Bad Bramstedt. Reporterteam des NDR ließ die Arbeitsverträge im Schlachthof Bad Bramstedt juristisch bewerten – mit erschreckendem Ergebnis.

Mittlerweile läuft der Betrieb im Bad Bramstedter Schlachthof von Vion wieder. Wegen eines Ausbruchs des Coronavirus und der Infizierung von 130 Mitarbeitern war der Hof geschlossen worden. Gewerkschafter kritisierten die Arbeitsbedingungen der rumänischen Arbeiter und führten deren Erkrankung auf die Enge in den Massenunterkünfte zurück, in denen diese untergebracht waren.

Christiane Brors vom Institut für Arbeitsrecht an der Universität Oldenburg bezeichnete die Zustände im Schlachthof in Bad Bramstedt in der „Tagesschau“ der ARD als „eine Art moderne Sklaverei“. Experten haben für den Bericht des NDR Arbeitsverträge aus der Fleischindustrie überprüft und sprechen von einem System der Ausbeutung und Einschüchterung. Die vertraglichen Regeln seien teilweise rechtswidrig.

Verschwiegenheitspflicht für die Mitarbeiter

Das NDR-Team hatte mit zwei Männern aus Rumänien gesprochen, die in dem Betrieb des Vion-Konzerns von dem Subunternehmen Deutsche Schlacht- und Zerlegung (DSZ) beschäftigt werden. Die Männer zerlegen im Schlachthof Rinder. Gespräche wie diese hätte die DSZ verboten. „Einer der Vorarbeiter hat uns gesagt: Wer erwischt wird, wird rausgeschmissen“, sagte einer der Männer in dem Beitrag.

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Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich laut Arbeitsvertrag auch auf die Entlohnung sowie weitere Einzelheiten des Vertrages – auch gegenüber Anwälten und Gewerkschaftern. Christiane Brors in der „Tagesschau“: „Das ist alles rechtswidrig, so weitgehende Rechte hat der Arbeitgeber nicht.“ Sie vermutet, die Klausel sei darauf angelegt, den Arbeitnehmer einzuschüchtern.

Arbeitsverträge enthalten weitere strittige Klauseln

DSZ teilte auf Anfrage der „Tagesschau“ schriftlich mit, eine solche Verschwiegenheitspflicht sei nicht rechtswidrig. Der Mitarbeiter könne sich selbstverständlich Rat bei einem Rechtsanwalt einholen. Außerdem gebe es die Möglichkeit, im Betrieb anonym Kritik zu äußern.

Die Arbeitsverträge enthalten nach NDR-Angaben weitere strittige Klauseln. So heißt es beispielsweise: „Die ersten zwei Monate“ des Arbeitsverhältnisses „dienen dazu, den Arbeitnehmer für seine Tätigkeiten auszubilden“, und der Arbeitnehmer sei „zur Rückzahlung verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von zwei Jahren kündigt oder wenn es seitens des Arbeitgebers aus einem wichtigen Grund gekündigt wird“.

 Wochenarbeitszeit von 40 bis 50 Stunden

Arbeitsrechtlerin Brors sagte der Redaktion, bei der vermeintlichen Ausbildungsvergütung gehe es schlicht um den Lohn, und den könne das Unternehmen nicht einfach wieder zurückfordern. DSZ entgegnete, die Klausel gelte für Mitarbeiter, die ohne jegliche Erfahrung im Unternehmen anfangen und durch eine Fachkraft geschult werden. Bis heute sei diese Rückzahlungsverpflichtung nicht eingetreten. Die beiden Mitarbeiter des Schlachthofs berichteten dem NDR jedoch, dass eine Ausbildung gar nicht stattfinde. Neue Mitarbeiter würden zwei oder drei Tage angelernt. Dann müssen sie zurechtkommen, bis ihnen der Schweiß vom Körper laufe.

Die beiden Mitarbeiter hatten laut NDR gehofft, für den harten Job im Schlachthof gut bezahlt zu werden. Doch auch hier wurden sie offenbar enttäuscht: In den Arbeitsverträgen, die dem NDR vorliegen, ist die Rede von einer Wochenarbeitszeit von 40 bis 50 Stunden. Beide Mitarbeiter berichten, dass sie in der Regel deutlich länger arbeiten. „Wir haben noch nie so wenige Stunden gemacht. Von Montag bis Freitag zwölf Stunden pro Tag. Das sind 60 Stunden. Normalerweise.“

Bezahlt bekämen sie die Überstunden nicht, berichteten sie. Damit werde der Mindestlohn zwar auf dem Papier eingehalten, tatsächlich gezahlt wird er aber nicht. „Natürlich arbeiten wir unter Mindestlohn“, sagte einer der Arbeiter. Arbeitsrechtlerin Brors sagt dazu: „Das ist letztlich Ausbeutung. Das ist ein Rückfall in frühkapitalistische Zeiten.“ DSZ bestreitet die Vorwürfe.