Der niedersächsische Kultusminister und CDU-Politiker soll in seiner Dissertion Übernahmen nicht als solche gekennzeichnet haben.

Hannover. Plagiatsjäger haben Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) in seiner Doktorarbeit viele Fehler beim Zitieren fremder Quellen vorgeworfen und ihn damit unter Druck gebracht. Althusmann entschuldigte sich am Mittwoch für mögliche handwerkliche Fehler und sagte, er habe nirgendwo von anderen Wissenschaftlern abgeschrieben, ohne das zu kennzeichnen.

„Es gab keinen Täuschungsversuch von meiner Seite“, unterstrich Althusmann, der seit gut einem Jahr Kultusminister in Hannover und derzeit auch Vorsitzender der Kultusministerkonferenz ist. Konsequenzen für seine politischen Ämter schloss der 44-Jährige zunächst aus. Die Universität Potsdam bat er um die Überprüfung seiner 2007 abgegebenen Arbeit. Ministerpräsident David McAllister (CDU) stärkte Althusmann den Rücken: „Er ist Minister und er bleibt Minister.“ Die Prüfung durch die Universität müsse abgewartet werden. „Soviel Zeit müssen wir uns nehmen.“

Die Opposition indes legte Althusmann den Rücktritt für den Fall nahe, dass sich die Vorwürfe bewahrheiteten. Sie bezeichnete die mögliche Schummelei des Bildungspolitikers als peinlich. Der Minister soll in seiner Dissertation an vielen Stellen inhaltliche wie wörtliche Übernahmen aus anderen wissenschaftlichen Werken nicht als solche gekennzeichnet haben. Das berichtete die „Zeit“ am Mittwoch vorab.

Eine von der Wochenzeitung vorgelegte Analyse kommt zu dem Schluss, dass die Doktorarbeit zu mehr als der Hälfte aus teils verschleierten Zitaten besteht und daher wenig Platz für eigene Gedanken lässt. Durchgängig und in großem Ausmaß sei es zu einer bewussten oder unbewussten Irreführung gekommen.

Statt entsprechende Abschnitte in Anführungszeichen zu setzen, soll Althusmann es oftmals bei einem allgemeinen Verweis auf die verwendete Fremdliteratur belassen haben – wo er bloß fremdes Wissen zitiert und wo seine eigenen Forschungsergebnisse beginnen, scheint dadurch unklar. Möglicherweise habe Althusmann den Leser über den hohen Anteil an Zitaten und den geringen Anteil an eigener Leistung im Unklaren lassen wollen, heißt es in der Analyse.

„Ich habe meine Arbeit nach bestem Wissen und mir damals bekannten Zitierstandards angefertigt“, erklärte der Bildungsminister am Mittwoch. Es sei seine Pflicht, auch im Umgang mit eigenen Fehlern mit gutem Beispiel voranzugehen und sich zu stellen, statt davonzulaufen. „Für meine Ämter habe ich, auch nachdem ich den Ministerpräsidenten gestern informiert habe, entschieden, dass dies eine Krise ist, die ich durchzustehen habe.“

„Sollte sich herausstellen, dass die Überprüfung der Vorwürfe gegen Herrn Althusmann durch die Universität Potsdam einen Verstoß gegen wissenschaftliche Grundsätze erbringt, ist Herr Althusmann als Minister nicht zu halten“, erklärte der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Stefan Wenzel. Als Vorsitzender der Kultusministerkonferenz habe Althusmann eine besondere Vorbildfunktion. „Es ist mehr als peinlich, dass ein Bildungsminister solche handwerklichen Fehler begeht“, meinte die Linken-Parlamentarierin Christa Reichwaldt. Die SPD-Landtagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt forderte von Althusmann, den Vorsitz der Kultusministerkonferenz bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen.

Niedersachsens CDU-Fraktionschef Björn Thümler sprach indessen von einer Kampagne der Opposition gegen Althusmann. „Offensichtlich hat jemand ein besonderes Interesse daran, den guten Ruf des Kultusministers in Misskredit zu bringen.“ Die Opposition nutze die Vorwürfe, um den Kultusminister unsachlich zu attackieren. Für die CDU-Fraktion seien die Bewertung und Beurteilung der Doktorarbeit durch die Universität entscheidend.

Althusmann promovierte als externer Doktorand an der Uni Potsdam mit einer Arbeit über die Organisation der öffentlichen Verwaltung. Der Kontakt zu seinem Doktorvater sei an der Universität der Bundeswehr in Hamburg entstanden, später sei der Professor dann nach Potsdam gewechselt, erklärte der Hauptmann der Reserve. Die Arbeit sei zwischen den Jahren 2000 und 2007 mit Unterbrechungen parallel zu seiner politischen Tätigkeit entstanden. „Ich habe den Großteil meiner Ferien dazu genutzt.“

An der Universität beschäftige sich der zuständige Dekan mit den Vorwürfen, sagte Uni-Sprecherin Birgit Mangelsdorf am Mittwoch. „Das ist nicht innerhalb weniger Stunden zu erledigen.“ Anschließend wolle der Dekan Althusmann Gelegenheit zu einer Stellungnahme geben. „Dann wird er entscheiden, ob er die Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens anruft, damit sie sich mit dem Vorgang befasst“, sagte die Sprecherin. Nach Einschätzung von Althusmann wird die Untersuchung der Universität etwa vier Wochen dauern.

Weitere Beispiele

Ob Affären um gekaufte Doktortitel oder Plagiatsvorwürfe: Althusmann reiht sich in eine Reihe prominenter "Opfer" ein. Schon vor ihm mussten mehrere Politiker auf ihre akademischen Würden wieder verzichten – zuletzt der CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Pröfrock aus Waiblingen (Rems-Murr-Kreis). Weitere Beispiele:

KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG (CSU) – In der Doktorarbeit des damaligen Verteidigungsministers wurden im Februar Plagiate entdeckt. Wenig später erkannte ihm die Uni Bayreuth den Doktortitel ab. Nach heftigen Protesten der Opposition und in der Bevölkerung trat Guttenberg im März von seinen Ämtern zurück. Die Uni Bayreuth erklärte in ihrem Abschlussbericht, dass der CSU-Politiker vorsätzlich getäuscht habe. Nach dem Fall zu Guttenberg haben sich im Internet unzählige Menschen zusammengetan und Doktorarbeiten von weiteren Prominenten auf Plagiate durchsucht.

SILVANA KOCH-MEHRIN (FDP) – Rund 120 Stellen in der Doktorarbeit der Europapolitikerin waren ohne Angaben der Quelle abgeschrieben. Die Universität Heidelberg entzog ihr deshalb im Mitte Juni ihren Doktortitel. Koch-Mehrin war bereits im Mai nach Bekanntwerden der Vorwürfe von ihre Posten als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und als Vizepräsidentin des Europaparlaments zurückgetreten. Nach der Aberkennung ihres Doktortitels geriet sie dann noch einmal in die Schlagzeilen, als sie überraschend Vollmitglied im Forschungsausschuss des EU-Parlaments wurde. Nach massivem Protest aus der Wissenschaft gab sie schließlich auch diesen Posten ab.

JORGO CHATZIMARKAKIS (FDP ) – Der Europaabgeordnete wehrt sich derzeit gegen die mögliche Aberkennung seines Doktortitels. Nachdem im Internet Plagiats-Vorwürfe laut geworden waren, prüft nun die Universität Bonn Chatzimarkakis Dissertation. Eine Entscheidung über die Aberkennung des Doktortitels gibt es noch nicht. Der FDP-Politiker betont, er habe keinen einzigen Text aus einem Werk übernommen, das er nicht erwähnt habe.

DIETER JASPER (CDU) – Der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete wurde Anfang Mai zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt, weil er einen Doktortitel zu Unrecht geführt hat. Jasper hatte den Doktortitel der Wirtschaftswissenschaften 2004 an einer Universität in der Schweiz erworben, die gegen Geld akademische Grade vergeben soll. Im Wahlkampf hatte der CDU-Kandidat mit diesem Titel auf Plakaten und Broschüren geworben.

KAI SCHÜRHOLT (CDU) – Der Oberbürgermeisterkandidat der Landauer CDU hatte sich 2007 im Wahlkampf mit einem Doktortitel geschmückt, obwohl er seine Promotion noch längst nicht abgeschlossen hatte. Als der Schwindel aufzufliegen drohte, erfand Schürholt eine Tumorerkrankung, um aus dem Wahlkampf in der rheinland-pfälzischen Kommune aussteigen zu können. Das Amtsgericht Landau verurteilte den studierten Theologen im Juni 2009 wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe von 7500 Euro.