Kiel/Westerau. Firma aus Schleswig-Holstein verwendet Wasserpflanzen als Baumaterial. Und aus Algen soll in Zukunft Sonnencreme werden.
Wenn das keine gute Idee ist: Aus Algen, die die Urlauber am Strand nur nerven, soll Algensonnencreme werden, die die Urlauber am Strand schützt. Die Kieler Firma Oceanbasis arbeitet derzeit an dieser Neuentwicklung. Neue Wege geht man auch in Westerau (Kreis Stormarn). Dort versucht ein kleines Unternehmen, Seegras beim Hausbau einzusetzen. Seegras und Algen: zwei Wasserpflanzen, die auf dem Land Karriere machen könnten.
Für die Badeorte an der Ostsee sind diese Pflanzen seit Langem eine große Last. Die Travemünder Strände beispielsweise müssen jedes Jahr von etwa 5000 bis 10.000 Tonnen des ungeliebten Strandguts befreit werden. „Im vergangenen Jahr haben wir dafür 105.000 Euro bezahlt“, sagt Heike Blankenburg von der Stadtverwaltung. Im Nachbarort Timmendorfer Strand sind es ähnliche Summen. Dieses Jahr wurden bereits 90.000 Euro ausgegeben. Touristen, das wissen die Kurdirektoren, wollen schneeweiße Strände haben.
Also wird für viel Geld all das, was das Meer an den Strand spült, eingesammelt und abtransportiert. Meist landet das Zeug auf den Feldern von Landwirten. Als Dünger ist es nicht gut geeignet. Aber der Sand, der sich in der Masse verbirgt, hilft bei schweren Böden.
Mit Wiederverwertung hat das nur wenig zu tun. Dabei haben die Wasserpflanzen durchaus Eigenschaften, die nutzbar wären. Jörn Hartje zeigt mit seinem Seegrashandel, was möglich ist. Seit drei Jahren versucht er, Kunden von den Qualitäten des Seegrases zu überzeugen. „Rund 50 Häuser sind schon mit unserem Seegras gedämmt – hauptsächlich in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern“, sagt er.
Seegras von dänischen Landwirten
Hartjes Ansatz ist nicht ganz neu. Er macht einfach da weiter, wo unsere Vorfahren aufgehört haben. Seegras wurde früher häufig in Häusern zur Dämmung verwendet, außerdem auch als Polster für Matratzen und Möbel. „Bis in die 50er-Jahre gab es an der Küste Fabriken, die Dämmmatten herstellten“, sagt Hartje.
Sein Naturprodukt hat mit Fabriken nichts zu tun. Er bezieht es von dänischen Landwirten, die es an der Küste aufsammeln und dann auf Wiesen ausbringen. Dort liegt es, bis es trocken ist. Dann wird es zu Ballen gepresst.
Warum das für dänische Landwirte ein Geschäftszweig ist, für deutsche aber nicht, kann Hartje nicht erklären. „Theoretisch könnte das auch in Schleswig-Holstein gemacht werden“. sagt er. „Man braucht natürlich Erfahrung mit dem Material.“
Seegras in möglichst reiner Form
Zur Dämmung braucht Hartje Seegras in möglichst reiner Form. Als loses Stopfmaterial wird es in Zwischenräume gefüllt, zum Beispiel in Dachschrägen oder Zwischendecken. Der Vorteil: Für den Einbau braucht man kein Fachwissen, Häuslebauer können es in Eigenarbeit erledigen. Ein Quadratmeter mit einer Stärke von 20 Zentimetern kostet 17 Euro. Für ein Passivhaus muss die Dämmschicht 35 Zentimeter stark sein. Seegras, findet Hartje, ist eigentlich ideal: „Es brennt nicht, es ist gegen Schimmel resistent und gegen Feuchtigkeit unempfindlich.“
Nicht mit Seegras, sondern mit Algen arbeiten die Mitarbeiter der Kieler Firma Oceanbasis. Das Unternehmen bietet unter dem Produktnamen „Oceanwell“ zertifizierte Naturkosmetik auf Algenbasis an. Der Rohstoff stammt von einer Algenfarm in der Kieler Förde, 500 Meter vom Leuchtturm Holtenau entfernt. „Für eine Sonnencreme scheint eine Grünalge besonders gut geeignet zu sein“, sagt Thorsten Walter, Vertriebsmanager von Oceanbasis. Sie ist in der Ostsee heimisch und lebt auch dort, wo sie sich gegen UV-Bestrahlung schützen muss.
„Wir wollen aus diesen Algen die Stoffe isolieren, die eine Alternative zu herkömmlichen Sonnencremes darstellen können“, sagt Walter. Für den Naturkosmetik-Markt käme eine Algensonnenmilch einer Revolution gleich. Denn bislang gibt es noch kein reines Bioprodukt, das Sonnencreme-Eigenschaften hat.
Das Konzept scheint Erfolg versprechend zu sein. Das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat der Firma jedenfalls unlängst einen Förderbescheid über 613.000 Euro für das Projekt überreicht.
Algen auf die Haut, Seegras ins Haus: Zwei Wasserpflanzen machen auf dem Land Karriere. Sollte der Massenmarkt erreicht werden, würde das wohl auch den Ostseebädern helfen, ihre Entsorgungskosten zu reduzieren.