Für Carstensen liegt die Schmerzgrenze bei 33,3 Prozent. Gewinnt Schwarz-Gelb, dürfte Stegner nach Berlin wechseln.
Kiel. Für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (62, CDU) und seinen Herausforderer Ralf Stegner (49, SPD) geht es am Sonntag um alles oder nichts. Beide müssen die Landtagswahl unbedingt gewinnen, um weiter sicher im Sattel zu sitzen. Im Fall einer Niederlage droht beiden in ihren Parteien eine Palastrevolte.
Mehr zittern muss der Ministerpräsident. Die CDU kommt nach den letzten Umfragen, die vor dem TV-Duell erhoben wurden, auf nur noch 31 bis 33 Prozent. Die Schmerzgrenze liegt für die Union bei genau 33,3 Prozent. Mit diesem Ergebnis war die CDU 1988 abgestraft worden - bei der Wahl nach der Kieler Affäre.
Der erneute Absturz geht auch auf das Konto von Carstensen. Seit dem Koalitionsbruch im Juli und dem Rauswurf der SPD-Minister sind die Popularitätswerte des Ministerpräsidenten dramatisch gesunken. Landet die CDU am Wahlabend hinter der SPD (25 bis 28 Prozent), wäre Carstensens Schicksal so gut wie besiegelt. Er müsste die Verantwortung für die Schlappe übernehmen und wohl das Feld räumen.
Entscheidend sind aber nicht nur die Prozentwerte, sondern auch die Machtoption. Reicht es für eine Regierung mit der FDP (14 bis 16), kann Carstensen durchatmen. Eng wird es für ihn, wenn er neben den Liberalen einen weiteren Partner braucht, etwa die Grünen (11 bis 13) oder den SSW (4 bis 5).
Im Fall einer solchen Dreier-Regierung dürfte in der CDU eine hitzige Debatte über Carstensen aufflammen, zumal es eine Alternative gibt. Umweltminister Christian von Boetticher (38) steht in den Startlöchern. Ihm wird zugetraut, mit FDP und Grünen eine Jamaika-Koalition zu schmieden. Carstensen selbst nährte Spekulationen über seinen Rückzug. In seinem Alter mache man sich "schon mal Gedanken", sagte er "Ich habe viel von meiner Gesundheit verloren." Der Friese stellte zugleich klar, dass ihm der Job Spaß mache und er bis zur nächsten Wahl 2014 regieren wolle.
SPD-Chef Stegner denkt nicht ans Aufhören und muss den Wahlabend weniger fürchten als noch Anfang des Monats. Eine Dänen-Ampel (SPD, Grüne, SSW) hat zwar keine Umfragemehrheit, die Nord-SPD steht inzwischen aber etwas besser da als die Bundespartei. Das ist die Messlatte für die SPD und wichtiger als das vielleicht schlechteste Wahlergebnis seit Kriegsende.
Sicher sitzt Stegner allerdings nicht auf seinem Sessel. Dem Parteichef wird in der SPD weiterhin vorgeworfen, Streit in die Große Koalition getragen und so ihren Bruch provoziert zu haben.
Diese Debatte dürfte im Fall eines CDU/FDP-Wahlsiegs zu einem Scherbengericht für Stegner führen. Etwas besser käme der SPD-Chef davon, wenn er Schwarz-Gelb verhindern könnte. Ob das die Genossen allerdings darüber hinwegtrösten würde, dass die SPD nach 21 Regierungsjahren in die Opposition muss, ist fraglich. So wird in der SPD darüber spekuliert, ob es für Stegner nicht einen anderen Spitzenjob gibt, etwa den des SPD-Generalsekretärs in Berlin.
Das letzte Wort haben am Sonntag die Wähler. Rund 2,2 Millionen Schleswig-Holsteiner sind zur Landtags- und zur Bundestagswahl aufgerufen. Ausgezählt wird zunächst das Bundesergebnis. Wer Schleswig-Holstein regiert, könnte sich im Fall einer deutlichen Mehrheit im Laufe des Abends zeigen. Klarheit gibt es spätestens am frühen Montagmorgen gegen 1.30 Uhr.