Die Erkundung des möglichen Endlagers in Gorleben wird wieder aufgenommen. Das Landesamt in Hannover ordnete Sofortvollzug an.

Gorleben. Nur Stunden nach dem von massiven Protesten begleiteten Castortransport wurde bekannt, dass die Erkundungsarbeiten für das mögliche Atommüllendlager in Gorleben wieder aufgenommen werden können. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie hat am Dienstag in Hannover den Sofortvollzug angeordnet. „In Gorleben muss jetzt endlich Klarheit geschaffen werden, ob der Standort für die Endlagerung geeignet ist oder nicht“, sagte der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) nach Angaben seiner Sprecherin. Anwohner, die evangelische Kirche und Atomgegnern hatten vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg gegen die Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten für das mögliche Atommüllendlager in Gorleben geklagt. Diese Klagen hatten aufschiebende Wirkung. Mit Anordnung des Sofortvollzuges entfällt diese, teilte die Sprecherin mit. „Natürlich habe ich auch volles Verständnis für die Sorgen und Bedenken von Anwohnern und Klägern. Aber diesen berechtigten Anliegen kann besser durch Transparenz und Dialog begegnet werden, als durch gerichtliche Auseinandersetzungen“, sagte Sander. Er habe auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) aufgefordert, den Dialogprozess in der Region endlich in Gang zu setzen. Nahe des oberirdischen Zwischenlagers könnte in dem Salzstock in Gorleben das erste Endlager für hoch radioaktiven Atommüll entstehen.

Am 1. Oktober war die Erkundung nach zehnjähriger Unterbrechung wieder aufgenommen worden, die eigentliche Arbeiten haben aber bisher noch nicht begonnen. Gegen eine Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten hatten Greenpeace und die Rechtshilfe Gorleben geklagt, sowie unter anderem der Besitzer von Grundstücken über dem Salzstock, Andreas Graf von Bernstorff und die Kirchengemeinde Gartow.

Mit 92 Stunden dauerte bisher kein Castor-Transport länger. Er erreichte sein Ziel am heutigen Vormittag in Gorleben, doch die Diskussionen um den mit 92 Stunden längsten Atommülltransport halten an. Ein entscheidender Grund sind die Kosten, die in diesem Jahr voraussichtlich deutlich höher liegen als 2008. Vor zwei Jahren beliefen sie sich auf insgesamt 21,5 Millionen Euro. Für die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ist klar, dass die Abfallverursacher zur Kasse gebeten werden müssen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) machte deutlich, dass das Land nicht allein die Kosten tragen will.

Es geht auch um die Kosten für die Polizeieinsätze sowie eine mögliche Entschädigung für Beamte. Tausende Polizisten mussten zuletzt auch die Strecke für den Castor-Transport sichern. Für ihren mehrtägigen Einsatz im Wendland sollen die niedersächsischen Polizisten einen finanziellen Ausgleich bekommen. Sowohl Demonstranten als auch Polizisten waren am Ende des Transports auch mit ihren Kräften am Ende. Polizisten waren nach Angaben der Einsatzleitung bis zu 30 Stunden im Einsatz.

Die schwarz-gelbe Landeskoalition in Hannover kündigte am Dienstag „Entschädigungen“ von insgesamt einer halben Million Euro für Beamte an, die ihre Überstunden nur schwer abbauen können. „Das ist ein deutliches Zeichen an die Kollegen“, sagte CDU-Fraktionschef Björn Thümler bei Vorstellung der Planungen zum Landeshaushalt 2011. Union und FDP fordern weiterhin eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des Einsatzes.

Auch die politische Diskussion um Atomkraft geht weiter. „Der Castor-Zug ist in Gorleben eingetroffen, aber die Bundesregierung ist weiter denn je von ihrem Ziel entfernt, Akzeptanz für Atomkraft in Deutschland zu schaffen,“ sagte Robin Wood-Vorstand Florian Kubitz. DieMenschen im Wendland befürchten, dass das Zwischenlager zum atomaren Endlager werden könnte. Die Wut der Menschen richtet sich auch gegen die Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) stellte am Dienstag klar, dass alternative Standorte für ein Endlager erst erkundet würden, wenn Gorleben sich als ungeeignet erweise. „Man kann nicht zwei- oder dreimal Gorleben in Deutschland stemmen“, sagte er dem Nachrichtensender n-tv.

Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, forderte eine transparente und ergebnisoffene Suche nach einem Endlager. Er habe Zweifel an der Eignung von Gorleben, sagte er dem „Kölner Stadt- Anzeiger“ (Dienstag). Der Bundestag will am Mittwoch über die Demonstrationen im Wendland diskutieren.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den Atomkurs der Bundesregierung erneut heftig kritisiert . Der frisch gewählte EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider verurteilte am Dienstag den Castor-Transport nach Gorleben. „Man kann als demokratischer Staat nicht Politik gegen die Bevölkerung machen“, sagte Schneider in Hannover. „Die Staatsmacht muss den Bürger respektieren.“ Er halte es für falsch, die Laufzeiten der Atomkraftwerke angesichts der ungelösten Endlagerfrage zu verlängern. Die Gefahren des strahlenden Abfalls könne niemand ernsthaft verantworten.

Das Kirchenparlament forderte die Bundesregierung in einer Resolution am Dienstag auf, neben Gorleben weitere Standorte als Endlager für atomare Abfälle zu erkunden. Außerdem müsse am Zeitplan des 2001 vereinbarten Atomausstiegs festgehalten werden. Bei einem Unfall in einem Atomkraftwerk drohten unverantwortbare Gefahren.

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Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat ein insgesamt positives Fazit des Polizeieinsatzes beim diesjährigen Castor-Transport gezogen. Bei den Protesten an der Strecke ins Zwischenlager Gorleben habe eine „insgesamt friedliche Stimmung“ geherrscht, sagte Schünemann am Dienstag in Lüchow bei der Abschluss-Pressekonferenz zu dem mehrtägigen Einsatz. Dieser habe die Polizei „stark gefordert“, sei aber erfolgreich gewesen.

In der Frage um die Form der Demonstrationen, sagte der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, er befürworte Sitzblockaden gegen den Castor-Transport nach Gorleben als legitime Protestform. „Wenn es in dieser Weise geschieht, denke ich, ist es ein gutes Zeichen für unsere Demokratie“, sagte Schneider am Dienstag im ARD- „Morgenmagazin". Gewalttätige Auseinandersetzungen wie zwischen Atomkraftgegnern und Polizisten am Wochenende lehnte der rheinische Präses aber deutlich ab.

Bei den Protesten sowie Blockadeaktionen wurden nach Angaben von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) acht Menschen fest- und rund 1300 weitere in Gewahrsam genommen. 172 Strafverfahren seien eingeleitet worden, sagte der Minister. Die Gesamtzahl der Demonstranten in der Region bezifferte er auf 20.000 bis 25.000. Von diesen hätten sich etwa 4000 bis 5000 als „eventorientiert“ gezeigt und an Störaktionen beteiligen wollen. Darunter seien auch etwa 300 gewaltbereite Autonome aus dem linken Spektrum gewesen.

Insgesamt waren dem Innenminister zufolge rund 20.000 Polizisten im Einsatz. 78 seien bei Auseinandersetzungen mit Demonstranten leicht verletzt worden. Über die Zahl der verletzten Atomkraftgegner machte Schünemann keine Angaben.