Der Proteststurm gegen die Sparpläne der Koalition in Schleswig-Holstein zeigt Wirkung. Manche Pläne kosten mehr, als sie einbringen.
Kiel. In der schwarz-gelben Koalition in Schleswig-Holstein macht sich nach dem Jubel über den Sparkurs langsam Ernüchterung breit. Einige Maßnahmen wie die Schließung des Fachbereichs Medizin an der Uni Lübeck drohen in einem Proteststurm zu scheitern. Andere Projekte wie der Ausstieg aus dem Kieler Flughafen entpuppen sich als Millionengrab. Das Land muss zunächst zahlen, um später sparen zu können.
"Es gibt tatsächlich einige Projekte, die sich erst mittel- bis langfristig auszahlen", bestätigte der Sprecher des Kieler Finanzministeriums, Walter Lohse. Als Beispiel nannte er Pläne, Beamte in Vorruhestand zu schicken und Angestellten mit Abfindungen einen Abschied aus dem Landesdienst schmackhaft zu machen. Beide Angebote würden das Land zwar etwas kosten, sich durch die Einsparung der Stellen aber letztlich rentieren.
In Vorleistung muss das Land auch beim Kieler Flughafen treten, um seine Anteile (55 Prozent) an dem defizitären Airport (1,3 Millionen Euro im Jahr) loszuwerden. Im Landeshaus wird erwartet, dass die Stadt Kiel den Flughafen nur übernimmt, wenn Landesmillionen in die Landeshauptstadt fließen. Eine Schließung des Airports, auf dem 2006 der letzte Linienflieger abhob, könnte noch teurer werden. Der vertraglich vorgeschriebene Rückbau des Flughafens dürfte etwa 6,3 Millionen Euro kosten. Zudem müssten Stadt und Land das Flughafengelände von Altlasten befreien und Fördergelder an den Bund zurückzahlen.
Kaum besser sieht es bei den Landeshäfen aus. Das Kabinett will die Häfen in Glückstadt, Husum, Tönning und Friedrichstadt den Städten überlassen oder sie privatisieren. Interesse hat bisher nur Glückstadt angemeldet. Der Ort will den Binnenhafen übernehmen, dem Vernehmen nach allerdings erst nach teuren Zusagen des Landes. Was aus den anderen Häfen wird, ist offen. Bei einer Schließung könnte das Land zwar die Betriebskosten (bis zu drei Millionen Euro) sparen, sich aber teure Folgeprobleme einhandeln, weil mit einem Hafen nicht nur Liegeplätze für Schiffe verschwinden.
Diese bittere Erfahrung musste die Regierung nach ihrem Beschluss machen, den Hafen in Friedrichskoog abzuwickeln und so den Unterhalt (gut 600 000 Euro im Jahr) einzusparen. Im Hafen liegen nicht nur Krabbenkutter, er ist zugleich das Entwässerungsbecken für etwa 4000 Hektar Hinterland. Die Gemeinde Friedrichskoog hat das Land bereits aufgefordert, den Küstenschutz im Fall der Schließung und Versandung des Hafens sicherzustellen und ein Schöpfwerk zu bauen. Kosten: 7,6 Millionen Euro.
Alarm schlug auch die Seehundstation in Friedrichskoog. Die populäre Einrichtung mit 170 000 Besuchern jährlich pumpt für ihre Heuler bisher Wasser aus dem Hafen und bräuchte eine Pipeline in die Nordsee. Ein Finanzexperte der Regierung räumte ein, dass man in Kiel nicht alle Sparfolgen im Blick gehabt habe. Einziger Trost: Der Hafen Friedrichskoog wird nach einem Toresschluss nur langsam versanden. Es bliebe also Zeit, für die Seehunde eine andere Wasserquelle zu finden.
Mindestens einen Haken gibt es auch bei vielen anderen Sparmaßnahmen, so etwa dem Beschluss des Kabinetts, die kleinen Gefängnisse in Itzehoe, Rendsburg und Flensburg dichtzumachen. Das Sparvolumen kann das Justizministerium bisher nicht beziffern. "Wir sitzen an Modellrechnungen", sagte Sprecher Oliver Breuer. Beispiel Flensburg: Bei der geplanten Schließung der Haftanstalt (69 Plätze) in drei Jahren spart das Land zwar die bis 2020 fälligen Sanierungskosten von zehn Millionen Euro. Die 80 Vollzugsbeamten blieben aber im Landesdienst und mit ihren Kollegen ständig auf Achse. Sie müssten in einer Justiz-Rallye Untersuchungshäftlinge aus Gefängnissen in Neumünster oder Kiel zu Prozessen nach Flensburg fahren.
Zu den Sparbeschlüssen mit Fragezeichen gehört auch der Verkauf der Landesanteile an der AKN. Die Traditionsbahn erhält bisher einen Jahreszuschuss von etwa 16 Millionen Euro von den Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg, hat aber keinen Verkehrsvertrag. Von ihm hängt der Verkaufserlös ab. Klar ist, dass die AKN größtenteils in Schleswig-Holstein fährt und das Land so oder so auch künftig kräftig zahlen muss.
In der Regierung wird angesichts der vielen offenen Sparfragen bereits über weitere Maßnahmen nachgedacht. So brachte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) mittelfristig eine Anhebung der Grunderwerbssteuer ins Spiel. Vor anderen möglichen Einschnitten schreckt die schwarz-gelbe Koalition noch zurück, etwa vor der Einführung von Studiengebühren oder vor einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit für Beamte auf 42 Stunden.