Fehmarn. Mit seiner Fähre pendelt Gunnar Gerth-Hansen vor Fehmarn. Doch immer wieder ist sein Bootsmotor kaputt.

Die Fahrt mit seiner Fähre dauert rund 20 Minuten, und sein Boot „Annika“ ist gerade einmal sechs Meter lang und 2,40 Meter breit bei einem Tiefgang von 80 Zentimetern. Damit hat Gunnar Gerth-Hansen wohl eine der kleinsten Ostsee-Fähren. Auf Fehmarn zeigt er Gästen bei den Mini-Rundfahrten ein kleines Stück seiner Heimatinsel. Doch in diesen Tagen hat es Gerth-Hansen schwer: Der starke Seegras- und Algenwuchs in der Ostsee hat den Motor seiner „Annika“ beschädigt. Was es mit Algen und Seegras an der Ostsee auf sich hat:

Das Boot „Annika“ von Gunnar Gerth-Hansen.
Das Boot „Annika“ von Gunnar Gerth-Hansen. © Gunnar Gerth-Hansen

Dort im Hafen von Burgstaaken auf Fehmarn liegt die „Annika“ und ist nicht fahrbereit. Normalweise bringt Gunnar Gerth-Hansen seine Gäste von hier aus über den Yachthafen hinüber zum Südstrand/Burgtiefe und wieder zurück. Zwölf Touren macht er jeden Tag fünf Mal die Woche tuckert er an der Küste entlang.

Ostsee: Vom wortkargen Fischer zum gesprächigen Tourguide

20 Jahre lang hat Gerth-Hansen auf Fehmarn als Berufsfischer gearbeitet, war mit seinem Trawler „Tümmler“ auf der Ostsee zwischen Flensburg und Sassnitz unterwegs, wie auch schon sein Vater. Er hat unter anderem Kabeljau, Hering und Plattfisch gefischt. Mit dem Rückgang der Fischbestände und der Fangquoten hatte er nebenbei schon frühzeitig auch touristische Ausflugsfahrten angeboten sowie Hochzeitsfahrten und ist somit vom eher wortkargen Fischer zum gesprächigen Gästeführer geworden.

„Ich schnacke einfach gern“, sagt Gerth-Hansen. Vor zwei Jahren hat er seinen „Tümmler“ verkauft und ist in Rente gegangen. Von ehemals 25 Fischern sind auf Fehmarn nur noch fünf Berufsfischer übrig geblieben.

So viele Algen und totes Seegras fischen die Fischer aus der Ostsee vor Fehmarn.
So viele Algen und totes Seegras fischen die Fischer aus der Ostsee vor Fehmarn. © Gunnar Gerth-Hansen

Seit einem Jahr betreibt der ehemalige Fischer die kleine Fähre. Bereits von 1950 bis 1970 ist der Fischer Henry Lütje die kleine Fährlinie gefahren. Deshalb heißt der Anleger am ehemaligen Café Sorgenfrei (heute Chillaz Café) auch „Henry Lütje Steg“. Gerade einmal zwölf Menschen plus Kapitän haben auf der „Annika“, die nach Gerth-Hansens Tochter benannt ist, Platz.

Algen an der Ostsee am Strand auf Fehmarn im Oktober.
Algen an der Ostsee am Strand auf Fehmarn im Oktober. © Genevieve Wood (FMG)

Ostsee: Hafenbecken ist voll mit Seegras und Algen

Aber ohne Motor kann er mit „Annika“ eben nicht fahren. Der Elf-PS-Motor ist kaputt und in der Werkstatt. Gunnar Gerth-Hansen zeigt auf das Wasser im Hafenbecken. Alles ist voller Seegras – teilweise noch grün, zum größten Teil aber abgestorben. Das können Fehmarn-Urlauber momentan auch an den Stränden beobachten.

Im Gespül am Flutsaum liegt kilometerweit Seegras in allen möglichen Zersetzungszuständen, teils grün, teils braun und modrig. Manchmal riecht es faul.

Grün-braune Masse verklebt Schiffsmotor

Seegras und Algen vermischen sich zu einer grün-braunen Masse. Solch eine Masse hatte sich während einer Rückfahrt der „Annika“ um den Propeller gewickelt. „Seegras ist ja nützlich, aber dass dieses und auch die Algen derzeit in Massen absterben, ist problematisch. Die verstopfen die Maschinen und die Fischernetze. Das hat extrem in diesem Jahr zugenommen“, sagt der 58-Jährige.

In der Intensität sei das ungewöhnlich. „Dass die vermehrt absterben, haben wir sonst nur dann, wenn es mal ein ganz heißer Sommer war. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer und wird kontinuierlich mehr.“

Fische gibts kaum zu sehen, dafür Krabben und Krebse

Wie stark der Seegrasbewuchs derzeit ist, wird während einer Ausflugsfahrt mit dem „Tümmler“ deutlich. Frederik Otten hatte den Trawler von Gerth-Hansen übernommen und bietet Schaufisch-Touren an.

An diesem Mittag geht es wieder auf die Ostsee, und was die Gäste, darunter viele Kinder, zu sehen bekommen, wenn Otten und sein Mitarbeiter das Netz an Bord holen, sind riesige Mengen an abgestorbenen Algen und Seegras. Dazwischen verstecken sich Krabben, Krebse oder Seenadeln. Fische wie Scholle oder Dorsch holen die Fischer bei diesen Touren kaum raus.

Seegras wirft im Herbst die Blätter ab

Generell sind Seegras und Algen – sogenannte Treibsel – ein natürliches Phänomen an der Küste. Dass es so große Mengen sind, liege an den westlichen Winden und an Strömungsrichtungen, die Algen und abgestorbenes Seegras in den Hafen und an die Küste treiben.

Das bestätigt der Meeresbiologe Professor Martin Wahl vom Geomar Helmholtz Zentrum in Kiel. „Seegras wirft im Herbst die Blätter ab, deswegen gibt es große Mengen, die herumdriften und an den Stränden landen.“ Biologen freuen sich, dass die Menge an Seegras zunimmt.

Denn Seegras bildet Unterwasserwälder, in denen finden kleine Fische Unterschlupf. Es bietet Kleintieren Schutz und Nahrung, speichert große Mengen von Kohlendioxid, gibt Sauerstoff ins Wasser ab und festigt das Sediment am Meeresboden.

Ostsee: Überdüngung der Felder ein Problem

Der Wind allein sei nicht dafür verantwortlich, so Gunnar Gerth-Hansen. Seine Vermutung: „Es liegt an der Überdüngung der Felder.“ Die Überdüngung sei bekannt, führe aber laut Martin Wahl nicht zu diesen Seegrasmengen. „Die starke Überdüngung der Ostsee ist ein großes Problem und fördert das Algenwachstum.“

Allerdings betrifft das kurzlebige Algenarten, rote und grüne, Plankton oder Blaualgen. Die vermehren sich dann explosionsartig, sterben ab, zersetzen sich und schädigen das ganze Ökosystem und führen zu einem Sauerstoffmangel.