126.000 Fässer mit radioaktiven Abfällen rosten seit den 1970er-Jahren in dem brüchigen Salzbergwerk Asse in Remlingen vor sich hin.
Remlingen. Der Vorgang ist ungewöhnlich: "Mit "rechtlichen Schritten" hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel am Freitag dem Helmholtz-Zentrum in München gedroht, wenn diese staatliche Forschungseinrichtung nicht umgehend im Wege der Amtshilfe alle Akten zum maroden Atomendlager Asse in Remlingen bei Wolfenbüttel herausrückt. Und so ungeschminkt wie diese Drohung ist auch das Fazit, das Gabriel im Info-Zentrum der Asse über die Arbeit des Helmholtz-Zentrums zog: "Hier ist versucht worden, billige Entsorgung zu organisieren, und der Staat hat mitgemacht".
Die Konsequenz: 126 000 Fässer mit radioaktiven Abfällen rosten seit den 70er-Jahren in dem brüchigen Salzbergwerk vor sich hin, es gibt Grenzwertüberschreitungen bei der radioaktiven Strahlung, Laugenzuflüsse vergrößern die Einsturzgefahr. Weil drei ehemalige Asse-Bergleute an Krebs erkrankt sind, prüft die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
Seit dem 1. Januar führt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) nun Regie in der Asse, und dessen Präsident Wolfram König bestätigt: "Es hat Mängel beim Strahlenschutz gegeben." Weswegen nun überprüft werden soll, ob diese Mängel auch zu Erkrankungen geführt haben.
Die örtlichen Bürgerinitiativen, aber auch der Landrat von Wolfenbüttel, Jörg Röhmann, waren mit dem atomkritischen Auftritt des Ministers und SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Wolfenbüttel aber noch aus einem anderen Grund zufrieden. "Egal, was es kostet", wird der Atommüll wieder aus der Asse herausgeholt, wenn die jetzt laufenden zusätzlichen Gutachten ergeben, dass anders die Langzeitsicherheit für den Atommüll nicht gewährleistet ist. Wenn die Atomwirtschaft sich an den dann zu erwartenden mindestens zwei Milliarden Euro Kosten nicht freiwillig beteiligt, so der bereits auf einen Bundestagswahlkampf mit dem Schwerpunktthema Endlagerung orientierte Minister Gabriel, wird eine neue SPD-geführte Bundesregierung nach der Wahl eine Brennstoffsteuer auf Uran erheben. Für Gabriel ist klar, dass mit den Abfällen Jahrzehnte falsch umgegangen worden ist, "fahrlässig und vielleicht sogar vorsätzlich", dafür könne man die Folgekosten nicht einfach den Steuerzahlern aufbürden.
Der Minister machte aber auch klar, dass die vor Ort geforderte Rückholung aller Abfälle eine Kehrseite hat. Dann nämlich würden die gefährlich strahlenden Fässer nur 25 Kilometer weiter in das neue Endlager Schacht Konrad in der Nachbarstadt Salzgitter kommen, wo es ebenfalls Widerstand gibt. Salzgitter gehört pikanterweise auch zu Gabriels Wahlkreis.