretisch schon, praktisch tut das aber kaum jemand, wie Thorsten Schumann sagt. Der Grund: Bisher gelten noch die Mitte 2022 vom Gutachterausschuss festgelegten Bodenrichtwerte – und die sind aus heutiger Sicht recht hoch. Verkäufer seien aber „noch nicht bereit, unter die Bodenrichtwerte zu gehen.“

Neue Richtwerte, so Schumann, kommen erst Ende 2024. „Und bis dahin stehen da die Spitzenwerte drin.“ Auch Thorsten Hausmann sagt über die aktuellen Bodenrichtwerte: „Die waren noch der Marktsituation geschuldet, als wir 0,5 Prozent Finanzierungszinsen hatten.“ Mittlerweile sind es allerdings oft 4 Prozent und mehr.

Was sollen private Bauherren tun? Der Rat des Immobilienfinanzierers

Einstweilen wird deshalb einfach viel weniger gebaut – und das trifft private Häuslebauer genau so wie große Bauträger oder Baugenossenschaften. Ein Beispiel: Erst kürzlich sagte Uwe Heimbürge, Technischer Vorstand der Neuen Lübecker, dass man in den kommenden Jahren keine Neubauprojekte mehr machen, sondern sich stattdessen auf die Bestandspflege konzentrieren werde. Der Grund: Die Baukosten seien im Moment einfach zu hoch.

Und was sollen private Bauherren tun, die eigentlich ein Haus für ihre Familie bauen möchten? Sollen sie warten, bis sich die Marktlage vielleicht wieder bessert oder die Bodenrichtwerte ändern? Thoralf Schumann verneint. „Ich würde keinem raten, pauschal drei Jahre zu warten.“

Denn an anderer Stelle steigen in der Zeit die Kosten, wie er meint: „Wenn man mietet, wird es definitiv teurer. Auch Vermieter werden die Kosten für energetische Sanierungen umlegen. Und Wohnraum bleibt knapp.“ Sein Rat lautet deshalb: „Wer den Traum vom Eigenheim hat, sollte nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern mit einem Bankberater nach Wegen suchen, wie er ihn noch realisieren kann.“