Die Hoffnung war groß: Ökostrom für Millionen Haushalte und Zehntausende neue Arbeitsplätze. Doch die erste Euphorie ist verflogen.

Bremerhaven/Emden. Die Euphorie um die Windenergie auf hoher See weicht zunehmend Enttäuschung und Sorgen. Nach dem Aufbau von Fabriken und Hafenanlagen ist die Installation von geplanten 5000 Windrädern in der deutschen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee ins Stocken geraten. Nicht erst die Insolvenz des Fundamentherstellers Siag-Nordseewerke in Emden mit 700 Mitarbeitern hat die Politik in den Nordländern aufgeschreckt.

So sucht der Offshore-Pionier Bard seit Monaten nach Investoren. Die Rotorblattfertigung in Emden ist ausgelaufen, bei der Stahlbautochter CSC in Cuxhaven fehlen Folgeaufträge. Das kleine Bundesland Bremen ist mit seinem Plan gescheitert, einen Terminal für die Offshore-Industrie in Bremerhaven privat finanzieren zu lassen und muss nun doch Steuergeld für das 200 Millionen Euro schwere Projekt in die Hand nehmen – Geld, das es nicht hat.

Im alten Fischereihafen der vom Strukturwandel gebeutelten Stadt sind die Akteure der Offshore-Branche inzwischen alle mit neuen Werkshallen vertreten. Auf den Höfen lagern fertige Maschinenhäuser, Flügel, Fundamente und Turmsegmente. Doch der Aufbau auf See kommt nicht wie erhofft voran. Es geht nach wie vor um Verzögerungen beim Netzausbau und die Übernahme von Ausfallrisiken.

Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) nennt die Lage „wenig ermutigend“. Derzeit drehen sich auf See erst etwas mehr als 50 Anlagen mit zusammen rund 200 Megawatt Leistung, sagt der Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB, Ronny Meyer. Etwa 14 000 Menschen arbeiten in der Branche.

In Cuxhaven hat der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) gerade die Erweiterung des größten europäischen Offshore-Basishafens eröffnet. Über den Terminal werden aktuell zwei Windparks verschifft. Mit Blick auf den boomenden englischen Offshore-Markt mahnt der stellvertretende Leiter der Wirtschaftsförderung Cuxhaven, Jürgen von Ahnen: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir unseren Technologie- und Erfahrungsvorsprung verlieren.“

Die Ankündigung von Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU), das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu reformieren, habe Investoren verunsichert, kritisiert Meyer. „Dadurch werden notwendige Investitionen in die Offshore-Windparks verzögert.“

Die Debatte wird zunehmend zu einem Konflikt zwischen den norddeutschen Bundesländern und dem Süden. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) warf Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) „knallharte Regionalpolitik“ vor. Ähnliches ist vom Kieler Regierungschef Torsten Albig (SPD) zu hören.

Böhrnsen kritisiert, der Süden zeige inzwischen Autarkiedenken bei der Energieversorgung. „Zielführend ist das nicht: Was wir brauchen, ist vielmehr ein länderübergreifender Konsens zur Nutzung der erneuerbaren Energien dort, wo sie besonders günstig und verlässlich verfügbar sind.“ Beim Wind sei das eindeutig der Norden.

Mit einem in der vergangenen Woche eröffneten Büro in Berlin versucht die Offshore-Wind-Industrie-Allianz (OWIA), ein Zusammenschluss von Unternehmens-Netzwerken, ihren Einfluss zu stärken. Alle Nord-Ministerpräsidenten betonen ihre Einigkeit beim Thema Offshore. Und doch senden die Küstenländer auch andere Signale aus. Hamburg will neben der etablierten Windenergie-Messe im schleswig-holsteinischen Husum 2014 eine Konkurrenzveranstaltung anbieten. Das hat das Verhältnis der Länder deutlich abgekühlt.

Und im Bremer Rathaus wurde mit Verärgerung aufgenommen, dass der FDP-Abgeordnete Torsten Staffelfeldt im Verkehrsausschuss des Bundestages gegen einen Antrag auf Bundesmittel für das Bremerhavener Terminal stimmte. In der bayerischen Staatskanzlei dürften solche Misstöne aus dem Norden genau registriert werden.