Norderstedt/Hamburg. 600 Schließfächer im Sommer 2021 ausgeräumt – aber es gibt immer noch keinen Termin für den Prozess um die Haftung.
Gut eineinhalb Jahre nach dem spektakulären Einbruch in die Haspa-Filiale in Norderstedt warten Geschädigte noch immer auf den Beginn eines Gerichtsprozesses in Hamburg. Von der Haspa möchten sie ihre Verluste komplett ersetzt bekommen, nicht nur teilweise – darum wird es in dem Prozess vor dem Landgericht Hamburg gehen. Aber es gibt immer noch keinen Gerichtstermin, obwohl seit Anfang September 2022 alle dafür notwendigen Schriftsätze und Unterlagen vorliegen.
„Für die Geschädigten ist das unverständlich und sogar frustrierend. Denn es geht ja überwiegend um deren gesamte Ersparnisse“, sagt Jürgen Hennemann. Der Buchholzer Rechtsanwalt vertritt einen Teil der Geschädigten, darunter zwei Personen, die sich zur Klage gegen die Haspa entschieden haben.
Norderstedt: Haspa-Einbruch – Geschädigte warten auf Beginn des Gerichtsverfahrens
Der Einbruch gehört zu den spektakulärsten der vergangenen Jahre, er machte bundesweit Schlagzeilen. Zwischen dem 6. und dem 9. August 2021 brachen die Täter mit einem Kernbohrer in den Tresorraum der Sparkassenfiliale in Norderstedt-Mitte ein und räumten 600 Schließfächer aus. Die Täter hatten dafür eine Wohnung über der Haspa angemietet, sie konnten bisher nicht gefasst werden.
Bei dem nun anstehenden Gerichtsverfahren in Hamburg geht es um die Frage, in welcher Höhe die Haspa gegenüber den Geschädigten haften muss, die Geld oder Wertgegenstände in den ausgeräumten Fächern deponiert hatten. Im Frühjahr 2022 hatte Rechtsanwalt Hennemann Klage in den beiden ersten, exemplarischen Fällen beim Landgericht Hamburg eingereicht. Es folgte die Klageerwiderung der Gegenseite und dann, als letzter Baustein, die sogenannte Replik der Kanzlei Hennemann.
Kanzlei Hennemann reichte Anfang September Replik beim Landgericht ein
„Wir haben die Replik in beiden Fällen bereits Anfang September beim Landgericht eingereicht. Seitdem erhalten die Kläger keine Informationen zum weiteren Gang des Verfahrens“, sagt Rechtsanwalt Jürgen Hennemann. „Ich hätte es begrüßt, wenn man den geschädigten Klägern das weitere Verfahren zumindest in groben Zügen mitgeteilt hätte.“
Woran liegt es, dass sich die Geschädigten schon so lange gedulden müssen? Und ist denn absehbar, wann es einen ersten Gerichtstermin geben könnte? Auf eine Abendblatt-Anfrage antwortete Gerichtssprecher Kai Wantzen, dass in dem Verfahren mit einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu rechnen sei, sobald es die Geschäftslage der zuständigen Kammer zulasse.
Gerichtssprecher: „Jedes Verfahren so schnell wie möglich voranbringen“
„Es ist unser aller Ziel, jedes Verfahren so schnell wie möglich voranzubringen – jedes einzelne erfordert allerdings eine gründliche Vorbereitung und beansprucht so viel Zeit, wie es Umfang und Komplexität jeweils erfordern“, sagt Wantzen. Der Zeitpunkt der Terminierung hänge „immer auch vom Fortgang der anderen Verfahren ab, mit denen eine Kammer beschäftigt ist“.
Eine Antwort, wie sie sich die Geschädigten gewünscht hätten, ist das wohl nicht. Dabei dürfte als sicher gelten, dass weit mehr als jene zwei Mandanten, die nun klagen, auf den Beginn des Prozesses warten. Und auch mehr als jene zwölf Geschädigten, die Rechtsanwalt Hennemann vertritt oder berät. Tatsächlich dürfte ein großer Teil der 600 Geschädigten mit Spannung den Beginn des Prozesses erwarten.
Haftung: Bleibt es bei der Höchstsumme von 40.000 Euro?
Denn in diesem geht es um die Frage, ob die Haspa nur mit einer Höchstsumme von 40.000 Euro pro Schließfach haftet – oder die tatsächlichen Beträge ersetzen muss, die in manchen Fällen weit höher lagen. Aus Sicht der Haspa sind die 40.000 Euro die Obergrenze. Die Sparkasse betont, dass jedes Schließfach mit eben diesem Betrag versichert war.
Im August teilte die Haspa mit, dass man mittlerweile „die rund 600 Fälle regulieren“ konnte, sagt Sprecherin Stefanie von Carlsburg. „Reguliert“ bedeutet: Jeder Geschädigte erhielt höchstens 40.000 Euro. Anwalt Hennemann hingegen möchte die Differenzbeträge einklagen zwischen dieser Summe und der, die sich tatsächlich im jeweiligen Schließfach befand.
Norderstedt: Tresorraum schlecht gesichert? Haspa ist anderer Meinung
Sein Argument: Die Schließfächer seien zum Zeitpunkt des Einbruchs nicht richtig gesichert gewesen. Tatsächlich hätte sich im Tresorraum nur „ein Bewegungsmelder in Baumarkt-Qualität“ befunden, den die Täter einfach hätten abkleben können. Die Haspa habe deshalb „grob fahrlässig“ gehandelt.
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Die Haspa hingegen betont, alles habe den geforderten Standards der Technik entsprochen. Sie beruft sich dabei auf ein Gutachten, das die Versicherung AXA in Auftrag gegeben hat, die wiederum in der Angelegenheit der Versicherer der Haspa ist.
Wer recht hat, wird wohl letztlich vor Gericht entschieden. Unklar ist, ob bis dahin noch Monate vergehen – oder gar Jahre. Bis dahin hängt für manche ehemalige Haspa-Kunden in der Schwebe, ob sie auf einen Großteil ihrer Ersparnisse für immer verzichten müssen. Bei der Haspa hingegen, so ist zu vermuten, kann man mit der derzeitigen Situation leben.