In seiner Erklärung schließt der neue Agraminister Lindemann eine Änderung landwirtschaftlicher Produktionsweisen aus - trotz Dioxin-Skandal.

Hannover. Niedersachsens neuer Agrarminister Gert Lindemann (CDU) will angesichts des Dioxin-Skandals keine Agrarwende einleiten. Ursache des Skandals seien keine Systemfehler oder falsche Strukturen, sondern kriminelles Handeln, sagte Lindemann nach seiner Vereidigung am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag in Hannover. Eine nostalgische Verklärung traditioneller Produktionsweisen diene weder der Landwirtschaft noch dem Verbraucher. Es sei Zufall, dass bislang keine Bio-Betriebe betroffen wären. Um die Verbraucher in Zukunft besser schützen zu können, müssten Bund und Länder vielmehr strengere Kontrollen und härtere Strafen durchsetzen. „In Fällen, in denen wenige Personen derartig immense Schäden durch kriminelles Handeln anrichten, müsste es nach meiner persönlichen Überzeugung auch durchaus zu Freiheitsstrafen kommen und nicht dazu, dass man mit einer Geldstrafe noch davonkommen kann.“ Den unverschuldet in Not geratenen Betrieben will Lindemann zudem helfen, Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligten, die sich kriminell verhalten haben, durchzusetzen. Niedersachsen trage den zeitgleich vom Bundeskabinett in Berlin beschlossenen Aktionsplan mit.

Darüber hinaus will Lindemann sich für bessere Tierschutzmaßnahmen im bestehenden Agrarsystem, etwa in der Massentierhaltung, stark machen. Es dürfe nicht sein, dass umstrittene Haltungsbedingungen etwa bei Geflügel als „nicht änderbar“ entschuldigt würden. Rückblickend auf die vergangenen Wochen verteidigte der 63-Jährige die Arbeit seines Ministeriums. Auch das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit habe „jede Information umgehend und professionell ausgewertet“. Nur aufgrund der „sorgfältigen Arbeit“ hätten die „kriminellen Machenschaften“ des Futtermittelwerkes in Damme überhaupt aufgedeckt werden können.

Im Gegensatz zum Lob des neuen Ministers hagelte es aus der Opposition harsche Kritik. „Wir befinden uns im Zentrum der größten Ernährungs- und Agrarkrise, die dieses Land erlebt hat“, sagte SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. „CDU und FDP – egal ob im Bund oder in Niedersachsen – schützen nicht diejenigen, die Lebensmittel brauchen und verbrauchen, sondern diejenigen, die damit Geschäfte machen“, kritisierte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Auch die Linke ließ kein gutes Haar am bisherigen Krisenmanagement. „Wer einen Pensionär zum Minister macht, hat wenig Vertrauen in die Restlaufzeit seiner Regierung“, spottete Fraktionschef Hans-Henning Adler.

Erwartungsgemäß erhielt die Landesregierung um McAllister und Lindemann nur aus den Reihen der Regierungsfraktionen Unterstützung und Lob. Der Dioxinskandal zeige den Unterschied zwischen Regierungshandeln auf der einen Seite und Oppositionsgeschwätz auf der anderen Seite, sagte CDU-Fraktionsspitze Björn Thümler. Auch sein FDP-Kollege Christian Dürr warf der Opposition einen „schamlosen, politischen Opportunismus auf dem Rücken der Betroffenen“ vor. Ministerpräsident David McAllister (CDU) hatte den Agrarexperten Lindemann im Dezember als Nachfolger für die kurz zuvor zurückgetretene Ministerin Astrid Grotelüschen (CDU) in das schwarz-gelbe Landeskabinett berufen. Der 63 Jahre alte Jurist gilt seit langem als ausgewiesener Agrarfachmann. Von 1983 bis 2003 arbeitete er als Referats- und Abteilungsleiter im Landwirtschaftsministerium in Hannover. Dann stieg er zum Staatssekretär auf. 2005 machte er Karriere im Bund, als Aigners Vorgänger Horst Seehofer (CSU) ihn nach Berlin holte.

Vor der Vereidigung am Mittwoch hatte Lindemann in einem Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gesagt, dass die Panscherei mit dioxinhaltigen Fetten in Tierfutter vermutlich weitaus länger gängige Praxis sei als seit März 2010. Der Dioxin-Skandal sei letztendlich wohl eine Panne beim illegalen und systematischen Vermischen technischer Fette mit Futterfetten. Anders lasse es sich nicht erklären, dass die Firma Harles und Jentzsch ihre Fette jeweils so lange beprobt habe, bis die Dioxin-Grenzwerte unterschritten wurden. Verboten ist das Vermischen kontaminierter und unbedenklicher Fette seit 2003.