Wentorf. Endspurt beim Wahlkampf zur Kommunalwahl. Die Politiker verfolgen ähnliche Ziele. Nur bei der Umsetzung gibt es keine Einigkeit.

Traurig, dunkel und alles andere als beschaulich – das ist das Bild, das die Wentorfer SPD von der Gemeinde auf ihren Wahlkampf-Plakaten für die Kommunalwahl 2023 am kommenden Sonntag zeigt. Auf einem ist die zugeparkte Hauptstraße zu sehen, durch die eine Autokolonne rollt. Eine einzelne Mutter schiebt einen Kinderwagen über die Straße. „Wentorf ist nicht mehr schön. Den oft beschworenen dörflichen Charakter hat die Gemeinde schon lange verloren“, sagt Jan-Christoph Schultchen.

Der 59-Jährige ist Sprecher des SPD-Ortsvereins und Macher der Wahlplakate: „Das ist absichtlich eine Negativkampagne. In Wentorf liegt vieles im Argen“, sagt Schultchen offen. Das wollen die Genossen nach der Wahl unbedingt ändern und haben dabei vor allem zukünftige Generationen im Blick. Sie werben mit ihrem Spitzenkandidaten Wolfgang Warmer um möglichst viele Stimmen der 10.934 wahlberechtigten Wentorfer. Erst wenige haben bereits ihre Wahl getroffen: Stand 10. Mai haben 1815 Wentorfer per Brief gewählt.

Kommunalwahl: Wentorfs unattraktive Ortsmitte ist Top-Thema aller Parteien

Als drittstärkste Kraft (5 Sitze) ging die SPD bei der vergangenen Kommunalwahl vor fünf Jahren hervor. Wentorfs Ehrenbürger Wolfgang Warmer (78) hatte sich da bereits aus der Politik verabschiedet. Nun haben ihn die Genossen für diese Wahl wieder reaktiviert in der Hoffnung, dass es mit dem politischen Urgestein und dessen jahrzehntelanger Erfahrung mit dem Schmieden von Allianzen wieder vorangeht für die Genossen in Wentorf.

Ein Thema will der pensionierte Polizist unbedingt vorantreiben: die Umgestaltung der Ortsmitte. „Da müssen wir endlich ran. Das verfolgt uns schon seit Jahrzehnten“, sagt Warmer, der sich noch an erste Konzepte aus Anfang der 1990er-Jahre erinnert, die für viel Geld in Auftrag gegeben wurden.

CDU-Mann wird oft auf sein jugendliches Aussehen angesprochen

Dass Wentorfs Ortsmitte unbedingt attraktiver, die Zahl der Fahrzeuge drastisch reduziert, die Aufenthaltsqualität mit Cafés und Einzelhandel verbessert werden muss, darin sind sich alle vier antretenden Parteien – CDU, Grüne, SPD, FDP – sowie die Wählervereinigung Zukunft Wentorf einig.

Allein die Frage, wie das konkret umgesetzt werden soll, daran scheiden sich momentan die politischen Geister. Ein weiteres Konzept wird aktuell erstellt. „Auf jeden Fall ohne Dogmatismus“, sagt Florian Slopianka von der CDU. So sieht es auch CDU-Spitzenkandidat Hartmut Zeine (68).

CDU möchte Pilotprojekt mit MOIA im kommenden Jahr starten

Mit 25 Jahren ist Slopianka einer der jüngsten Kandidaten dieser Kommunalwahl. Der Wahlwentorfer und gebürtige Büchener kandidiert zum zweiten Mal für den Kreistag und zum ersten Mal für die Gemeindevertretung. Auf sein jugendliches Aussehen wurde Slopianka während des Wahlkampfes schon öfter angesprochen. Dabei ist der freundliche, junge Mann keineswegs ein Politikneuling. Er ist aktuell Vorsitzender der Jungen Union Stormarn, sitzt bereits im Kreistag und verfügt über jede Menge politische Kontakte bis hin in die CDU-Landesebene.

Die könnten jetzt auch dabei helfen, dass die Umlandgemeinde mit aktuell rund 13.600 Einwohnern nun doch für Carsharing-Anbieter attraktiv wird. Die haben es bislang abgelehnt, ihr Versorgungsgebiet auf Wentorf zu erweitern. „Die Chancen stehen gut, dass wir in 2024 ein Pilotprojekt mit MOIA starten, für das das Land Gelder bereitstellen will“, ist Slopianka zuversichtlich.

Grüne setzen auf mehr Grün und Entsiegelung

Ganz glauben will Katharina Bartsch, Spitzenkandidatin der Grünen, das noch nicht. Sie hätte es gut gefunden, wenn die derzeit stärkste Fraktion, die CDU (7 Sitze), den jüngsten Antrag der Grünen, der zweitstärksten Fraktion mit sechs Sitzen, mitgetragen hätte und Gelder für das vereinsbasierte Carsharing-Projekt Dorfstromer bereitgestellt hätte. „Das wäre ein Punkt auf dem Weg zur klimagerechten Gemeinde gewesen. Ein weiterer ist, den Radverkehr zu stärken“ sagt die 42-Jährige.

Sie wirbt bereits das vierte Mal im Kommunalwahlkampf für die Grünen um Stimmen. Auch hauptberuflich ist die dreifache Mutter als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz für die Grünen im Einsatz. Auch ihr ist klar, dass Wentorf am Klimawandel nicht vorbeikommt und die Themen der Zukunft „Entsiegelung, Verschattung und öffentliche Kühlräume“ sind. „Diese Punkte müssen wir zukünftig bei jedem neuen Bauvorhaben mitdenken und den Bestand überdenken“, sagt Bartsch. Sie hat dabei vor allem den Casinopark vor Augen: „Wenn wir uns hier in zehn Jahren noch aufhalten wollen, müssen wir zum einen den Wind ausbremsen und zum anderen für mehr Grün sorgen.“

FDP: Nicht alle Projekte kann sich Wentorf leisten

Die Idee findet Dirk Matzen, Spitzenkandidat der FDP, durchaus attraktiv. Als stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses weiß der 58-Jährige aber auch, dass „Wentorf finanziell zwar besser dasteht als viele andere Gemeinden (2022 hatte die Gemeinde einen Überschuss von rund vier Millionen Euro), sie sich dennoch nicht alles leisten kann. Es gibt Dinge, die müssen wir, andere können wir“, sagt Matzen. Ein Muss sind die neue Feuerwehrwache, zusätzliche Kitaplätze, die Erweiterung der Schulen und die Schaffung neuer Unterkünfte für Flüchtlinge.

„Verhinderungstaktik“, hat Günter Weblus, noch Fraktionsvorsitzender der FDP, das Hin und Her der beiden großen Fraktionen von CDU und Grünen in den vergangenen Jahren beim Thema Flüchtlingsunterkunft genannt. „Mich hat das persönlich sehr geschmerzt“, sagt der 75-Jährige, der nicht verstanden hat, dass angesichts der Notlage keine Entscheidung getroffen wurde. Seitdem die neue Bürgermeisterin Kathrin Schöning im Amt ist, habe sich die Lage entspannt. Kurzerhand wurde Ende April im politischen Einklang dem Bau einer Flüchtlingsunterkunft in ökologischer Holzmodulweise zugestimmt.

Liebevolles Miteinander zwischen Politik und Verwaltung

„Ich hoffe, dass dieses fast liebevolle Miteinander zwischen Verwaltung und Politik in der kommenden Legislaturperiode beibehalten bleibt“, sagt Weblus, bekannt für klare Worte. Der pensionierte Berufssoldat wird die neue Legislatur nicht mehr aktiv mitgestalten. Der FDP-Mann zieht sich nach mehr als zehn Jahren zurück und gibt nach dem Ortsvorsitz nach der Wahl auch den Fraktionsvorsitz an Dirk Matzen ab. Der will den Kurs von Weblus beibehalten und hofft, dass die bislang kleinste Fraktion (2 Sitze) weiterhin vertreten ist, um „Debatten anzuschieben und die gute Zusammenarbeit massiv voranzutreiben. Nur so kann die Entwicklung Wentorfs vorangetrieben werden“, sagt Matzen.

Ute Berns, zweite Topkandidatin von „Zukunft Wentorf“, erklärt ebenso wie die SPD die Ortsmitte zu einem der wichtigsten politischen Themen der Wählergemeinschaft: „Uns ist vor allem mehr Grün und Wasser auf dem Casinoplatz wichtig. Es ist schon sinnvoll und richtig, dass wir dort jetzt ein Planungsbüro beauftragt haben, damit der Platz endlich gemütlicher und einladender wird.“ Außerdem müsse das Zentrum weiter verkehrsberuhigt werden. Ute Berns verdrängt derzeit Spitzenkandidat Maurice Küchenmeister, weil der junge Mann mitten im Wahlkampf mit seinem Ballermann-Lied von sich reden macht.

Zukunft Wentorf nimmt sich ein Beispiel an Nachbarn Reinbek

An erster Stelle stehen bei Zukunft Wentorf jedoch die Schulen und Kitas. Den massiven Raummangel, der gerade durch eine Untersuchung analysiert worden sei, müsse die Politik jetzt angehen. Die Wählergemeinschaft spricht sich dafür aus, dass das jetzige Gebäude der Kita Lütte Lüüd auf dem Grundschulgelände allein der Offenen Ganztagsschule vorbehalten bleibt. Einen neuen, geeigneten Standort für die Lütte Lüüd erwartet Berns aus dem Rathaus. Ihre Fraktion habe sich indes nicht gegen das Gelände am Petersilienberg gesperrt, denn: „Ein Spielplatz ist leichter zu verlagern als eine Kita“, sagt sie und ist überzeugt: „Da würden wir schon eine Lösung finden.“

Zudem müsse unbedingt der Bau der neuen Feuerwehrwache vorangetrieben und nicht weiter ausgebremst werden. Auf jeden Fall möchte Zukunft Wentorf, dass die politischen Ziele des Ortes künftig mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen in Einklang gebracht werden, damit Wentorf sich sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig entwickelt. In Reinbek sei dies schon geschehen.