Greenpeace wirft dem Umweltminister falsche Berechnungen der Strahlungsdosis an der Castor-Lagerstätte vor und fordert nun Erklärungen.

Hannover. Mehrere tausend Atomkraftgegner haben am Samstag nach Angaben von Bürgerinitiativen bundesweit gegen den für Ende November erwarteten Castor-Transport nach Gorleben protestiert. In 57 Orten bundesweit habe es Demonstrationen, Mahnwachen, Straßentheater und Aktionen in Zügen gegeben, sagte Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“.

Die Proteste richteten sich auch gegen die insgesamt „verfehlte Atommüllpolitik“ der Bundesregierung, sagte Stay weiter. Die Umweltorganisation Robin Wood erklärte, es sei „sinnlos und gefährlich, Atommüll quer durch Europa zu karren“. Damit solle nur vertuscht werden, dass es kein sicheres Endlager gebe.

Im Wendland beteiligten sich nach Angaben örtlicher Initiativen rund 100 Menschen an einem demonstrativen Spaziergang entlang der Bahnstrecke, auf der die elf Castor-Behälter nach Dannenberg gebracht werden sollen. Die meisten Aktivisten waren zuvor gemeinsam mit einem Zug zum Bahnhof Leitstade gefahren.

Kundgebungen auch in Göttingen, Celle, Lüneburg

In der Hildesheimer Fußgängerzone simulierten Atomkraftgegner einen Atommülltransport mit Castor-Attrappen. In Stadthagen rollten Umweltschützer Fässer durch die Innenstadt. An den Bahnhöfen von Göttingen, Uelzen, Celle und Lüneburg versammelten sich Atomkraftgegner zu Kundgebungen.

In einigen Orten stellten sich Demonstranten in Form von riesigen Buchstaben auf, die den Schriftzug „Gorleben soll leben“ ergaben. Im bayerischen Grafenrheinfeld forderten nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mehr als 1.000 Demonstranten die Abschaltung des örtlichen Atomkraftwerks.

EKD-Ratsvorsitzender für Suche nach Alternativstandorten

Sprecher von Bürgerinitiativen bezeichneten die Aktionen als „Warmlaufen für die Proteste in einem Monat“. Ein Bündnis von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und Anti-Atom-Organisationen plant für den 26. November in Dannenberg eine große Demonstration gegen die Atommülllieferung. In den folgenden Tagen sind Straßen- und Schienenblockaden angekündigt.

Die Atomkraftgegner rechnen damit, dass der Castortransport am 24. November in Frankreich starten wird. Nach widersprüchlichen Messungen über eine möglicherweise erhöhte Radioaktivität am Gorlebener Zwischenlager steht eine endgültige Genehmigung des Transportes durch das niedersächsische Umweltministerium aber noch aus.

Am Sonnabend besuchten zudem der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, und der Hannoveraner Landesbischof Ralf Meister den Salzstock in Gorleben. „Der Weg zur Standortsuche muss neu beschritten werden – mit einem Konzept im Interesse der Menschen und im Interesse der Sicherheit künftiger Generationen“, sagte Schneider. Dafür wolle er bei der Politik werben. 2008 hatte sich die EKD-Synode bereits für die Suche nach Alternativstandorten ausgesprochen.

Greenpeace schreibt Brief an Sander

In einem offenen Brief hat Greenpeace Umweltminister Hans-Heinrich Sander aufgefordert, sich zur Kritik an Strahlenberechnungen am Atommülllager in Gorleben zu äußern. „Es liegt in Ihrer Verantwortung darauf zu achten, dass gesetzlich festgelegte Grenzwerte eingehalten werden“, heißt es in dem Brief der Umweltorganisation an den FDP-Politiker vom Freitag.

Greenpeace hatte dem Umweltministerium falsche Berechnungen der Strahlungsdosis an der Castor-Lagerstätte vorgeworfen und ermittelte eine mögliche Überschreitung des Grenzwertes von 0,3 Millisievert. Vermutlich am Dienstag erklärt Sander, ob der Castor wie geplant Ende November ins Wendland rollen darf. (dpa)