Norderstedt. Nach dem spektakulären Fall von 2021 sind alle 600 Fälle jetzt geregelt – nur aus der Sicht der Bank. Die Opfer sehen das anders.
Es war einer der spektakulärsten Raubzüge der vergangenen Jahre: Im Sommer 2021 brachen bisher unbekannte Täter in eine Haspa-Filiale in Norderstedt-Mitte ein und räumten rund 600 Schließfächer aus. Aus Sicht der Bank ist die Sache nun geregelt, die betroffenen Kunden sind entschädigt. Die Haspa habe mittlerweile „die rund 600 Fälle regulieren können“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg auf Abendblatt-Anfrage.
Reguliert, das bedeutet: Den Kunden, die damals Geld oder Wertsachen in einem der ausgeraubten Schließfächer deponiert hatten, wurde eine Entschädigungssumme von bis zu 40.000 Euro gezahlt. Das entspricht der Summe, mit der jedes Schließfach versichert war, wie die Bank betont.
Haspa Norderstedt: Die Sache könnte für die Bank noch wesentlich teurer werden
Letztlich könnte die Angelegenheit allerdings noch deutlich teurer für die Bank werden. In einem noch ausstehenden Gerichtsverfahren muss geklärt werden, ob die Sicherheitssysteme in der Haspa-Filiale ausreichend waren. Hätte die Bank in diesem Punkt fahrlässig gehandelt, wäre die Versicherungssumme von 40.000 Euro wohl obsolet.
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Die These, dass die Haspa in Sachen Sicherheit „grob fahrlässig“ handelte, vertritt der Buchholzer Rechtsanwalt Jürgen Hennemann, der einen Teil der Geschädigten vertritt. Mit der Aussage, dass die Fälle nun reguliert seien, zeichnet die Haspa aus seiner Sicht „bewusst ein falsches Bild.“
Rechtsanwalt Hennemann: „Haspa hat nur Versicherungssummen ausgekehrt“
Hennemann: „Regulierung hätte bedeutet, auch mit deutlich höheren Summen als 40.000 Euro zu entschädigen.“ Die Haspa habe mit den ausgezahlten Beträgen „lediglich die Versicherungssummen eines Fremdversicherers ausgekehrt“, sich aber „nicht zu ihrer Haftung bekannt.“
Aus diesem Grund hat Hennemann bereits Klagen eingereicht, um von der Haspa die Zahlung der Differenzbeträge zu erreichen, zwischen den 40.000 Euro und den Summen, die tatsächlich in den ausgeraubten Schließfächern waren.
Warum brauchte die Haspa so lange für die Klageerwiderung?
Wie Stefanie von Carlsburg bestätigt, liegen der Haspa zwei Klagen der Kanzlei Hennemann vor. Diese habe die Kanzlei allerdings bereits im April eingereicht, wie Hennemann sagt. Für die sogenannte Klageerwiderung, die mittlerweile der Kanzlei Hennemann vorliegt, habe sich die Haspa wiederum „etwa zehn Wochen Zeit gelassen“, so der Rechtsanwalt. Und weiter: „Man kann sich fragen, warum die Haspa so lange braucht, wenn die Sicherheitssysteme – wie behauptet – so brillant waren.“ Stefanie von Carlsburg nahm dazu nicht Stellung.
Hennemann erhebt schwere Vorwürfe gegen die Haspa, wirft ihr eine „Verzögerungs- und Vernebelungstaktik“ vor. Diese solle offenbar die Geschädigten entmutigen und davon abhalten, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Hennemann: „Wir vermuten, dass die Haspa durch das harte Bestreiten ihrer offenkundigen Schuld möglichst viele Geschädigte schlicht und ergreifend abschütteln will.“
Die Bank hingegen hat im Laufe des Verfahrens immer wieder betont, dass man extra ein eigenes Team zur Regulierung der Ansprüche aufgestellt habe. Die Zuordnung der Wertgegenstände und Sichtung von Dokumenten habe extrem viel Zeit gekostet.
Haspa Norderstedt: Entsprachen die Sicherungssysteme den geforderten Standards?
Bleibt der wesentliche Punkt in der Auseinandersetzung zwischen der Haspa und der Kanzlei Hennemann: nämlich die Frage, ob die Sicherungssysteme in der Norderstedter Filiale in der fraglichen Zeit den geforderten Standards der Technik entsprachen. Aus Sicht der Bank, das hat Stefanie von Carlsburg mehrmals betont, war das so. Die Haspa beruft sich dabei auf ein Gutachten, das allerdings die Versicherung AXA in Auftrag gegeben hat, die wiederum in der Angelegenheit der Versicherer der Haspa ist.
Rechtsanwalt Hennemann sagt hingegen: „Im Tresorraum war nur ein einzelner Bewegungsmelder in Baumarkt-Qualität, den die Täter einfach abkleben konnten. Dieser Bewegungsmelder war daher buchstäblich blind und taub. Deshalb konnte man dort auch 48 Stunden lang ungestört mit einem Kernbohrer arbeiten und dann die Schließfächer ausräumen.“
Frage wird letztlich vor dem Landgericht Hamburg entschieden
Letztlich muss das Gericht klären, ob die Systeme den gültigen Sicherheitsstandards entsprachen. Verhandelt wird vor dem Landgericht Hamburg, einen Termin für den Prozessbeginn gibt es noch nicht.
Allerdings will die Kanzlei Hennemann jetzt die Bedingungen schaffen, dass es zeitnah einen ersten Verhandlungstermin geben kann: „Wir reichen in den nächsten Tagen unsere Repliken auf die Klageerwiderung der Haspa ein“, so Hennemann. Der nächste logische Schritt wäre dann die Anberaumung eines ersten Prozesstermins. Hennemann sagt auch: „Ungeachtet dessen reichen wir schon bald weitere Klagen ein.“
Haspa Norderstedt: Verdächtige nach Razzia in Berlin wurden wieder freigelassen
Die Täter, die zwischen 6. und 9. August 2021 mit einem Kernbohrer in die Haspa-Filiale einbrachen, konnten bisher nicht gefasst werden. Im Dezember gab es allerdings in Berlin eine Razzia gegen Verdächtige.
Mehrere Wohnungen und ein Geschäft wurden durchsucht, im Einsatz waren auch Beamte aus Schleswig-Holstein. Es ging um einen Anfangsverdacht gegen drei Berliner im Alter von 24 bis 44 Jahren. Die Verdächtigen wurden allerdings nach dem Einsatz wieder freigelassen.
Polizeisprecher: „Auswertung des Beweismaterials dauert an“
Zum aktuellen Stand der Ermittlungen sagt Lars Brockmann, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg: „Nach wie vor dauert die Auswertung des bei den Durchsuchungen beschlagnahmten Beweismaterials an. Weitere Auskünfte können wir zurzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nicht geben.“