Bad Nenndorfer Behörde untersagt beide Kundgebungen. Gewalt von links und rechts befürchtet. Gewerkschaftsbund will jetzt klagen
Bad Nenndorf. Weil mit vielen gewaltbereiten Demonstranten von beiden Seiten zu rechnen ist, hat der Landkreis Schaumburg gestern die Notbremse gezogen: Ausdrücklich wegen eines "polizeilichen Notstandes" wurde die für Sonnabend geplante Demonstration von Neonazis in Bad Nenndorf ebenso verboten wie die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angemeldete Gegendemonstration. "Wir wollen mit denen nicht in einen Topf geworfen werden", empörte sich unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung der hannoversche DGB-Chef Sebastian Wertmüller, der den Protest gegen den "Naziaufmarsch" seit Jahren entscheidend organisiert.
Auch die Evangelische Landeskirche Hannover, der Bad Nenndorfer Rat, Sportvereine und andere Initiativen hatten zu der Gegendemonstration aufgerufen. Und die Vorbereitungen laufen weiter, denn Wertmüller will in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht erreichen, dass unabhängig vom Verbot der Neonazi-Kundgebung die Gegendemonstration stattfindet: "Wir sehen uns nicht als Verursacher eines polizeilichen Notstandes."
Das sieht die Ordnungsdezernentin des Landkreises Schaumburg, Ursula Müller-Kratz, etwas anders. Sie verwies gestern darauf, dass nach polizeilicher Einschätzung bei erwarteten bis zu 1000 Neonazis rund 250 gewaltbereite autonome Nationalisten kommen werden, aber eben nicht nur bis zu 2000 Gegendemonstranten, sondern auch bis zu 500 gewaltbereite Linksextremisten. Sicherheitsbedenken gebe es vor diesem Hintergrund "eher beim DGB", zumal es da "eine Grauzone gibt, etwa bei der Distanzierung von Sitzblockaden". Tatsächlich bot der DGB gestern auf einer Pressekonferenz in Hannover auch Aktivisten eine Plattform, die zu Sitzblockaden für Sonnabend aufrufen.
Der DGB pocht darauf, es gelte zu verhindern, dass die Neonazis Bad Nenndorf zu einem Wallfahrtsort machen. Die Ordnungsdezernentin dagegen wirbt um Verständnis dafür, dass dies keine Rolle spielen kann bei Demonstrationsverboten: "Wir haben nicht Inhalte zu werten, sondern Sicherheitsfragen."
Tatsächlich hat die Neonazi-Szene in den vergangenen Jahren begonnen, eine Tradition zu begründen. Nachdem die jährlichen Gedenkfeiern in Wunsiedel für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß vom Bundesverfassungsgericht verboten worden waren, kamen 2006 erst rund zwei Dutzend Neonazis zu einer Mahnwache vor einem ehemaligen Verhörzentrum der britischen Armee aus den Jahren nach 1945. Britische Behörden haben später eingeräumt, dass dort deutsche Häftlinge misshandelt worden sind, und denen widmet nun die rechte Szene ihren "Trauermarsch".
Im vergangenen Jahr kamen bereits über 800 Neonazis. In diesem Jahr wird nach DGB-Recherchen erstmals bundesweit und sogar international mobilisiert. Nachdem die Polizei den Neonazis im vergangenen Jahr schwarze Kleidung verboten hatte und Kundgebungsteilnehmer sogar mit weißen T-Shirts ausstattete, versuchen die Neonazis jetzt, daraus einen regelrechten Kult zu machen. Im Internet werden weiße Hemden für Teilnehmer empfohlen: "Dies macht ein gutes Bild und garantiert gute Außenwirkung."
Zudem haben die Organisatoren nach Darstellung des DGB weiße T-Shirts hergestellt, auf denen Gedichtverse eines führenden nationalsozialistischen Propaganda-Autors aus der Zeit vor 1945 abgedruckt sind. Textprobe: "Im braunen Hemd, im weißen Hemd brennt gleich für Deutschland unser Blut."