Durch den Zustrom an Asylbewerbern steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln. Norderstedter Tafel bietet zusätzlichen Ausgabetermin an.
Norderstedt. Der Platz vor dem Container füllt sich von einer Minute auf die andere. „Der Bus ist angekommen“, sagt Ingrid Ernst, Chefin der Norderstedter Tafel. Und damit jede Menge junger Männer, Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, deren Flucht vor Krieg und Zerstörung in Norderstedt endete. Sie leben in den Unterkünften am Harkshörner Weg, an der Lawaetzstraße, am Buchenweg und füllen in der Ausgabestelle ihre Tüten und Beutel mit Lebensmitteln.
Eine Mitarbeiterin des Willkommen-Teams begleitet die Gruppe, erledigt im Innenraum die Formalitäten. Wohnsitz kontrollieren und Marken verteilen – je nach Ausgabetag und -ort bekommen die Kunden Zugangsnachweise in unterschiedlichen Farben. Ein Tafel-Mitarbeiter öffnet die Tür zum Ausgaberaum, die Asylbewerber treten ein, immer nur eine Handvoll zugleich.
„Sprechen sie Deutsch?“, fragt Bärbel Jarchow, eine der Ehrenamtlichen, die Gemüse, Obst, Brot, aber auch Süßigkeiten in den Tafel-Räumen am Schützenwall an Bedürftige ausgibt. „Ein bisschen“, antwortet der junge Mann, der seinen Plastikbeutel aus der Tasche der Lederjacke zieht und sich von der Tafel-Mitarbeiterin von Korb zu Korb führen lässt. Sechs Euro zahlt jeder der Männer, die in Norderstedt eine neue Heimat finden wollen, für die Busfahrt hin und zurück, einen Euro für die Lebensmittel. „Da müssen wir ihnen schon ein bisschen was bieten“, sagt Ingrid Ernst. Und das kann die Tafel auch, die Ausgabekörbe reihen sich auf den zu einem U angeordneten Tischen über mehr als zehn Meter lückenlos aneinander.
Durch die Flüchtlinge ist die Nachfrage gestiegen. Die Tafel hat einen zusätzlichen Termin eingerichtet: donnerstags ab 15 Uhr – ein Angebot, das ankommt. 60 bis 70 Menschen aus den Krisengebieten decken sich mit Lebensmitteln ein. Andere Essgewohnheiten erfordern, dass das Sortiment ergänzt wird, der Bedarf an Reis zum Beispiel ist nun deutlich gestiegen.
Im Vergleich zu den anderen beiden Ausgabetagen ist der Donnerstag kundenschwach. Dienstags kommen bis zu 120, freitags sogar bis zu 150 Menschen an den Schützenwall. „Alleinerziehende sind darunter, Familien mit geringem Budget und zunehmend leider auch ältere Menschen, Altersarmut ist ein Thema“, sagt die Tafel-Chefin, die ein mittelständisches Unternehmen leitet, ehrenamtlich natürlich, wie alle 150 Helfer und Helferinnen. Ein Dutzend Frauen gibt die Lebensmittel aus, die Teams wechseln täglich. Hinzu kommen 50 Fahrer. Sie steuern die drei Transporter, die die ausrangierten Lebensmittel bei den Einkaufsmärkten einsammeln, auch im Schichtbetrieb. Zur Mannschaft gehören zwei junge Asylbewerber, einer fährt, der andere spült die Sammelkästen. Rund 800 Kunden bekommen zwölf Tonnen Lebensmittel pro Woche.
Wer das Angebot nutzen will, muss die Bedürftigkeit nachweisen, in Norderstedt beispielsweise mit dem Sozialpass. Die Ausgabe ist streng reglementiert, nur einmal in der Woche dürfen sich die Kunden Taschen und Tüten füllen lassen.
Die Tafel hat ihre Keimzelle längst verlassen, sie betreibt Filialen in Hamburg-Hummelsbüttel, in Langenhorn, in Henstedt-Ulzburg und Ellerau. „Wir decken die Randbereiche ab – das, was die Hamburger Tafel nicht schafft“, sagt Ingrid Ernst. Das Netz der Hilfe ist dicht gesponnen. Die Rotarier unterstützen die Tafel finanziell, die drei Norderstedter Lions Clubs spendieren Lebensmittelgutscheine.
Um besonders den Flüchtlingen besser helfen zu können, hat das Tafel-Team die Aktion „ein Teil mehr für die Tafel“ ins Leben gerufen. Zusätzlich zu den Spenden aus den Einkaufsmärkten haben die Helfer Sammelkisten in den Kirchengemeinden der Umgebung, beim Frauenchor in Norderstedt und in einer Kindertagesstätte aufgestellt, mit der Bitte, ein haltbares Lebensmittel zu spenden. „Diese Aktion ist sehr gut angenommen worden“, sagt die Tafel-Chefin.
Die 62-Jährige zählt zu den Tafel-Pionieren und ist seit 2002 dabei. Warum? „Ich wollte meinen Kindern zeigen, dass ich auch was anderes kann als Kuchen backen“, sagt Ingrid Ernst. Mehrere Jahre war sie stellvertretende Vorsitzende, ehe sie den Stab von Tafelgründerin Marion Steinvorth übernahm. Die gelernte Krankengymnastin hat viel Elan, kann dirigieren und organisieren und behält die Ruhe, wenn es um sie herum zugeht wie in einem Bienenschwarm. Nur die Buchhaltung bereite ihr Kopfzerbrechen, deswegen hat sich die Tafel jetzt auch eine kompetente Hilfe fürs Büro gegönnt. „Gerade bei den Abrechnungen und Spendenbescheinigungen guckt das Finanzamt genau hin“, sagt Ingrid Ernst, die weitere Helferinnern gebrauchen kann. Drei Frauen für die Ausgabe am Freitag wünscht sich die Tafel-Chefin.