Bad Bramstedt. Rund 150 Demonstranten protestieren in Bad Bramstedt gegen die Fleischindustrie. Das Unternehmen Vion hat Gespräche angeboten.
Eklatante Mängel beim Tier- und Arbeitsschutz in der Fleischindustrie prangerten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Protestkundgebung am Sonnabend in Bad Bramstedt an. Rund 150 Demonstranten zogen mit Plakaten und Transparenten vom Bahnhof durch die Stadt bis zum Fleischwerk des niederländisch-deutschen Konzerns Vion. Dabei mahnten die Aktivisten mehr Mitgefühl mit den Tieren an, die „keine Ware“ seien, und skandierten: „Sie haben Schmerzen – genau wie wir.“
Die Kernforderung des bunten Bündnisses von Tier- und Klimaschützern, die vor allem aus Hamburg angereist waren, lautete: „Schließt alle Schlachthöfe. Schluss mit der Ausbeutung auf Kosten von Menschen, Tieren, Umwelt und Klima.“ Zahlreiche Polizeibeamte begleiteten den Protestzug der ausschließlich maskierten Demonstranten. Zwischenfälle gab es nicht.
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Vion hat den Demonstranten Gespräche angeboten
Sein Unternehmen sei vorab von der Kundgebung in Bad Bramstedt informiert gewesen, sagte auf Nachfrage des Abendblatts Vion-Sprecher Thomas van Zütphen. „Wir sehen das ganz entspannt. Wir haben den ihnen auch angeboten, ein Gespräch mit uns zu führen“, sagt er. Doch das hätten die Demonstranten abgelehnt.
Was Franziska Klein vom Aktionsbündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ bestätigt. „Wir sind offen für Gespräche. Wir haben nur keinen Sinn darin gesehen, es sei denn, Vion wäre bereit, seine Tierschlachtungen zu stoppen und auf rein pflanzliche und ökologische Produktion umzustellen.“ Ihr Credo: „Schweine und Rinder sind im System Vion keine leidensfähigen Lebewesen, sondern Ressourcen und Waren. Sie werden im Akkord getötet. Weltweit heizt die Fleischindustrie massiv den Klimawandel an.“
Vion-Schlachthof: 3000 Rinder pro Woche
Das Werk in Bad Bramstedt werde pro Woche mit rund 3000 Rindern von Landwirten aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern beliefert, sagt Unternehmenssprecher van Zütphen. Am Sonnabend herrschte allerdings Arbeitsruhe im Schlacht- und Zerlegebetrieb. „Bad Bramstedt gehört zu den Vion-Standorten, an denen regulär sonnabends nicht gearbeitet wird“, so van Zütphen.
Solange es Menschen gebe, die zumindest ab und zu Fleisch äßen, sei ein Markt dafür da. „Das setzt voraus, dass wir Tiere schlachten müssen“, betont der Unternehemnssprecher. Das geschehe in der heutigen Zeit industriell. „Früher, vor 10.000 Jahren, haben die Menschen das selbst gemacht.“
Die Demonstranten von Bad Bramstedt lehnen es kategorisch ab, Tiere als Lebensmittel für Menschen zu züchten, zu mästen und zu schlachten. Rund zwei Millionen Mastrinder würden in Deutschland jedes Jahr mehr als eine Million Tonnen Rindfleisch auf den Küchentisch bringen, sagte die Kundgebungsteilnehmerin Julia aus Hamburg. „Tiere haben auch ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“, sagte Katharine Krause. Dieses Grundrecht werde täglich verletzt. Die Konsumenten müssten endlich umdenken und auf den Verzehr von Fleisch verzichten und so dieses Leid der Tiere beenden.
Die nächste Demo soll am 24. Juni stattfinden
„Der Verbraucher hat es bei jedem Einkauf selbst in der Hand“, sagte Maren Esser von der Organisation „Animal Rights Watch“, die bundesweit Anhänger und Aktivisten in 38 Ortsgruppen hat. Jeden Monat würde zu Mahnwachen vor den Schlachthöfen aufgerufen. In Bad Bramstedt das nächste Mal wieder am 24. Juni. Die anonymisierte und kalkulierte Massentierhaltung verschleiere diese eklatanten Verletzungen des Tierschutzes, betont sie. „Die Leute müssen sich bewusst machen, dass auch in jedem Tier ein Herz schlägt und dass es leben will.“
Auch die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Mitarbeiter in der Fleischindustrie mahnten die Demonstranten als prekär und dringend verbesserungswürdig an. „Die leben mit zu vielen Menschen auf viel zu engem Raum“, sagte eine Aktivistin. „Die Lebensbedingungen sind schrecklich.“
Ein Vorwurf, den Vion-Sprecher van Zütphen zurückweist. Nach dem Verbot der Werksverträge in der fleischverarbeitenden Industrie seien 150 ehemalige Werksvertragsmitarbeiter, die überwiegend aus Osteuropa stammten, mit festen Arbeitsverträgen ausgestattet worden. „Diese Mitarbeiter werden jetzt integriert, und wir kümmern uns auch darum, wie sie hier leben“, sagt der Unternehmenssprecher.
Es sei aber auch für seine Branche nicht einfach, Mitarbeiter auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu finden, so Zütphen. Der Lohn für Hilfsarbeitsjobs werde gerade auf 10,50 Euro die Stunde angehoben. Für Mitarbeiter aus den angrenzenden EU-Ländern sei das oft besser bezahlt als in ihren Heimatländern. In Bad Bramstedt beschäftigt Vion nach seinen Angaben rund 260 Mitarbeiter, bundesweit seien es an 15 Standorten etwa 6000 Beschäftigte. Der Konzern erwirtschaftet pro Jahr rund fünf Milliarden Euro Umsatz.
Bei der Kundgebung fiel auf, dass hauptsächlich Frauen demonstrierten. „Das liegt wohl daran, dass Frauen mitfühlender sind“, ist Maren Esser überzeugt.