Norderstedt. Banken im Raum Norderstedt stellen Umdenken bei Eigentümern fest. Was die Gründe sind und was Experten raten.

Wenn eine neue Lebensphase beginnt, wechseln viele Menschen den Wohnort. Sie kaufen also ein Haus, wenn Nachwuchs unterwegs ist und wechseln in eine kleinere Wohnung, wenn die Kinder aus dem Haus sind. So war das jahrzehntelang. Aber nun zeichnet sich ein ganz anderer Trend ab. Immer mehr Menschen in Norderstedt und Umgebung bleiben in ihrer alten Immobilie – und investieren ihr Geld stattdessen in eine energetische Sanierung.

Die Entwicklung wird unter anderem bei den Banken registriert, die in der Region ansässig sind. Denn sie sind oft die erste Adresse, wenn es um die Finanzierung eines Hauskaufs geht – oder eben um die Finanzierung einer neuen Solaranlage, einer Wärmepumpe oder einer umfassenden Dämmung.

Haus kaufen Norderstedt: Trend – Wärmepumpe einbauen und im alten Haus bleiben

Claudia Winklmann, Leiterin der Norderstedter Filiale der Deutschen Bank, sagt: „Da ist absolut ein Umschwung im Gange. Es kommen weniger Menschen als früher, die einen Hauskauf finanzieren möchten, aber viel mehr Eigenheimbesitzer, die eine energetische Sanierung ihrer Bestandsimmobilie planen.“

Der Hintergrund: Wegen der stark gestiegenen Zinsen bei Immobiliendarlehen und der generell unsicheren Lage ist es viel schwieriger geworden, ein Haus zu verkaufen – sofern man nicht seine Preisvorstellungen nach unten anpasst. „Viele Menschen, die gerne ihre Immobilie verkaufen wollen, werden sie nicht zu dem Preis los, den sie gerne dafür hätten“, sagt Thoralf Schumann, Leiter des Bereichs Baufinanzierung bei der Sparkasse Südholstein.

Ältere Paare, die sich räumlich verkleinern wollten, nehmen davon Abstand

Unter anderem wenden sich ältere Paare an die Banken, die sich eigentlich räumlich verkleinern wollten, nun aber davon Abstand nehmen und stattdessen noch einmal in ihr altes Haus investieren. Aber auch andere Altersgruppen sind betroffen. Wegen energetischer Sanierungen kämen „sehr viele Hausbesitzer ab 50 aufwärts“, sagt Claudia Winklmann.

Die aktuell hohen Energiepreise erzeugten bei sehr vielen Menschen einen Handlungsdruck. Dazu trage auch die Tatsache bei, dass Homeoffice – das Arbeiten von zu Hause aus – seit Corona viel verbreiteter ist. „Vielen ist dadurch zum ersten Mal bewusst geworden, wie ihr Haus energetisch aufgestellt ist.“

Claudia Winklmann, Leiterin der Norderstedter Filiale der Deutschen Bank am Schmuggelstieg.
Claudia Winklmann, Leiterin der Norderstedter Filiale der Deutschen Bank am Schmuggelstieg. © FMG | Claas Greite

Verbraucherzentrale: „Wichtig, das Haus auf energetisch guten Stand zu bringen“

Dass es notwendig ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen, betont auch Carina Vogel, Referentin für Energie bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein: „Wenn man in seinem Haus bleiben möchte, ist es wichtig, es energetisch auf einen guten Stand zu bringen.“

Besonders betroffen, so Claudia Winklmann, seien die Besitzer von frei stehenden Einzelhäusern. In den Gesprächen sei „die Wärmepumpe ein Hauptthema“, aber es gehe auch oft um Photovoltaik, die Finanzierung eines neuen Daches und generell um Dämmung.

100.000 bis 150.000 Euro kommen schnell zusammen

Im Unterschied zu früher sei es allerdings kostspieliger geworden, sich mit dem Thema Energie zu befassen. „Früher reichte es, bei der Heizung den Brenner auszutauschen. Heute geht es oft darum, eine ganz neue Technik zu installieren. Und das ergibt oft auch nur dann Sinn, wenn das Haus auch gedämmt wird.“ Auf diese Weise könnten schnell 100.000 oder 150.000 Euro zusammenkommen.

Eine „kostengünstige Technik“, die Carina Vogel von der Verbraucherzentrale ins Spiel bringt, ist die sogenannte „Einblasdämmung“. Die sei bei älteren Häusern mit zweischaligem Mauerwerk möglich – wie es viele im Norden gebe. Bei dieser Technik wird eine Dämmschicht ins Innere der Hauswand eingebracht. Der Vorteil, neben den vergleichsweise niedrigen Kosten: „Dann ist das Haus gedämmt, ohne seinen Charakter zu verändern“, sagt Carina Vogel.

Zertifizierter Energieberater sollte das Konzept erstellen

In jedem Fall sollten Hausbesitzer jedwede Sanierung mit einem KfW-zertifizierten Energieberater planen – darin sind sich Carina Vogel und die Experten von den Banken einig. Denn die Reihenfolge der Sanierungsschritte ist sehr wichtig, außerdem gibt es bestimmte Fördermitteln nur dann, wenn so ein Experte das Konzept erstellt hat. Eine Liste offiziell zertifizierter Experten gibt es unter energie-effizienz-experten.de.

„Mit dem Konzept kann man dann zu seiner Hausbank gehen und über die Finanzierung reden“, sagt Thoralf Schumann von der Sparkasse Südholstein. Die Bank prüft dann Darlehensmöglichkeiten – etwa über die Bausparkasse, mit der sie zusammenarbeitet – und auch Fördermöglichkeiten, etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder aus Landesprogrammen.

„Jetzt fällt der Startschuss für zehn Jahre Sanierungen“

Die Banken stellen sich darauf ein, dass Kundenberatungen dieser Art immer wichtiger werden. „Wir gehen davon aus, dass jetzt der Startschuss fällt für zehn Jahre Sanierungen im Immobilienbereich“, sagt Thoralf Schumann.

Auch Jens-Hartwig Göttsch, Leiter des Bereichs Finanzierung Region Norderstedt bei der Volksbank Raiffeisenbank, sagt: „Wir gehen davon aus, dass dieses Thema in den nächsten Monaten und Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Deshalb haben wir alle unsere Baufinanzierungsberater/innen zu zertifizierten Modernisierungsberater/innen ausbilden lassen.“

Ein Hauptgrund dafür: Allerorten wird damit gerechnet, dass sich die Gesetzeslage in Sachen Energieeffizienz bei Häusern weiter verschärfen wird. Schon jetzt ist es in Schleswig-Holstein vorgeschrieben, dass 15 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energiequellen kommen muss, wenn die Heizungsanlage ausgetauscht wird.

Neueinbau reiner Öl- und Gasheizungen könnte ab 2024 verboten sein

Auf Bundesebene sind deutlich drastischere Vorschriften im Gespräch. Ein Entwurf aus dem Ministerium von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht vor, dass ab 2024 alle neu eingebauten Heizsysteme zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energiequellen betrieben werden müssen – der Neueinbau reiner Öl- und Gasheizungen wäre damit verboten. In der Ampelkoalition wird noch diskutiert, aber Carina Vogel geht davon aus, „dass das auch so beschlossen wird.“

Jetzt noch schnell eine neue Gasheizung einzubauen, ist aber auch nicht unbedingt eine gute Idee. Denn die Zeiten, als Gas günstig zu haben war, dürften seit Russlands Angriff auf die Ukraine wohl endgültig vergangen sein. Wie sich die Preise in dem Bereich entwickeln, ist überhaupt nicht absehbar.

Thoralf Schumann, Leiter des Bereichs Baufinanzierung bei der Sparkasse Südholstein.
Thoralf Schumann, Leiter des Bereichs Baufinanzierung bei der Sparkasse Südholstein. © Sparkasse Südholstein | Sparkasse Südholstein

Unter dem Strich bleibt, dass sich Eigenheimbesitzer dringend ein Bild davon machen sollten, wie viel Energie ihr Haus verbraucht, und woher diese Energie kommt. Und gegebenenfalls sollten sie dann etwas tun – schon, um den Wert des Hauses zu sichern. „Bei der Bewertung einer Immobilie wird es immer wichtiger, wie sie energetisch aufgestellt ist“, sagt Claudia Winklmann. Thoralf Schumann sagt dazu: „Alle, die ein Haus der Effizienzklasse E oder schlechter haben, sind aufgefordert, zu handeln.“

Sinnvoller erster Schritt: die kostenlose Energieberatung der Verbraucherzentrale

Man muss allerdings nicht gleich einen Energieberater beauftragen, der gegen Honorar das ganze Haus unter die Lupe nimmt. Es gibt einen ersten Schritt, der nichts kostet – nämlich die Beratung der Verbraucherzentrale, wie Carina Vogel betont. „Besonders bei der Video-Beratung sind schnell Termine möglich. Und das ist auch keine allgemeine Beratung, sondern eine, die auf das konkrete Haus bezogen ist“, so die Expertin.

In der Verbraucherzentrale gebe es Architekten, Bauingenieure, Bauphysiker und auch Schornsteinfeger, die zu dem Thema beraten (Mehr dazu unter verbraucherzentrale.sh/energieberatung). Und wenn dann später konkrete Baumaßnahmen am Haus anstehen und es dafür Angebote von Handwerksfirmen gibt, könne man auch diese von der Verbraucherzentrale unter die Lupe nehmen lassen.