Das Kabinett hat sich auf einen Entwurf zur Neuerung des Schulgesetzes geeinigt. Die Opposition fordert hingegen mehr Kontinuität für Schulen.

Kiel. Die Gymnasien in Schleswig-Holstein sollen vom nächsten Schuljahr an wählen dürfen, ob sie das Abitur nach acht oder neun Jahren anbieten. Dies sieht der Regierungsentwurf für ein neues Schulgesetz vor, auf den sich das schwarz-gelbe Kabinett am Dienstag in Kiel geeinigt hat. „Schleswig-Holstein setzt damit als erstes Bundesland den vielfach geäußerten Elternwillen um“, sagte Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP). Demnach soll an den Gymnasien auch ein Nebeneinander von „G8“ und „G9“ möglich sein. Die Umstellung auf das kürzere Abitur hatte Kritik wegen Überforderung von Schülern ausgelöst. Über das Angebot sollen Schulleiter, Schulkonferenz und der kommunale Träger entscheiden, im Konfliktfall das Ministerium. Es darf kein Mehrbedarf an Räumen und Personal entstehen.

Opposition und Lehrergewerkschaft GEW kritisierten den Gesetzentwurf als verzichtbar. Er wird den Landtag bei der Abstimmung Anfang nächsten Jahres auch nur dann passieren, wenn alle 48 Abgeordneten von CDU und FDP zustimmen: Schwarz-Gelb hat nur eine Stimme mehr als die Opposition.

Regelungen im Entwurf zielen darauf, die neuen Gemeinschafts- und Realschulen einander anzunähern. Sie sollen mittelfristig zu einer Schulart zusammenwachsen. Klug will auch auf sogenannte prophylaktische Abschlussprüfungen weitgehend verzichten. Wer am Gymnasium, an einer Gemeinschaftsschule oder auf dem Weg zum Realschulabschluss an einer Regionalschule in die 10. Klasse versetzt wird, bekommt automatisch den Hauptschulabschluss. Mit Versetzung in die 11. Klasse am Gymnasium gibt es den Realschulabschluss. Nur wer im ersten Halbjahr der 9. Klasse an einer Regional- oder Gemeinschaftsschule versetzungsgefährdet ist, muss eine Hauptschul- Abschlussprüfung machen.

Die Regelungen zur Länge des Abiturweges sind ein Kompromiss in der Koalition. Die CDU hoffe, dass möglichst wenige Schulen zum Abi nach neun Jahren zurückkehren, sagte Landesgeschäftsführer Daniel Günther. Minister Klug wollte keine Prognose darüber abgeben, wie viele Gymnasien sich für welches Modell entscheiden werden.

Die CDU-Bildungspolitikerin Heike Franzen sprach von einer deutlichen Verbesserung des Ursprungsentwurfes. Sie lobte, dass bei den Gymnasien die Verpflichtung nicht mehr vorgesehen ist, sowohl „G8“- als auch G9-Bildungsgänge in erreichbarer Nähe anzubieten. „Die zahlreichen kritischen Stimmen von Schülerinnen, Schülern und Eltern gegen die Belastung durch das G8-Abitur hat die FDP als Auftrag verstanden, auch wieder G9-Angebote zu ermöglichen“, argumentierte die FDP-Abgeordnete Cornelia Conrad.

Von der Opposition kam durchweg Kritik. „Es wäre klug von Minister Dr. Klug gewesen, wenn er seinen Schulgesetzentwurf in die Schublade gelegt und es dem künftigen Landtag überlassen hätte, grundsätzliche Änderungen am schleswig-holsteinischen Bildungswesen zu beschließen“, sagte SPD-Bildungsexperte Henning Höppner. Der Entwurf trage Unruhe und Verunsicherung in die Schulen. „Was die Schulen besonders brauchen, ist Kontinuität, Verlässlichkeit und Luft zum Atmen. Was das Kabinett den Schulen anbietet, sind Unruhe und Einsparungen“ meinte Anke Erdmann von den Grünen.

Der Minister habe ein Experiment gestartet, in dem die Schüler die Versuchsobjekte seien, monierte Ellen Streitbörger von der Linken. „Zum zweiten Mal in vier Jahren mutet eine Landesregierung Schleswig- Holstein eine Sowohl-als-auch-Schulreform zu“, beklagte SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk. „Die offizielle Marschrichtung von CDU und FDP lautet „Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden“. Das Ergebnis ist, dass die Kinder, Eltern und Lehrkräfte endgültig die Orientierung verlieren und gar nicht mehr wissen, wohin sie den Fuß als nächstes setzen sollen.“

Die GEW appellierte an die Koalition unter Hinweis auf die bis Herbst 2012 angeordnete Landtagsneuwahl, auf die Änderung des Schulgesetzes zu verzichten. CDU/FDP wollten das gemeinsame Lernen an Gemeinschafts- und Regionalschulen zurückdrängen, rügte der Landesvorsitzende Matthias Heidn. Sie ersetzten klare Strukturen durch Beliebigkeit.