Die SPD sprach in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des Gerichtshofs von einem „guten Tag für die Demokratie“.
Bückeburg. Die niedersächsische Landesregierung hat mit einer nachlässigen Recherche zur Wulff-Affäre gegen die Landesverfassung verstoßen. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg entschied am Montag, dass die Regierung die in der Verfassung beschriebene Antwortpflicht gegenüber dem Landtag verletzte. Direkte Konsequenzen hat das Urteil nicht. Dennoch dürfte die Entscheidung im bevorstehenden Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Die Landesregierung will nun Fragen im Parlament vorsichtiger beantworten.
Die Richter am Staatsgerichtshof mussten konkret über eine Beschwerde der SPD-Fraktion entscheiden. Diese hatte beklagt, dass Informationen der Landesregierung bei der Aufklärung der Affäre um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff nur schleppend herausgegeben wurden. Konkret ging es um die Frage nach einer Beteiligung des Landes an der Prominenten-Party Nord-Süd-Dialog im Dezember 2009 in Hannover. Sowohl die Landesregierung des früheren Ministerpräsidenten Wulff als auch die jetzige unter David McAllister (beide CDU) hatten das im Parlament verneint.
Durch spätere Erkenntnisse wurde aber klar, dass die Veranstaltung aus der Staatskanzlei heraus mitorganisiert wurde und auch Landesbetriebe an der Ausrichtung beteiligt waren. Insbesondere der Ex-Sprecher von Wulff, Olaf Glaeseker, war intensiv an den Vorbereitungen der Veranstaltung beteiligt. Nach Artikel 24 der Landesverfassung müssen die Abgeordneten von der Landesregierung „nach bestem Wissen, unverzüglich und vollständig“ unterrichtet werden.
Die Landesregierung hätte „mehr Nachforschungen anstellen“ oder ihre Antwort mit einem „ausdrücklichen Vorbehalt“ versehen müssen, begründete der Präsident des Staatsgerichtshofs, Jörn Ipsen, die Entscheidung des Gerichts. Eine später erfolgte Aufklärungsarbeit der Landesregierung könne nicht als ein solcher Vorbehalt gesehen werden.
Einen Tag nach der Beantwortung der Frage hatte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) im Parlament eingeräumt, dass die landeseigene Medizinische Hochschule Hannover (MHH) Service-Kräfte für die Party bereitgestellt habe. Der Finanzminister hatte stets betont, dass ihm das zuvor nicht bekannt gewesen sei.
Landesregierung will vorsichtiger sein – SPD jubelt
Mit der Entscheidung des Staatsgerichtshofs könne er nichts anfangen, sagte Möllring am Montag. „Das Urteil ist nicht hilfreich.“ In Zukunft werde wohl jede Regierung ihre Antwort unter den Vorbehalt setzen und betonen, nur das sagen zu können, was man bislang wisse, mutmaßte der Finanzminister, der direkt nach dem Urteil Ministerpräsident McAllister telefonisch über die Entscheidung informierte. Ein Sprecher der Landesregierung bestätigte später Möllrings Mutmaßung. Künftig werde man bei ähnlichen Fällen im Landtag vorsichtiger sein und in Antworten „einen Vorbehalt aufnehmen oder Fristverlängerung beantragen“.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Schostok sprach von einer „klatschenden Niederlage für die Landesregierung“ und einer „dramatischen Entscheidung“, die richtungsweisend für die parlamentarische Demokratie in Deutschland sei. „Das muss auch Konsequenzen für die Politik und den Umgang der Landesregierung mit dieser Affäre haben“, betonte er.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sieht nun auch die Glaubwürdigkeit von McAllister beschädigt. „Das ist eine schwere Rüge für Ministerpräsident McAllister, der sich schützend vor seinen Amtsvorgänger Christian Wulff stellen wollte“, sagte er.
Im bevorstehenden Wahlkampf wird das Urteil den Sozialdemokraten wohl Rückenwind geben. Der SPD-Landtagsabgeordnete Heiner Bartling machte deutlich: „Eindeutig hat die Landesregierung gegen die Verfassung verstoßen. Das hat mit Wahlkampf erstmal nichts zu tun. Aber, dass das ein Schlaglicht wirft auf das Verhalten dieser Regierung gegenüber dem Parlament, das wird auch in der politischen Auseinandersetzung eine Rolle spielen.“