Sie wohnen im Landkreis Harburg, dürfen aber nicht in Harburg zur Schule gehen. Diese Regelung gilt auch, wenn der Weg zu einer Hamburger Schule...

Over/Meckelfeld. Sie wohnen im Landkreis Harburg, dürfen aber nicht in Harburg zur Schule gehen. Diese Regelung gilt auch, wenn der Weg zu einer Hamburger Schule näher liegt als der zu einer Lehranstalt in Niedersachsen. Für viele Familien ist das Leben an der Landesgrenze zwischen der Hansestadt und dem Nachbarn Niedersachsen nicht einfach. In kaum einem anderen Bereich wird so strikt nach Bundesländern getrennt, wie beim Thema Schule.

"Nur in Sonderfällen haben Schüler die Möglichkeit in dem jeweils anderen Bereich unterrichtet zu werden", berichtet Norbert Vietheer, Schulleiter der Realschule Meckelfeld und damit unmittelbar mit dem Landesgrenzenproblem konfrontiert. Ein solcher "Sonderfall" ist auch der 18 Jahre alte Steve Sonnemäker, der mit seiner Familie in Over, also in Niedersachsen lebt, aber das Alexander-von-Humboldt Gymnasium in Rönneburg besucht. Möglich gemacht wird dies durch ein sogenanntes Gegenseitigkeitsabkommen zwischen den beiden Bundesländern, weil der weite Weg zu Schulen in Niedersachsen unzumutbar für die Jugendlichen sei. Doch auch der Schulweg nach Hamburg ist nicht gerade unbeschwerlich. Schon zur Grundschule nach Neuland musste der Jugendliche aus Over eine 20-minütige Busfahrt auf sich nehmen, was sich aber für ihn als Luxus erwies als er erfuhr, dass er zum Harburger Gymnasium fast eine Stunde lang mit dem Bus unterwegs sein würde.

"Gemeinsam mit Freunden war die Fahrt zur Schule nicht allzu langweilig", berichtet der heute 18 Jahre alte Steve. "Aber natürlich fährt der Bus nach Over nicht allzu oft, und wenn wir mal ein bisschen getrödelt haben und dadurch der Bus verpasst wurde, konnte der Weg nach Hause auch mal fast eineinhalb Stunden dauern." Teilweise wurde den Kindern damals der Weg zur Schule durch Fahrgemeinschaften der Eltern erleichtert, denn nicht nur Steve besucht das Rönneburger Gymnasium. Die Strapazen waren zu Ende, als der Overaner endlich 16 Jahre alt wurde und seinen Führerschein für ein Leichtkraftrad machen konnte. Die Fahrschule wurde vom Konfirmationsgeld bezahlt, das Motorrad gab es als Geschenk von den Großeltern. Das Resultat: Ein Schulweg von nur zehn Minuten. "Wenn ich ein paar Schleichwege benutze, dann geht das eben ganz fix", so der Overaner. Nun nutzt er den Weg über Meckelfeld, der Bus nimmt den Umweg über Neuland nach Harburg. Seit einem halben Jahr ist der Schulweg jedoch noch komfortabler geworden. Zum 18. Geburtstag gab es, wieder von den Großeltern, ein Auto. Und auch Steves kleine Schwester freut sich, dass ihr großer Bruder sie jetzt mit zur Schule nehmen kann und sie nicht auf den Bus angewiesen ist.

Froh ist der junge Mann trotzdem, dass er Hamburger Schulen besuchen darf, denn von Freunden hat er gehört, dass der Leistungsdruck an Gymnasien in Niedersachsen extrem hoch sei. Doch genau vor dieser Ansicht warnt der Meckelfelder Schulleiter Vietheer. "Es ist immer noch in den Gedanken vieler Eltern verankert, dass es in Hamburg leichter sei, gute Noten zu bekommen", so der Schulleiter. "Aber heutzutage kommt es eben nicht mehr nur auf die Noten an, sondern das Wissen der Kinder steht im Mittelpunkt. Schlechtere Noten in Niedersachsen heißt somit nicht weniger Wissen."

Steve hingegen zieht ein ganz anderes Fazit aus seinem Leben an der Landesgrenze: "Ich möchte später mit meiner Familie auf jeden Fall in der Stadt leben", so der 18-Jährige. "Denn meine Kinder sollen zu Fuß zur Schule gehen können."