Wentorf. Die Bürgerpreiskandidatin aus Wentorf päppelt nicht nur Eichhörnchen- und Hasenbabys auf, sondern auch Greifvögel, die sie fit macht.
Die Frage nach dem Warum stellt sich für Bürgerpreiskandidatin Heike Knesebeck überhaupt nicht: Ihre Tierliebe und das damit verbundene Bedürfnis, besonders Wildtiere zu schützen, begleiten sie schon seit ihrer Kindheit. „Tiere waren schon immer Teil meines Lebens“, sagt die 35 Jahre alte Wentorferin, die meist Lotte genannt wird. Für sie und die Wildtierstation, die sie gemeinsam mit einer Freundin, Yvonne Dittmann aus Lüneburg, unterhält, opfert die hauptberufliche Rettungssanitäterin nicht nur ihre knappe Freizeit, sondern oft auch viele Nächte – und viel Geld. Deshalb ist sie jetzt für den 23. Bürgerpreis der Volksbank Bergedorf und unserer Bergedorfer Zeitung vorgeschlagen worden.
Diese Liebe zu den Tieren will sie auch Kindern nahebringen und führt deshalb regelmäßig Gruppen kleiner Tierfreunde aus Kitas und Schulen durch den Wald. Denn: „Die Kinder sind unsere Zukunft und sie wollen auch tatsächlich noch etwas lernen“, stellt Heike Knesebeck fest. Das sei bei Erwachsenen nicht immer so, bedauert die Falknerin und Jägerin. Sogenannte Tierrechtler stünden Argumenten meist nicht offen gegenüber, bezeichneten Jäger als „Mörder“. „Dabei hätte ich ohne meinen Jagdschein keinen Falknerschein machen dürfen und könnte junge Greifvögel vor der Auswilderung nicht für ihre Jagd ausbilden“, erläutert die Tierschützerin.
Bürgerpreiskandidatin Heike Knesebeck – Lobbyistin und Ausbilderin der Wildtiere
Nach einer zwölf Stunden langen Schicht im Rettungsdienst fährt sie zuerst nach Hause zu ihren gefiederten und pelzigen Schützlingen: Eichhörnchen, Hasen, Greifvögel und bald auch wieder Igel. „Für mich gibt es nichts Schöneres“, sagt die 35-Jährige. „Wildtiere können nicht lügen. Sie lassen sich erst einfangen, wenn es ihnen wirklich schlecht geht. Und es ist so schön zu sehen, wie es ihnen von Tag zu Tag besser geht.“
Bei ihren Waldführungen, die über die Försterei Bergedorf vermittelt werden, hat sie oft Uhu-Mädchen Frida Panzer im Schlepptau. Das Tier hat ein Handicap, ist daher Dauergast in der Wildvoliere. „Ihre Mutter hat ihr beim Füttern versehentlich einen Flügel zerrissen“, berichtet Heike Knesebeck. Seitdem habe sie Schlagseite und kann nicht mehr gut genug fliegen, um in der Natur zu überleben.
Während sich die Tierschützerin in ihrer Küche mit unserer Redakteurin unterhält, watschelt der Europäische Uhu empört fauchend durch den Flur. Der große Greifvogel ist verärgert, wenn Fremde in sein Revier eindringen. Jagdhündin Ilse kratzt währenddessen ungeduldig an der Tür. Für Heike Knesebeck kein Grund, die Geduld zu verlieren. Sie amüsiert sich eher darüber, nennt Frida liebevoll eine „Zicke“.
Ein dunkelbraunes Langhaarmeerschweinchen namens Monti, das sie im Alter von sieben oder acht Jahren erhielt, war die Basis für ihre Tierliebe. „Meine Eltern hatten immer Verständnis und haben mich immer unterstützt, wenn ich mal wieder einen kleinen Jungvogel in Lüneburg nach Hause geschleppt habe“, erinnert sie sich. Aus falsch verstandener Tierliebe hat sie auch ein Hasenbaby ins Kinderzimmer eingeschmuggelt – sie glaubte es von der Mutter verlassen. Heute weiß sie, dass die Hasenmutter erst zu ihrem Jungen zurückkehrt, wenn die Menschen aus seiner Nähe verschwunden sind – meist nur zweimal pro Tag, um es zu säugen.
Verletzten Wanderfalken Nikolai aus 60 Meter Höhe gerettet
In einer Transportkiste wartet Bruchpilot Nikolai. Der Wanderfalke soll heute in die Voliere gebracht werden. Der Vogel hatte sich in 60 Meter Höhe an der metallenen Wetterfahne auf der Nikolaikirche eine Kralle eingeklemmt. Er wurde mit einem Kran heruntergeholt. „Er hatte sich eine vordere Kralle teilweise schon selbst amputiert“, erzählt Heike Knesebeck, die dabei war. „Der Tierarzt hat dann den Rest erledigt.“ Das werde ihn nicht behindern, nur habe er es leider verpasst, das Jagen zu lernen. „Das werde ich ihm jetzt beibringen“, erklärt die Falknerin.
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Dieses Jahr haben Heike Knesebeck und die befreundete Tierschützerin schon 72 Greifvögel aufgenommen, 68 konnten wieder ausgewildert werden. „Jetzt ist eine Phase, in der es langsam ruhiger wird“, sagt sie. Sonst klingelt das Telefon permanent, vier bis fünf Anrufe wegen aus dem Baum gefallener Eichhörnchen- oder verletzter Hasenkinder seien keine Seltenheit. „Durch den Klimawandel geht es mittlerweile schon Anfang Januar los“, erzählt Heike „Lotte“ Knesebeck. „Die Leute rufen uns schon aus Berlin und Bremen an, weil sie sich Rat holen wollen, wie sie die Jungtiere retten können.“
Ohne Hilfe würde die Tierschützerin es nicht schaffen
Doch spätestens im September beginnt die Igel-Saison. Weil Knesebeck nicht weiß, ob es wegen des Klimawandels nicht schon früher losgeht, gönnt sie sich im August nur eine Woche Urlaub. „Zum Glück kümmert sich meine Hundesitterin Hanna – eine Studentin – um die Tiere, wenn ich nicht da bin“, sagt die Falknerin. „Ohne sie könnte ich das so nicht machen. Das ist eine Riesen-Erleichterung.“
Für ihre Tierkinder scheut sie auch keine Kosten: Für Tierarztkosten, Futter und andere Hilfen zahlt sie pro Monat etwa 700 Euro. Demnächst bestellt sie wieder Heimchen, Mäuse, Ratten und Wachteln für 800 bis 1000 Euro. Das reiche für vier bis fünf Monate – je nachdem, wie viele Tiere bei ihr ankämenn.
Falsch verstandene Tierliebe könnte für die Greifvögel den Tod bedeuten
Durch einen ersten Zeitungsbericht über die Tierschützerin hat sich für ihr Projekt Wildtiervoliere eine tolle Spende ergeben: Ein Holzhändler in Friedrichsruh hat ihr das Material dafür zum Einkaufspreis überlassen. Für die Jägerin und Falknerin bedeutet dies eine Ersparnis von rund 3500 Euro. Wo die neue Voliere steht, verrät sie nicht – aus Angst vor Vandalismus und vor Menschen, die die Greifvögel aus falsch verstandener Tierliebe befreien wollen. Denn die Expertin weiß, dass dies für ihre Lieblinge den Hungertod bedeuten würde.