Wittenborn. Liane Wise und Helmuth Haupt geben ihr 200 Quadratmeter großes Zuhause für ein Minihaus auf dem Campingplatz in Wittenborn auf.

Die meisten Menschen streben danach, ihren Wohnraum kontinuierlich zu vergrößern. Sie arbeiten hart, um sich eine Wohnung mit noch mehr Quadratmetern leisten zu können oder sich gar den Traum vom eigenen Haus mit Garten zu erfüllen. Bei Liane Wise und Helmuth Haupt ist es genau umgekehrt. Sie leben in einem 200 Quadratmeter großen Haus in Bad Bramstedt auf einem riesigen Grundstück. Doch das Paar hat das Leben im Überfluss satt – und baut sich gerade ein Tiny House. Zukünftig wird es auf 40 Quadratmetern mitten auf einem Campingplatz in Wittenborn wohnen.

„Wir besitzen so viele Dinge, und sie fangen an, uns zu beherrschen. Wir wollen uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren“, sagt Helmuth Haupt. Schon vor einigen Jahren hat der 55-Jährige angefangen, immer mehr seiner Sachen zu verkaufen und auszusortieren. Sein Motorrad zum Beispiel. Oder seine Kleidung. Sämtliche Kleidungsstücke des Paares, die einen Bügel benötigen, passen auf eine 1,10 Meter lange Stange. „Das gibt einem ein Gefühl von Freiheit“, sagt Liane Wise (51).

Die Idee, in ein Minihaus zu ziehen, ist im vergangenen Winter gereift. Im März haben Wise und Haupt angefangen zu bauen. „Wir haben keinen Architekten beauftragt oder Zeichnungen angefertigt“, sagt Haupt. Stattdessen hilft ihnen ein befreundeter Zimmermann. „Wir lassen es einfach werden und schauen, wie es sich dabei anfühlt“, fügt der gebürtige Fischbeker hinzu. 40.000 statt 95.000 Euro kostet sie ihr kleines Eigenheim, weil sie es selbst bauen. Gehämmert, geschraubt und gebohrt hat das Pärchen auf einem abgelegenen Bauernhof in Bimöhlen. Nach rund zehn Wochen war das Außengerüst fertig, vor ein paar Tagen haben Wise und Haupt ihr Tiny House mit einem Tieflader auf den Campingplatz „Weisser Brunnen“ nach Wittenborn gebracht.

Bramstedter wollen im Oktober in ihr Tiny House einziehen

Ihr neues Zuhause steht auf einem Hügel, aus den bodentiefen Fenstern blicken sie direkt auf ein Getreidefeld. Nicht weit von ihnen liegt der Mözener See. Minihäuser sind in Deutschland in der Regel vier Meter hoch, 2,55 Meter breit und zwischen drei und sieben Meter lang. Doch weil das Tiny House von Wise und Haupt auf einem Campingplatz steht, gilt für sie die Camping-Verordnung. Und diese erlaubt nur eine Maximalhöhe von 3,5 Meter. „Das ist kein Problem. Das haben wir uns in der Breite wiedergeholt“, sagt Haupt. Diese beträgt nämlich drei statt 2,5 Meter.

Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Tiny House, das aus einem Raum besteht, haben sich die Bramstedter zwei Holzbungalows zusammengestellt. Sie sind durch eine Schleuse miteinander verbunden und haben eine Länge von sechs und sieben Meter. Wer durch die Haustür tritt, steht direkt im Wohnzimmer. Noch ist das kleine Häuschen leer. Die Wände werden bald gestrichen und Eichenholzdielen verlegt. „Unser Ziel ist es, im Oktober einzuziehen“, sagt Wise.

Bis auf ein Sofa muss das Paar keine Möbel in ihrem großen Haus zurücklassen. „Wir haben uns kontinuierlich verkleinert und besitzen zu Hause nicht mehr viel“, sagen die beiden. Außerdem sei ihre Küche, die sich jetzt in einem Raum mit Wohn- und Esszimmer befindet, auch im alten Haus nicht größer gewesen. Ebenso wie das Badezimmer, das gemeinsam mit dem Schlafzimmer im zweiten Wohnkomplex liegt. Das Minihaus wird an die Wasserleitung angeschlossen und mit Gas beheizt. Haupt betont: „Es ist alles kein großes Drama.“

Bei der Frage, ob sie denn gar keinen Rückzugsort bräuchten, strahlen sich Wise und Haupt an. „Wenn jemand viel Freiheit haben möchte, sollte er sich kein Tiny House bauen. Wir hängen viel zusammen rum“, sagen sie. Gemeinsam betreibt das Paar eine eigene Massagepraxis in Bad Bramstedt und hat sich bis vor Kurzem noch ein 1,40 Meter kleines Bett geteilt. „Jetzt haben wir uns ein 1,60-Meter-Bett gegönnt – und fühlen uns ein bisschen verloren dadrin.“

Ingenieur gibt sicheren Job für Campingplatz auf

Wenn die beiden erwachsenen Kinder mit den vier Enkelkindern zu Besuch kommen, wird es im Minihaus allerdings doch ein wenig eng. „Dann müssen sie sich auf dem Campingplatz einmieten“, sagt Wise. Kein Problem. Die Familie weiß, dass das Paar gern ungewöhnliche Sachen macht. „Im Freundeskreis hat es niemanden überrascht, dass wir in ein Tiny House ziehen.“

Tim und Liga Ratajczak mit ihren Kindern Anna und Mark vor einem Schlaffass
Tim und Liga Ratajczak mit ihren Kindern Anna und Mark vor einem Schlaffass © Luka Simon | Luka Simon

Kein Wunder, diese Form des Wohnens wird immer beliebter in Deutschland. Das merkt auch Tim Ratajczak, der seit März den Campingplatz „Weisser Brunnen“ betreibt. „Wir haben viele Anfragen. Ich würde es gut finden, wenn noch mehr Minihäuser dazukommen. Das bringt Abwechslung“, sagt er. Für zehn bis 15 Tiny Houses wäre Platz. Ein Grundstück kostet je nach Größe 2000 bis 3000 Euro im Jahr.

Tim Ratajczak und seine Frau Liga sind offen für jede Idee. Sie haben schon einige Neuerungen auf dem Campingplatz mit 400 Stellplätzen eingeführt – wie zum Beispiel Baumzelte und Schlaffässer. Hier können Gäste abenteuerliche Nächte in der Luft zwischen Bäumen oder auf bequemen Matratzen in runden Tonnen verbringen.

Tim Ratajczak hat seinen sicheren Ingenieursjob bei einem großen Chemiekonzern für seinen Traum von der Selbstständigkeit Anfang des Jahres aufgegeben. „Ich bereue nichts“, sagt der 38-Jährige. Wie Liane Wise und Helmuth Haupt hat sich das Ehepaar Ratajczak mit ihren Kindern Anna (5) und Mark (2) beim Umzug von Stade nach Wittenborn räumlich verkleinert. Sie leben statt in einem 160 Quadratmeter großen Haus nun auf 80 Quadratmetern auf dem Campingplatz. Und fühlen sich wohl.