Fehmarn. Den Fahrradcamper gibt es ab nächster Saison auf der Ostseeinsel: Das Abendblatt hat ihn Probe gefahren und darin geschlafen.
Es ist, als sei man ein Brummifahrer, der viel Platz braucht und dem die entgegenkommenden Radfahrer Platz machen – meist mit einem Lächeln im Gesicht. Wer mit dem einzigartigen Fahrradcamper auf Fehmarn unterwegs ist, darf nicht schüchtern sein: Jeder guckt, denn eine Fahrradfahrerin mit Mini-Wohnwagen im Schlepptau, das ist ja auch ein ungewohnter Anblick.
Pferde scheuen, Schulkinder lachen und eine Passantin sagt nur „oh Gott“. Mit diesem Dickschiff gehört einem die ganze Aufmerksamkeit. Das Abendblatt durfte den ersten klappbaren Wohnwagen fürs Fahrrad testen.
Mini-Wohnagen: So leicht können sich 88 Kilogramm anfühlen
Die Schubkraft des E-Bikes auf Turbo gestellt, also auf der stärksten Stufe, und schon rollt es sich samt 88 Kilogramm schwerem Wohnwagengespann überraschend leicht über den Radweg. Von Burgtiefe im Inselsüden geht es rund zwei Stunden im gemütlichen Tempo über Puttgarden am Deich entlang in den Nordwesten nach Altenteil, Ziel: das Ahoi Camp.
Ob Schotterweg oder Asphaltstraße: Das Gespann, das zusammengeklappt gerade einmal 1,50 Meter lang ist, lässt sich leicht ziehen und fährt sich etwa so wie ein größerer Fahrradanhänger für Kinder. Es klappert ein wenig, aber das stört kaum. Erst kurz vorm Ziel in Altenteil heißt es denselben Weg wieder zurück, weil der Durchgang vom Deich auf die Straße dann doch zu schmal ist für den 97 Zentimeter breiten Hänger.
Fehmarn: Der Miniatur-Wohnwagen ist die Attraktion auf der Insel
Auf dem Campingplatz geht es an den Aufbau. Aber vorher kommen die Campernachbarn vorbei und gucken. „Goldig“ finden sie den Miniatur-Wohnwagen. So etwas haben die Wohnmobilisten aus Hamburg und Hessen noch nie gesehen. Die Neugier ist entsprechend groß. Es werden Fotos gemacht, es wird gefachsimpelt, und es wird einem sofort jegliche Hilfe angeboten.
So sind Camper eben. Hilfsbereit und kommunikativ. „Wenn es kalt wird, wir haben einen Heizlüfter“, sagten die Nachbarn am Abend noch. Ich solle einfach anklopfen.
Mini-Wohnwagen: Der Auf- und Abbau ist kinderleicht
Das Aufbauen ist wirklich kinderleicht. Mit wenigen Handgriffen wird der Fahrradcamper auseinandergeklappt und verlängert sich damit auf zwei Meter. Im Innern lässt sich das 90 Zentimeter breite und zwei Meter lange Bett schnell aufbauen, Matratzen noch auf das Holzgestell – fertig ist das Schlafzimmer. Schlafsack und Gepäck mussten vorab unter dem Bett verstaut werden, bevor der Camper für die Fahrt zusammengeklappt wurde.
Eine Zusatzlast von 20 Kilogramm ist zulässig. Angeblich bietet der Fahrradwohnwagen Platz für zwei Personen. Eine Person hat es sehr bequem, zwei müssten schon sehr gern ganz dicht beieinander schlafen. Laut Beschreibung finden auch vier Erwachsene am Tisch im Inneren Platz. Das müssten dann aber sehr kleine Erwachsene sein. Ehrlicherweise ist der Camper für einen Erwachsenen perfekt.
Mini-Wohnwagen: Kleines Camperglück mit harter Schale
Weil die Nacht windig werden soll, kommt die Markise heute nicht zum Einsatz. Der kleine Tisch wird noch draußen eingehängt, zwei Klapphocker dazu: Fertig ist das kleine Camperglück. Weil die Hartschalenkonstruktion aus Kunststoff in absoluter Leichtbauweise ist, mag man sich auf dem Hocker kaum an die Außenwand anlehnen. Denn die gibt sofort ein wenig nach. Aber der Camper ist robuster, als es vielleicht den Anschein macht.
Mini-Wohnwagen: Stürmische und regnerische Nacht gut überstanden
Andrea und Andreas aus Harburg, die Campingnachbarn, helfen mit einem Adapter für den Strom aus. Denn die Ausstattung des Wohnwagens ist doch sehr spärlich. Es gibt eine Solaranlage für die Innenbeleuchtung oder zum Aufladen von Elektrogeräten. Für mehr reicht der Strom nicht. Zum Glück habe ich meinen Wasserkocher, Tee und Teebecher dabei für den nächsten Morgen.
Und dieser nächste Morgen kommt nach einer stürmischen und regnerischen Nacht, die dank Schlafsack warm und total gemütlich war. Wie in einem Kokon oder in einer Koje fühlt es sich in meinem kleinen Ei an – geborgen und beschützt. Selbst der starke Wind konnte dem kleinen Teil nichts anhaben.
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Einzig die Verdunkelungsvorrichtung wollte nicht so richtig mit den Saugnäpfen an den Scheiben kleben bleiben. Macht nichts. Denn so geht der Blick morgens direkt über die Wiesen Richtung Ostsee. Wunderschön ist das. Und anders als die riesigen Wohnmobile der Nachbarn passt der kleine Fahrradanhänger in jede Lücke und ist doch deutlich luxuriöser als ein Zelt.
Bezahlbare Freiheit für das kleine Abenteuer zwischendurch
Offiziell heißt der Fahrradcamper „Wide Path Camper“ und kommt aus Dänemark. Eine nachhaltige Unterkunftsmöglichkeit, die gezielt Radfahrer und Camper anspricht, die Lust auf ein Urlaubserlebnis der besonderen Art haben, soll er bieten. Fehmarns Tourismusdirektor ist verständlicherweise stolz auf den Fahrradcamper: „Wir freuen uns, als eine der ersten Urlaubsdestination an der Ostsee, diese außergewöhnliche Unterkunft vorstellen und anbieten zu dürfen und somit ein ganz besonderes Urlaubserlebnis zu schaffen“, so Oliver Behncke.
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Für die Übernachtungen im Fahrrad-Camper können nach vorheriger Absprache alle Campingplätze der Insel – für je eine Nacht – sowie die Burgruine Glambek in Burgtiefe nach Absprache mit dem Tourismus-Service Fehmarn, angesteuert werden. Gäste und Einheimische können den Fahrrad-Camper ab 1. Oktober für 69 Euro pro Nacht über die Unterkunftsseite des Tourismus-Service Fehmarn für die kommende Saison, vom 1. Mai bis 30. September buchen (www.fehmarn.de).
Mikroabenteuer abseits der Großstadt
Es ist so, wie die Touristiker das Erlebnis beschreiben, ein Mikroabenteuer im Alltag. Gut zwei Stunden von Hamburg entfernt, erscheint die Großstadt abends mit Tee und Schokolade und einem guten Buch vor dem Fahrradcamper samt Ostseeblick so weit weg. Es fühlt sich nach Freiheit an, eine Freiheit, die bezahlbar und schnell umzusetzen ist. Schlicht ohne Chichi. Und doch etwas ganz Besonderes.