Anti-Atom-Bewegung in der Klemme: Es gibt viele Unterstützer, aber die Regierung drängt zur Wiederaufnahme der Gorleben-Erkundung.

Hamburg/Gorleben. Die Anti-Atom-Bewegung im niedersächsischen Wendland steckt in einer vertrackten Situation. Im 33.Jahr ihres Bestehens können sich die von Endlagerplänen für hochradioaktiven Atommüll in Gorleben bedrängten Landwirte und Umweltschützer so vieler Unterstützer sicher sein wie zuletzt in den bewegten 70er und 80er Jahren.

Bereits im September war das Wendland wieder Keimzelle für einen Anti-Atom-Treck Zehntausender nach Berlin. Ungeachtet des Protestes treibt die schwarz-gelbe Bundesregierung die Wiederaufnahme der Gorleben-Erkundung nun mit Hochdruck voran. „Dass die sich nicht schämen“, sagte Monika Tietke von der Bäuerlichen Notgemeinschaft, in der Landwirte gegen die Endlagerpläne im Wendland kämpfen. Die Pläne von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), den Salzstock Gorleben vorrangig als mögliches Endlager erkunden zu wollen, seien unverantwortlich.

„Niemand auf dieser Welt weiß, wie man den Müll handeln kann.“ Die Festigkeit des Salzgesteins ist umstritten. Gegner und Experten sehen die Gefahr, dass Radioaktivität über eindringendes Grundwasser freigesetzt werden könnte. Sie fordern einen Eignungsvergleich mit anderen Gesteinsformationen wieTon oder Granit nach einem festgelegten Kriterienkatalog. Röttgen will Alternativstandorte aber nur dann prüfen, wenn Gorleben neuen Sicherheitsanalysen und wissenschaftlichen Untersuchungen nicht standhält. 1,5 Milliarden Euro sind bereits in den Salzstock geflossen, weshalb die Gegner lieber von Ausbau als von Erkundung sprechen.

Das Bundesumweltministerium erwäge nun, die Betreiber-Zuständigkeit für den Salzstock Gorleben zu ändern, heißt es in Koalitionskreisen. Diese könnte vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf einen Privatentsorger der Atomwirtschaft übergehen. „Würden diese Pläne umgesetzt, dann führen diejenigen, die den Atommüll produzieren, auch noch Regie bei der Endlagersuche“, kritisierte Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg. Gorleben solle offenbar möglichst billig als Endlager ausgebaut werden. Diesen Plänen könnte der Chef des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter, Wolfram König, im Weg stehen.

„Es ist bekannt, dass er für eine vergleichende Suche, eine ergebnisoffene echte Suche nach einem Endlager eintritt“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, die aus dem Wendland stammt, dem Radiosender „NDR Info“. König mache beim Thema Sicherheit keine Kompromisse. „Die drehen sich alles hin, wie sie es brauchen“, kritisierte auch Monika Tietke das Bundesumweltministerium.

Wenn einem Landwirt die Baugenehmigung für einen Stall verwehrt bleibe, könne dieser auch nicht einfach eine neue Baubehörde gründen. In den kommenden Monaten soll ein Bundestagsausschuss dem Verdacht nachgehen, dass die Standortbestimmung Gorlebens 1977 rein politischer Natur war und wissenschaftliche Gutachten manipuliert worden sind. Der von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 verhängte Erkundungsstopp für Gorleben läuft in diesem Jahr aus. Zur Wiederaufnahme der Erkundung soll der Rahmenbetriebsplan verlängert werden. Dagegen wolle die Anti-Atom-Bewegung klagen und protestieren, sagte Tietke. „Das werden wir so nicht hinnehmen, es wird ein heißes Frühjahr.“