Nach dem Defekt an einer Kühlwasserpumpe fordern Parteien in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nun den Entzug der Betriebserlaubnis.

Kiel/Hannover. Erst kam die Panne, dann die Debatte: Am Mittwoch meldeten Betreiber Vattenfall und die Atomaufsicht in Kiel einen weiteren Defekt des abgeschalteten Kraftwerks Krümmel, drei Stunden später diskutierte der Landtag in Kiel über diesen Pannenreaktor und den ebenso problembehafteten Meiler in Brunsbüttel. Wie so oft spaltete die Atomenergie auch diesmal den Landtag. Aufgrund einer Pannenserie und zahlreicher technischer Mängel sind Krümmel und Brunsbüttel seit Sommer 2007 fast durchweg vom Netz. Wann die Reaktoren wieder angefahren werden können, ist völlig offen. Aus Krümmel wurde am Mittwoch ein Leck im Gehäuse einer Kühlwasserpumpe gemeldet, das bei Inspektionsarbeiten festgestellt wurde. Die Parlamentsdebatte war schon vorher angesetzt.

Atomaufsichtsminister Emil Schmalfuß (parteilos) sprach sich gegen generelle, pauschale Laufzeitverlängerungen für alle Reaktoren aus. Er begründete dies mit den Erfahrungen gerade mit älteren Anlagen. Im Einzelfall könnten Reststrommengen von älteren auf neuere Kraftwerke übertragen und ältere Reaktoren vorzeitig vom Netz gehen, sagte Schmalfuß. Er warf erneut die Frage auf, ob Vattenfall ein zuverlässiger Betreiber ist. „Geprüft werden Aspekte der Organisation, der Administration und Kommunikation, das Zusammenwirken von Mensch und Maschine, das Sicherheitsmanagement.“ Seinen Antrag, Reststrommengen von Krümmel auf Brunsbüttel zu übertragen, zog der Konzern inzwischen zurück.

„Versorgungssicherheit durch Atomstrom ist ein Märchen“, sagte Detlef Matthiessen von den Grünen. „Falsche und falsch eingebaute Dübel, Risse in Leitungen, Risse in Armaturen, ein Großbrand des Maschinentransformators, dessen Ursache bis heute nicht geklärt ist“, listete er auf. Nur stillgelegte Reaktoren seien sicher.

Die Atomkraftwerke seien das Rückgrat der norddeutschen Energieversorgung, sagte der Brunsbütteler CDU-Abgeordnete Jens Magnussen. „In den vergangenen zwölf Jahren wurden insgesamt rund zwei Milliarden Euro in beide Kraftwerke (Krümmel und Brunsbüttel) investiert.“ Wenn die Sicherheit gewährleistet sei, stehe einem Weiterbetrieb der Kraftwerke nichts im Wege. „An erster Stelle steht die Sicherheit“, betonte Magnussen. Den Vorwurf, für die CDU stünden wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund, wies er zurück.

Laufzeitverlängerungen würde massive Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Atomindustrie bedeuten, sagte der SPD-Abgeordnete Olaf Schulze. Die Pannenreaktoren müssten sofort und die anderen Kraftwerke nach dem geltenden Atomkonsens abgeschaltet werden. „Was nachgewiesenermaßen ständig nicht funktioniert, darf auch nicht ans Netz gehen“, sagte Lars Harms vom SSW. Oliver Kumbartzky von der FDP mahnte eine ideologiefreie Energiepolitik an. Die Linke Ranka Prante forderte, die Atomkraftwerke auf Kosten der Betreiber abzubauen.

Sorge auch in Niedersachsen

In Niedersachsen macht das Pannen-Atomkraftwerk Krümmel Politikern aller Parteien Sorge. Der Forderung nach der endgültigen Stilllegung des Reaktors haben sich im Landtag aber nicht alle Fraktionen angeschlossen. Auch Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), der sich noch vor wenigen Monaten sehr kritisch zur Zukunft des Reaktors bei Hamburg geäußert hatte, wollte sich dem Antrag der Grünen-Fraktion nicht anschließen.

Diese hatte von der Landesregierung gefordert, sich für ein Abschalten von Krümmel einzusetzen. Außerdem solle dem Betreiber Vattenfall wegen Unzuverlässigkeit die Betriebsgenehmigung entzogen werden. Immer wieder komme es im Kraftwerk Krümmel zu Zwischenfällen, der Betreiber arbeite unzuverlässig und im Umkreis häuften sich Leukämiefälle – damit hatten die Grünen ihren Antrag gegen Krümmel begründet. Unterstützung erhielten sie von der SPD und der Linksfraktion.

CDU und FDP argumentierten, zuständig für die Betriebsgenehmigung und damit das Schicksal von Krümmel sei das Land Schleswig-Holstein, niedersächsisches Agieren somit überflüssig. Zur Auffälligkeit der Blutkrebserkrankungen zitierten beide Lager gegensätzliche Untersuchungen – einen Zusammenhang zwischen den Leukämie-Fällen und dem Atomkraftwerk gebe es nicht, sagte Minister Sander.

Einigkeit statt Streit gibt es indes bei niedersächsischen Regionalpolitikern beim Thema Krümmel – Abgeordnete von SPD und CDU berichteten von einer Resolution aller Parteien im Harburger Kreistag. Dort war Schleswig-Holstein aufgefordert worden, Vattenfall die Betriebserlaubnis zu entziehen. Ein ähnlicher Konsens wie in der Region wird nun auch auf Landesebene angestrebt: Statt über den Antrag der Grünen abzustimmen wurde der Umweltausschuss beauftragt, eine Forderung nach Entzug der Betriebserlaubnis zu prüfen, der sich möglicherweise alle Parteien anschließen können.