Norderstedt. Gemeinschaftsschule Harksheide wurde in drei Monaten zur Unterkunft für Opfer von Krieg und Gewalt umgebaut. Maßnahmen kostet 500.000 Euro.

Das Schildchen neben der Tür verrät, dass in diesen Räumen nicht immer Betten und Spinde standen. „Klasse G 8 a Herr Priebe“. Mitten rein ins Klassenzimmer wurde eine Wand gezogen. So sind zwei karge Unterkünfte entstanden, in denen vom 19. Mai an die Opfer von Krieg und Verfolgung, von Armut und Chaos eine Zuflucht auf Zeit finden werden. Nur drei Monate hat es gedauert, aus der ehemaligen Gemeinschaftsschule Harksheide eine Asylunterkunft für geplante hundert Flüchtlinge werden zu lassen. Nun ist die Transformation abgeschlossen.

55 kombinierte Schlaf- und Wohnräume, verteilt auf Haus A, B und C. Sie alle gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Immer drei Betten mit hellblauen Spannbezügen, dazu ein einfacher Kühlschrank, fürs Frischmachen dient das Waschbecken, an dem die Lehrer früher den Tafelschwamm ausgewaschen haben. Zum Duschen und Waschen müssen die Bewohner ansonsten in die Sanitär-Container auf dem Schulhof ausweichen. „Ein bisschen wie im Jugendlandheim“, sagt Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders, als sie sich in den Zimmern umschaut. Natürlich ist sie froh um jede Form der würdigen Unterbringung für die Flüchtlinge in der Stadt Norderstedt.

Insgesamt 600 Menschen aus Syrien, Eritrea, dem Irak und vielen anderen Staaten muss Reinders in diesem Jahr noch unter Dächer bringen. „Diese Schule ist baulich in einem verbrauchten Zustand. Eigentlich wollten wir sie ja abreißen. Ich hoffe, dass die Menschen hier nicht all zu lange wohnen werden müssen“, sagt die Dezernentin.

Auf dem Schulhof sollen demnächst noch Wohncontainer für 60 Menschen dazukommen. Im Vergleich zur Wohnqualität dieser Kästen sind die Zimmer in der Schule mit ihren Fensterfronten hell und luftig. „Wir bekommen jetzt aber Container, die hübscher sind als die in der Unterkunft in Harkshörn. Es sind kleine Häuser mit Dach und farbigen Wänden.“

500.000 Euro hat der Umbau der Schule gekostet. Um aus der Schule eine Wohnunterkunft auf Zeit zu machen, mussten Sicherheitstüren eingebaut werden, außerdem mussten die Decken brandschutztechnisch verbessert und eine Brandmeldeanlage eingebaut werden. Eine lange Armada von Briefkästen am Eingang der Schule sichert die schriftliche Kommunikation mit den Flüchtlingen während ihrer langen Asylverfahren.

„Momentan hat sich die Lage etwas entspannt, weil wir spüren, dass die neue zentrale Unterkunft in Boostedt langsam voll läuft“, sagt Anette Reinders. 50 Menschen sollen dort bereits eingezogen sein, 250 sollen es kurzfristig werden. Das entlastet den Kreis Segeberg und seine Städte und Kommunen bei ihren Unterbringungskontingenten.

Am Donnerstag ist Anette Reinders gerade von der Flüchtlingskonferenz in Kiel zurückgekehrt, auf der 500 Vertreter aus Politik, Verbänden und Institutionen einen „Flüchtlingspakt“ geschlossen haben. Einer der wichtigsten Punkte des Paktes ist für Reinders ein finanzieller. „Bisher haben wir für jeden Asylbewerber im Quartal eine Betreuungspauschale von 96 Euro bekommen, also etwas über 380 Euro im Jahr. Nun bekommen wir pauschal für jeden Menschen 900 Euro pro Jahr. Weit mehr als das Doppelte.“

Außerdem bekommen die Landkreise und kreisfreien Städte künftig zwei Millionen Euro pro Jahr für die Einrichtung von Koordinierungsstellen für die Arbeit mit Flüchtlingen. 30 Koordinatoren werden künftig das Zusammenwirken aller an der Flüchtlingsarbeit beteiligten haupt- und ehrenamtlichen Helfer verbessern. „Es wird keine rein quantitative, sondern eine qualitative Verteilung der Flüchtlinge im land geben“, sagt Reinders.

In den zentralen Aufnahmeeinrichtungen, die jetzt auch in Kiel, Lübeck und Flensburg eingerichtet werden, können die Qualifikationen der Menschen genau festgehalten werden, damit sie mit einer Art persönlichem Laufzettel in den Städten und Kommunen ankommen. „Bisher erfahren wir ja nur, woher die Menschen kommen und ob sie männlich oder weiblich sind“, sagt Reinders. „Es macht aber keinen Sinn, einen syrischen Bauern in der industrialisierten Metropolregion unterzubringen, wenn seine Chancen auf Integration auf dem Arbeitsmarkt im ländlichen Dithmarschen doch viel besser sind. Umgekehrt hat ein Ingenieur auf dem Land weniger Chancen auf einen Job.“

Der Vorsitzende des Norderstedter Sozialausschusses, Thomas Jäger, betont: „Norderstedt kann mit den ersten Ergebnissen des Flüchtlingspaktes zufrieden sein. Die verabredeten Maßnahmen nehmen auf Sicht den großen Druck von den Entscheidern und Helfern in Haupt- und Ehrenamt in unserer Stadt.“ Norderstedt könne sich nun in Ruhe den inhaltlichen Konzepten zur zügigen Integration von qualifizierten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt widmen.

Und dem Versuch, die Norderstedter und die Flüchtlinge besser miteinander bekannt zu machen. Die Unterkunft in der Gemeinschaftsschule Harksheide bietet dazu eine gute Gelegenheit. Sie liegt mitten im Stadtteil, gleich gegenüber leben die Norderstedter in ihren Reihen- und Mehrfamilienhäusern. Sozialdezernentin Anette Reinders: „Wir planen Ende Juni so eine Art Nachbarschaftstreff. Wir wollen Möglichkeiten für die Begegnung zwischen den Menschen schaffen.“