Der 57 Jahre alte Mann wurde von Passanten im Stadtwald Eilenriede gefunden. Bundesweit ist er der 16. Kältetote in diesem Winter.
Hannover. Zwei rote Kerzen brennen auf den runden Tischen in der kargen Einrichtung „Mecki“ für Obdachlose – in Gedenken an einen von ihnen, der den eisigen Temperaturen auf einer Parkbank zum Opfer fiel.
Bert ist der erste Mensch seit mehr als 33 Jahren, der in Hannover erfroren ist. Passanten hatten den Mann am Mittwochabend halb sitzend, halb liegend in dem großen Stadtpark in der niedersächsischen Landeshauptstadt entdeckt.
Trotz der Kerzen und der warmen Worte bleibt der 57-Jährige nahezu anonym – niemand kannte ihn wirklich. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Bielefeld ist Bert der bundesweit 16. Kältetote in diesem Winter, so viele wie seit 13 Jahren nicht mehr.
„Er war ein Einzelgänger, sehr verschlossen und mied Gruppenansammlungen. Er wollte alleine sein und entzog sich zumeist den Hilfeangeboten“, sagt Gottfried Schöne vom Diakonischen Werk in Hannover am Donnerstag mit belegter Stimme.
Er kannte den Mann, der seit 1989 auf der Straße, oder wie es Fachjargon heißt, „auf der Platte“ lebte, persönlich. „Wenn ich ihn aber in den letzten Jahren angesprochen habe, drehte er sich meist um und ging weiter.“ Bert war einer von einer Handvoll Obdachlosen, die trotz der frostigen Temperaturen partout keinen Schutz in den Notunterkünften suchte. Nur ganz selten kam Bert in den vergangenen Jahren ins „Mecki“, um sich medizinisch versorgen zu lassen.
„Die Medikamente, die ihm sein Hausarzt verschrieben hat, wollte er nicht nehmen“, erläutert der Leiter des Diakonischen Werks Hannover, Pastor Hans-Martin Jost. Dabei seien seine Beine vom ständigen Stehen und Schlafen im Sitzen voll Wasser und offener Stellen gewesen.
„Der Körper ist extrem geschwächt und daher auch extrem gefährdet Schaden zu nehmen.“ Hinzu kamen immer tiefere psychische Probleme. „Bereits nach einem Jahr auf der Straße verändert sich die Psyche des Menschen enorm“, sagt Jost. „Wir können diese Menschen mit dem überlebenswichtigsten Dingen versorgen und sie auch ein wenig drängen, von der Straße wegzukommen“, sagt Sozialarbeiter Joachim Teuber. Entscheiden müsse sich jedoch jeder selbst.
„Und Bert hat sich für die Straße entschieden.“ Und letztlich für den Tod. Bert habe zu den wenigen der bis zu 300 Obdachlosen in Hannover gehört, die sich der Gesellschaft komplett verweigert hätten. „Eine Massenunterkunft lehnen diese Menschen ab. Aus Stolz, Scham, Angst vor Gewalt und Diebstahl und auch vor dem Verlust der wenigen Würde, die sie noch haben.“
Dabei gibt es in Hannover ausreichend Notunterkünfte für die Nacht und auch warme Tageseinrichtungen. Aber diese seien nicht komplett ausgelastet, sagt eine Stadtsprecherin. So sei auch der durch die Stippvisite von Enthüllungsjournalist Günter Wallraff berühmt gewordene „Bunker“, der insgesamt 40 Schlafplätze bietet, nur zu einem Viertel gefüllt.
Auch in den Notunterkünften in Bremen ist noch ausreichend Platz. „Unsere Streetworker haben engen Kontakt zu denen, die Platte machen und draußen übernachten. Aber natürlich können wir nicht garantieren, dass nicht auch bei uns ein Mensch erfriert, denn mit jedem Tag länger steigt die Gefahr dafür“, sagt Bertold Reetz von der Inneren Mission, die sich in der Hansestadt um die rund 300 Obdachlosen kümmert. Viele schlüpften im Moment bei Freunden oder Kumpels unter. „Aber wir fragen schon: Wo sind die eigentlich alle? Halten die alle durch?“