Am Montag gab es Hoffnung auf eine neue Frist für den Offshore-Zulieferer, anderthalb Tage später kommt der Gang in die Insolvenz.

Emden/Hannover. Wütend stapfen mehrere hundert Stahlarbeiter der Siag Nordseewerke durch Emden, die Stimmung im Nieselregen ist aufgeladen. Kalt erwischt hat die Menschen die Nachricht vom Insolvenzantrag des Unternehmens, den sie bis zuletzt verhindern wollten. Nun sind die Aussichten für den angeschlagenen Offshore-Zulieferer mit 700 Mitarbeitern noch düsterer geworden. Schwere Vorwürfe richtet der Betriebsratschef Erwin Heinks an die Landesregierung, die NordLB und die Unternehmensspitze: „Einige spielen hier mit gezinkten Karten und ganz bewusst falsch. So kann man mit Arbeitnehmern nicht umgehen.“

Die Empörung ist groß, nachdem vor einer Woche aus Hannover überraschend das Aus für eine Bürgschaft und weitere Kredite gekommen war. Noch einmal keimt Hoffnung auf eine kurze Gnadenfrist auf: Bei einem Spitzengespräch mit der Landesregierung kündigt Ministerpräsident David McAllister am Montag an, alle Beteiligten müssten jetzt bis Freitag ihre Hausaufgaben machen. Vielleicht findet sich bis dahin doch noch der lang ersehnte Investor? Ein weiterer Krisengipfel sollte Klarheit bringen.

Doch nun kommt alles anders. „Wir werden kalt abserviert, das hätte man uns schon am Montag sagen können“, wettert der aufgebrachte Betriebsrat vor der Belegschaft: „Wenn man den Standort wirklich retten will, dann geht das auch.“

Seit drei Jahren leben Heinks und seine Kollegen in Angst um ihren Arbeitsplatz. Mit dem Verkauf durch ThyssenKrupp an den Siag-Stahlgruppe sollte ein schmerzhafter Übergang vom traditionellen Schiffbau zum Offshore-Spezialisten gelingen. Doch schon im Frühjahr kam der erste Rückschlag mit der Insolvenz der Muttergesellschaft. Der Weg in die Eigenständigkeit brauchte Zeit, die jetzt überraschend abgelaufen scheint.

„Ein dilettantischer Rettungsversuch“, reagiert fassungslos Bezirksleiter Meinhard Geiken von der IG Metall Küste. Er kritisiert die Landesregierung heftig: „Eine Insolvenz ist nie geordnet, sondern führt meistens zu Entlassungen.“ Auch Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann (SPD) fühlt sich erneut vor vollendete Tatsachen gestellt. „Mir versagt die Fantasie, wie es dazu kommen konnte.“

In der ostfriesischen Stadt sind sich alle einig, dass der Gang in die Insolvenz der schlechteste Weg zur Rettung des Unternehmens ist. Trotz aller Ohnmacht liegen nun die letzten Hoffnungen auf dem einzigen Großauftrag, der bis Ende April die Arbeit sichern soll. „Dafür müssen wir ganz schnell die Rahmen- und Finanzbedingungen klären“, sagt Heinks. „Mit diesem Auftrag wollen wir zeigen, was wir drauf haben. Wenn das platzt, haben wir ein ganz dickes Problem.“

Zum nächsten Krisengipfel am Freitag bei Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) wollen wieder mehrere hundert Siag-Arbeiter ihren Protest nach Hannover tragen. Dann ziehen sie auch wieder den rollenden Sarg durch die Straße, der seit vielen Demonstrationen vor dem Ende der Nordseewerke warnt. „Mein Vater hat hier schon manche Krise erlebt“, sagt ein Metaller, „aber so schlimm wie jetzt war es noch nie.“