Gastschüler: Das klingt nach freundlicher Aufnahme und liebevoller Betreuung. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Will beispielsweise ein Schüler aus Schleswig-Holstein in Hamburg zur Schule gehen, muss er sich auf kritische Fragen und auf Ablehnung gefasst machen.

Ahrensburg. Gastschüler: Das klingt nach freundlicher Aufnahme und liebevoller Betreuung. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Will beispielsweise ein Schüler aus Schleswig-Holstein in Hamburg zur Schule gehen, muss er sich auf kritische Fragen und auf Ablehnung gefasst machen. Junge Niedersachsen, die es in die Hansestadt zieht, haben es da deutlich einfacher. Dass die Traumschule jenseits einer Landesgrenze liegt, ist nichts Ungewöhnliches. Manchmal ist wegen guter Verkehrsverbindungen der Schulweg ins andere Bundesland kürzer, manchmal gibt es bestimmte pädagogische Schwerpunkte, die Kinder über die Grenze locken. Das hat finanzielle Folgen und ist deshalb Anlass für Streitigkeiten. Ein Kind, das in Hamburg unterrichtet wird, dort aber nicht wohnt, kostet die Hansestadt zusätzliches Geld.

Seit Jahrzehnten gibt es deshalb zwischen Hamburg und dem niedersächsischen Umland ein sogenanntes Gegenseitigkeitsabkommen. "Das sieht vor, dass Schülerinnen und Schüler des einen Landes öffentliche Schulen des anderen Landes im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten grundsätzlich ohne Zahlung von Gastschulgeldern besuchen dürfen", sagt Stefan Muhle, Sprecher des niedersächsischen Kultusministeriums. Ausnahme: "Im Interesse der besonders förderungsbedürftigen Kinder, die auf spezielle Sonderschulen angewiesen sind, hat sich das Land seinerzeit bereit erklärt, ihnen den Zugang zu entsprechenden Schulen in Hamburg in einem bestimmten Umfang zu sichern und dafür einzeln ausgehandelte Schülerbeträge an Hamburg zu zahlen." Auch zwischen Bremen und Niedersachsen gilt die Vereinbarung, dass "Schülerinnen und Schüler grundsätzlich in die öffentlichen Schulen des anderen Landes aufgenommen werden können.

Zum Ausgleich der Belastungen, die dem Land Bremen durch die größere Zahl von niedersächsischen Schülerinnen und Schülern entstehen, zahlt Niedersachsen einen pauschalen Jahresbetrag". Ähnliche Regelungen gibt es zwischen Schleswig- Holstein und Dänemark. Prekär ist hingegen das Verhältnis zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, wenn es um Gastschüler geht. Das "Abkommen zum grenzüberschreitenden Schulbesuch", das es seit 2004 gibt, ist letztlich ein Verhinderungsbündnis. Unter anderem heißt es in dem Papier, die Unterzeichner seien bestrebt, "effektive Maßnahmen zur sachgemäßen Reduzierung der Schülerzahlen aus Schleswig-Holstein zu treffen". Und weiter: "Beide Länder streben an, grundsätzlich den Schulbesuch ihrer Schülerinnen und Schüler im eigenen Land sicherzustellen." Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass das nicht geklappt hat. Im Jahr 2004 wurden 3200 Schleswig-Holsteiner gezählt, die in Hamburg allgemeinbildende Schulen besuchten. 2005 waren es 3500, im Vorjahr bereits 4000. Zählt man die Berufsschüler noch hinzu, kommt man sogar auf 6300. Das entspricht ungefähr 210 Klassen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr gingen nur 450 Hamburger in Schleswig-Holstein zur Schule. Zwar zahlt das nördlichste Bundesland jährlich einen Gastschülerbetrag von 8,5 Millionen Euro an der Hansestadt, doch deckt das bei weitem nicht die Kosten. Kein Wunder, dass Hamburg deshalb die Schotten dicht macht. Schleswig-Holsteiner werden nur noch in Härtefällen an Hamburger Schulen aufgenommen, und auch nur dann, wenn es an der Schule noch freie Plätze gibt. Aber was ist ein Härtefall? Das entscheidet in Hamburg die Schulaufsicht, und die behilft sich mit dem Begriff "Einzelfallentscheidung". Mit anderen Worten: Wer überzeugend genug betteln kann, der hat eine Chance. Das gilt nun auch für altsprachliche Gymnasien in Hamburg, die in der Vergangenheit noch unbegrenzt Schüler aus Schleswig-Holstein aufnehmen durften. Begründung der Hamburger Bildungsbehörde für den Wegfall: Die alte Regelung sei "missbraucht" worden. Manche Eltern aus Schleswig- Holstein verzichten aufs Betteln mit ungewissem Ausgang, sondern setzen gleich einen simplen, aber zielführenden Trick ein. Sie melden sich nach Hamburg um, wohnen für ein paar Monate pro forma bei Freunden oder Verwandten, werden deshalb wie Hamburger behandelt und bekommen so den Platz an ihrer Wunschschule. Dagegen gibt es innerhalb des Bundeslandes freie Schulwahl im Rahmen der Kapazitäten. Wenn für Grundschüler der Spruch "Kurze Beine, kurze Wege" von zentraler Bedeutung ist, wird für Kinder an weiterführenden Schulen der Bewegungsradius größer. In Schleswig-Holstein hat das im neuen Schulgesetz verankerte Recht bereits eine Diskussion auch um die Schülerbeförderungskosten ausgelöst, seit eine Mutter aus Schönwalde einen Präzedenzfall geschaffen hat: Der zehn Jahre alte Sohn der Hartz-IV-Empfängerin darf auf Antrag in Eutin statt in Neustadt die Realschule besuchen. Die zusätzlichen Beförderungskosten trägt der Kreis Ostholstein.