Wentorf. Warum die Verwaltungschefin Bürger um Geduld bitten muss – und sich über das verringerte Haushaltsdefizit nicht richtig freuen kann.
Kathrin Schöning „tanzt gerade auf ganz vielen Hochzeiten“, wie die Wentorfer Bürgermeisterin sagt. Seit dem 1. April ist sie im Amt und begann gleich, „in den Themen zu rotieren“. Mittlerweile kennt die 40 Jahre alte Chefin der Verwaltung sich in ihrer Kommune aus – auch vor Ort auf der Straße. Und zwar nicht allein, weil die „Schönwetterradlerin“ gern mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Es ist ihr auch eine Herzensangelegenheit, sich mit den Menschen zu treffen, um deren Probleme zu besprechen – soweit ihre Zeit dies erlaubt. „Einen Dienstwagen brauche ich nicht“, bekräftigt die Dassendorferin.
„Die Themen in Wentorf sind eigentlich die, die gerade auch alle anderen Kommunen beschäftigen“, stellt Kathrin Schöning fest. Ganz oben auf der Liste steht der Fachkräftemangel. „In Wentorf sind von 105 Stellen 15 unbesetzt, darunter ein Tiefbauingenieur oder -ingenieurin, eine Fachdienstleitung im Tiefbau, eine Fachkraft für Medienwissenschaften für die Gemeindebücherei sowie eine Stelle im Bereich Bildung für die Beschaffung und die Digitalisierung.“ Viele und lange Assessment-Center habe es in den vergangenen Wochen im Rathaus gegeben.
Wentorf: Bürgermeisterin Katrin Schöning seit vier Monaten im Amt
Jetzt hofft die Verwaltungschefin, zum 1. Oktober zwei Stellen besetzen zu können: eine für den Fachbereich Bauen und Entwicklung sowie zusätzlich die Fachdienstleitung Gebäudebetrieb im selben Bereich. Gerade hat die Organisationsuntersuchung, die bereits unter ihrem Vorgänger Dirk Petersen gelaufen war, unter anderem ergeben, dass die Verschlankung der Verwaltungsstruktur mit weniger Leitungsfunktionen nicht dazu geführt hat, dass die Aufträge der Verwaltung schneller abgearbeitet worden sind. „Um das Jahr 2010 herum hat man überall die Amtsleitungen eingespart“, sagt Kathrin Schöning. Dies versuche man jetzt wieder zu korrigieren, die Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen.
Ab 1. September bekommt auch die Gemeindebücherei eine neue Mitarbeiterin – sie hat ihre Ausbildung in Reinbek absolviert. „Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, diese Kraft im Mittelzentrum zu halten“, sagt Kathrin Schöning. „Denn ich kann Bewerber leider nicht mit mehr Geld locken, die Tarife sind, wie sie sind.“ Aber wer gern bürgernah arbeite, der sei in Wentorf richtig: „Wir arbeiten hier auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern.“ Sicher gebe es auch in Wentorf einen Zuschuss zum Jobticket, ein Jobrad mit einem geleasten E-Bike sowie den kostenlosen Eintritt in das Tonteichbad. „Aber eine aus dem Innern heraus motivierte Person würden diese Zugaben ohnehin nicht interessieren“, sagt sie überzeugt.
Wentorf geht das große Thema Energieplanung an
Viele Themen seien jetzt angestoßen worden, etwa in Sachen Energie: „Was die Kälte-Wärme-Planung angeht, fahren wir zweigleisig“, erläutert die Bürgermeisterin. „Wir gehen einen großen Plan an – gemeinsam mit dem Mittelzentrum –, wie wir bis 2045 klimaneutral werden wollen. Andererseits machen wir auf kommunaler Ebene eine Ist-Aufnahme. Dabei geht es um einen Wärmeatlas, in den wir den Gebäudebestand aufnehmen und eine Potenzialanalyse machen. Diesen Plan wollen wir bis Ende 2024 beschlossen haben.
Im Kleinen hat Wentorf dies schon einmal am energetischen Quartierskonzept Danziger Straße begonnen: Dort wurde jetzt das Sanierungsmanagement beauftragt, es läuft über drei Jahre. Dadurch werden die geplanten energetischen Sanierungen koordiniert, und Wentorfs Klimaschutzmanagerin ist nicht mehr nur als Einzelkämpferin unterwegs.
Bevölkerung braucht noch Geduld, bis Antworten erarbeitet sind
„Wichtig ist mir, dass die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass wir auch nächstes Jahr noch keine Antworten auf ihre Fragen nach ihren Heizungen haben werden“, erklärt Kathrin Schöning. „Das ist ein längerer Prozess, wir müssen uns in Geduld üben.“
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Anders als zu Beginn des Jahres klafft in Wentorfs Haushalt kein Loch von 3,34 Millionen Euro mehr. Die Verwaltung konnte das Defizit auf 2,79 Millionen Euro reduzieren. Doch Kathrin Schöning ist nicht glücklich darüber. „Das konnten wir zum großen Teil nur durch den Wegfall der Personalkosten einsparen oder durch nicht ausgegebene Unterhaltungskosten, weil uns dafür ebenfalls das Personal fehlte“, erläutert die Bürgermeisterin. So sei Wentorf im Verzug mit den Straßensanierungen, etwa mit dem Bergedorfer Weg und der Höppnerallee, weil es nur eine Straßenbauingenieurin gebe. Daher werte sie das geringere Defizit nicht als Erfolg. „Das ist wie bei einem bestellten Auto, das man noch nicht bezahlt hat“, vergleicht sie. „Da ist der Kontostand auch scheinbar höher, weil man das Geld noch nicht ausgegeben hat.“
Das Loch in Wentorfs Haushalt schrumpft – mit negativen Vorzeichen
Dabei hat Wentorf noch einige hohe Ausgaben vor der Brust: die neue Feuerwehrwache, die zurzeit noch mit zwölf Millionen Euro veranschlagt ist, sowie die Investitionen in die Schulbauten, die immer noch in der Planungsphase stecken – das gilt auch für die nötigen Räume der Offenen Ganztagsschule. „Fest steht aber schon, dass sowohl die Gemeinschaftsschule als auch der SC Wentorf nach dem Abriss der Sporthalle für die Feuerwehr am Fritz-Specht-Weg einen Ersatz brauchen“, sagt die 40-Jährige. Noch in diesem Monat soll es einen Zeitplan für den Abriss und wegen der Zins- und Kostensteigerungen nach der Sommerpause auch eine Anpassung der Investitionskosten geben.
Mehr Einnahmen zu generieren sei schwierig. Dies sei Aufgabe der Politik. „Wir können nur den Haushalt konsolidieren und Vorschläge an die Politik richten“, stellt die Verwaltungschefin klar. „Wir zapfen möglichst viele Förderprogramme an.“ Allein für digitale Tafeln gibt Wentorf 350.000 Euro aus, 39 für die Gemeinschaftsschule, 16 für das Gymnasium. 55.000 Euro davon stammen noch aus dem Digitalpakt. „Ich wünsche mir vom Land mehr Schulausbauprogramme, mehr Unterstützung bei der Unterhaltung der Schulen“, unterstreicht Schöning. Allein was die Digitalisierung an vermehrten Support-Leistungen und Energiekosten mit sich bringe, sei immens.