Wentorf. Initiative „Wentorf gestalten!“ bietet auf jahrelanger, prominenter Brachfläche neues Projekt und lädt zum Mitmachen ein.

Einige Spaziergänger haben es vielleicht schon mitbekommen: Seit Anfang April steht so manches Mal das Tor der alten Sportanlage an der Straße Petersilienbergin Wentorf offen. Ein Schild am Schuppen am Eingang lädt sodann in den „Petersiliengarten“ ein: „Herzlich Willkommen zum Lebensmittelpunkt“ heißt es dort.

Dahinter steckt der Verein „Wentorf gestalten!“, der dort auf 7500 Quadratmetern ein Projekt zum sogenannten Urban Gardening anbieten will. „Wobei wir Rücksicht darauf nehmen, was sich hier an Natur bereits entwickelt hat“, erklärt Marc Steinwender, der das Projekt leitet.

Ein Garten für alle auf dem Gelände der ehemaligen Sportschule in Wentorf

Denn als der Wentorfer einen der Eigentümer überzeugte, dem Verein das Areal für den Übergang kostenfrei zu überlassen, ahnte er noch nicht, dass sich dort bereits Sandbienen, kleine Feldmäuse und Kräuter wie Beifuß, Veilchen und Johanniskraut angesiedelt hatten.

„Das ist so eine tolle Naturwiese. Die wollen wir jetzt nicht einfach zertrampeln“, erklärt Steinwender, einer der Mitbegründer von Wentorf gestalten. „Leider haben wir auch schon das giftige Jacobskreuzkraut entdeckt. Doch wir haben auch schon Ideen, wie wir es mit ­natürlichen Mitteln bekämpfen können.“

„Als Fridays for Future an Fahrt aufnahm, habe ich mich regelrecht geschämt“

Die Motivation des 53-Jährigen ist es, tatsächlich etwas verändern zu wollen. „Die Welt geht so, wie wir leben, vor die Hunde“, stellt er fest. „Wir verbrauchen mit unserem Lebensstil drei Planeten. Da kann ich doch nicht so weitermachen wie noch vor 20 Jahren“, erklärt der studierte Architekt und selbstständige Videoproduzent.

„Als die Fridays-for-Future-Bewegung an Fahrt aufnahm, habe ich mich regelrecht geschämt. Es kann doch nicht sein, dass sich die Kinder vor uns stellen, um uns zu schützen. Das wäre doch eigentlich unsere Aufgabe gewesen.“ Aus dieser persönlichen Erkenntnis sei das Bedürfnis entstanden, politisch aktiv zu werden.

Durch die Beteiligung anderer Menschen könne etwas Neues entstehen

Doch das starre System widerstrebte ihm. „Einer redet und 50 Leute hören zu – das ist so wahnsinnig ineffektiv“, sagt Marc Steinwender. „Ich bin auf neue Konferenzmethoden gestoßen, die ,liberating structures’. Damit lassen sich viel effektivere und lebendigere Ergebnisse erzielen.“ Daraus und aus dem Treffen mit der Wentorferin Alena Kempf-Stein sei schließlich die Initiative und daraus wiederum der Verein Wentorf gestalten! entstanden.

Durch die Beteiligung anderer Menschen könne etwas Neues entstehen und sie können dabei auf neue Art ins Gespräch kommen. Dies sei auch das Ziel der Projektes Petersiliengarten.

Mehrere Versuche, um einen urbanen Gemeinschaftsgarten aufzubauen

Günter „Chetano“ Lau ist vergangenen Sommer auf dem Casinopark auf den Verein gestoßen, als dieser dort das Projekt CoworkingLand in einem Container im Zentrum realisiert hatte. Die Idee des urbanen Gärtnerns aber fasziniert ihn bereits seit 2015. „Auf der Expo in Mailand haben meine Frau und ich das Thema im Deutschen Pavillon für uns entdeckt“, erzählt er. Mehrere Versuche, urbane Gemeinschaftsgärten zu etablieren, hätten sich leider zerschlagen.

Desto mehr freut sich der heilpraktische Psychotherapeut aus Wohltorf darauf, in Wentorf mit anzupacken. Auch die Bergedorferin Anke Noppen, die von sich selbst sagt, sie sei Privatier, ist von dem Projekt angetan: „Das ist ein toller Ort. Wo sonst kann man einfach Ideen haben und die Dinge sich entwickeln lassen?“

Auf 7500 Quadratmetern hat sich in fast 15 Jahren einiges an geschützter Natur auf dem alten Sportplatz entwickelt.
Auf 7500 Quadratmetern hat sich in fast 15 Jahren einiges an geschützter Natur auf dem alten Sportplatz entwickelt. © Susanne Tamm

Fragen nach Strom, Wasser und Toiletten müssen noch geklärt werden

Das erste Hochbeet steht bereits, gebaut aus Holz, das Wentorfer Firmen gespendet haben. „Vieles ist noch im Entstehen und muss sich erst finden“, sagt Marc Steinwender. „Wir haben schon tolle Angebote bekommen. Menschen wollen uns Gartenmöbel oder einen Kuchen spenden. Wir müssen aber noch Öffnungszeiten und Regeln etablieren.“

Auch die Fragen nach Strom, Wasser und Toiletten seien noch nicht geklärt. Der Petersiliengarten sei so etwas wie die Fortsetzung des CoworkingLandes unter anderen Voraussetzungen.

Es gibt jede Menge Ideen, die darauf warten, in die Tat umgesetzt zu werden. „Wir wollen Alt und Jung zusammenbringen, gemeinsam arbeiten und ins Gespräch kommen“, sagt der Ideengeber. „Wer Lust hat, kommt vorbei oder nutzt den Telegram-Link.“ Den gibt’s online unter wentorf-gestalten.de.

Seit 2006 liegt das Gelände der ehemaligen Sportschule nun brach

Seit 2006 liegt das Gelände der ehemaligen Sportschule des Hamburger Sportbundes (HSB) an der Straße Am Fuchsberg nun brach. Hintergrund: Der HSB hat die Anlage zum Jahresende 2006 wegen eines Defizits von 200.000 Euro geschlossen. Die Politik lehnte dort 2007 das HSB-Konzept für einen Sportpark ab, eine Wohnbebauung kam für sie dort nach wie vor nicht infrage.

Nach zehn Jahren Schließung wechselte das Areal 2017 für 3,45 Millionen Euro den Besitzer. Offenbar wollten die neuen Hamburger Eigentümer der eigens gegründeten Fuchsberg AG dort ebenfalls Wohnungen bauen,­bissen aber bei der Wentorfer Politik auf Granit.

Standort wurde 2019 als Unterbringungsort für Geflüchtete abgelehnt

Hinter den Kulissen handelte die Verwaltung 2019 mit der Fuchsberg AG einen Mietvertrag aus, um auf dem Areal Geflüchtete unterzubringen. Doch nicht alle Fraktionen waren damit einverstanden, der Standort wurde abgelehnt.

Zwischenzeitlich nutzten das Gymnasium Wentorf, TSG und SC Wentorf die Anlagen der Sportschule. Jetzt hat Marc Steinwender einen Teil Geländes für Wentorf gestalten! gepachtet.