Schwarzenbek/Geesthacht. Drogen sind keineswegs vor allem das Problem junger Menschen. Alte suchen vermehrt Hilfe bei Alkohol- und Drogenberatung.
Alkohol und Cannabis führen im neuen Jahresbericht der Alkohol- und Drogenberatung (ADB) die Zahlen im Kreis Herzogtum Lauenburg an. Auf den Spitzenreiter Alkohol (58 Prozent) folgen mit 16 Prozent Marihuana und Haschisch. „Der Cannabiskonsum hat im Jahr 2022 deutlich zugenommen und ist mittlerweile auf Platz 2 der häufigsten Konsummittel“, so der Bericht. Auf den Plätzen drei und vier folgen Menschen, die wegen Heroin- oder Kokainabhängigkeit Hilfe bei der ADB gesucht haben mit zehn beziehungsweise fünf Prozent.
Der Bericht 2022 der Alkohol- und Drogenberatung Kreis Herzogtum Lauenburg gGmbH, so der vollständige Name, entspricht so gar nicht dem Bild, das gelegentlich kolportiert wird. „Jung, dauernd bekifft und orientierungslos“ ist hier eher die Ausnahme denn die Regel. Die Zahl der Menschen in der ersten Lebenshälfte, die Hilfe suchen, ist in den vergangenen Jahren etwa gleich geblieben. Unter den jüngsten bis 17 Jahren hat sie sich dagegen sogar fast halbiert, von 19 im Jahr 2019 auf elf im Jahr 2022.
Sucht: Immer mehr ältere Menschen brauchen Hilfe
Ganz anders der Trend bei Menschen ab 56 Jahren. Verzeichnet die Statistik für 2019 noch 95 Personen, waren es vergangenes Jahr bereits 128. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass dies keine absoluten Zahlen sind, sie orientieren sich allein an den Personen, die sich an die Alkohol- und Drogenberatung wenden“, erläutert Kreissprecher Tobias Frohnert.
Wobei ein Trend klar erkennbar ist. „Aus dem Betreuungsalltag heraus lässt sich dazu sagen, dass die betreuten Personen in ihrem gesamtheitlichen Gesundheitszustand abbauen“, heißt es im Jahresbericht, den der zeitweilige, kommissarische Leiter der ADB, Michael Schwarz, dem Sozialausschuss des Kreises Herzogtum Lauenburg vorstellen will: „Perspektivisch wird der Pflegebedarf der betreuten Personen deutlich zunehmen und damit auch die Notwendigkeit spezifischer Angebote an der Schnittstelle zwischen den Bereichen Suchtberatung und Pflege.“
Gesundheitlicher Zustand immer schlechter
Das Schwanken der Zahlen über die Jahre ist zumindest in Teilen der Corona-Pandemie geschuldet. Wenn Beratung angeboten wurde, dann nur unter strikten Regeln sowie vorheriger Terminvergabe. Neben den Hauptstellen in Geesthacht (Markt 3) und Mölln und dem Kontaktladen KOLA in Geesthacht (Markt 5), unterhält die ADB Beratungsstellen in Ratzeburg, Lauenburg (Mühlenweg 17) und Schwarzenbek.
Letztere wurde in der Pandemie über längere Zeit ganz geschlossen. „Die räumlich Enge in Schwarzenbek dort ließ keine andere Lösung zu“, so ein ADB-Mitarbeiter. Wer dort aktuell Hilfe suchen möchte, erfährt online, dass es in Schwarzenbek (Verbrüderungsring 41) ohne Terminvergabe weiterhin nichts wird. Auch nicht in der offenen Sprechstunde, die einmal wöchentlich geboten wird.
Beratung Schwarzenbek nach zeitweiser Schließung wieder „offen“
Wer nicht nach Geesthacht oder Lauenburg fahren kann, muss dort im Zweifelsfall auf einen Termin warten. Gründe: Die Zahl der Hilfesuchenden sei in Schwarzenbek hoch, zudem hätten sich während der Corona-Pandemie die Alkoholprobleme vieler Menschen verfestigt.
Was in dem 16-Seiten-Bericht zwischen den Zeilen zu lesen ist, ist ebenfalls von Bedeutung: Nach Jahren häufiger personeller Wechsel in der Leitung der ADB sowie dem Schließen der Methadon-Ambulanz am Geesthachter Krankenhaus setzen die Verantwortlichen auf ruhigeres Fahrwasser.
Aus für Methadon-Ambulanz war eine Zäsur
Dass die Methadon-Ambulanz wegen Horten von Methadon und fehlender Zuverlässigkeit Verantwortlicher 2015 schließen musste, daran anschließend der Transport Süchtiger aus der Region nach Hamburg-Harburg organisiert wurde, soll der Vergangenheit angehören.
Einen Schritt Richtung langfristiger Stabilität hoffen die Verantwortlichen mit der Einstellung eines neuen Leiters für die ADB getan zu haben. Jonas Zeller ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zusatzqualifikation, hat überdies bereits mehrjährige Erfahrungen in leitender Funktion gesammelt. Im Oktober 2022 hatte der damalige Leiter Peter Spitza überraschend die ADB verlassen. Dabei hatte er die Leitung erst 2021 übernommen.
- Sieben Kilo Marihuana: 21-Jähriger in U-Haft
- Verfolgungsjagd: Bekiffter 14-Jähriger flüchtet vor Polizei
- Streetworker: Drogenszene in Lauenburg hat sich verändert
- Drogenkonsum: Kiel liegt an der Spitze, das Herzogtum am Ende
SVS-Chef musste zeitweise die ADB im Kreis leiten
Michael Schwarz, Geschäftsführer der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit (SVS), übernahm die Aufgabe kommissarisch. Sozusagen als Doppelspitze im eigenen Haus. Tatsächlich gehört die ADB seit Jahren zur renommierten und weit über Stormarns Grenzen tätigten SVS.
Die inzwischen am Café Kola angesiedelte Suchtambulanz in Geesthacht soll ohne Störungen weiter betrieben werden. Ein Wechsel unter verantwortlichen Medizinern soll planvoll geschehen, zu keinen neuen Verwerfungen führen. „Dr. Görne hat eine Suchtambulanz an einem Hamburger Krankenhaus übernommen“, erläutert Psychiater und Suchtmediziner Martin Denda.
Suchtambulanz soll wieder zwei Tage die Woche öffnen
Auch wenn der geplante Wechsel zu einem anderen Suchtmediziner vorerst nicht zustande kommt, will Denda den Betrieb in Geesthacht nicht nur aufrechterhalten: „Wir wollen zu zwei Öffnungstagen in der Woche zurückkehren. Wenn sich alles am Freitag ballt, ist dies nicht gut.“
Notfalls werde er dies auch allein stemmen, ist Denda zuversichtlich. Für die von ihm geleitete Drogenambulanz in Harburg konnte er inzwischen einen dritten Mediziner gewinnen. „Die Ambulanz in Harburg ist täglich geöffnet. Mit der aktuellen Besetzung habe ich den Rücken etwas freier. Möglicherweise kann ich ja auch einen Kollegen dafür gewinnen, einen Tag in Geesthacht abzudecken.“
Fachkräfte zu knapp, um Süchtige durch die Gegend zu fahren
Eine Rückkehr zu den Zeiten nach Schließung der Geesthachter Methadonausgabe und vor Eröffnung der Suchtambulanz im Café Kola ist für ihn nicht vorstellbar. Für die Betroffenen sei dies keine Alternative. Und entsprechend qualifizierte Ärzte und Mitarbeiter seien knapp. Denda: „Wie früher eine Fachkraft damit zu betrauen, die Menschen nach Harburg zu fahren, ist wirklich keine Option.“