Lauenburg/Geesthacht. Die Alkohol- und Drogenberatung im Kreis Herzogtum Lauenburg warnt vor negativen Folgen. Immer mehr Frauen werden betreut.
Noch sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Alkoholismus sowie Drogen-, Tabletten- und Spielsucht nicht in allen Facetten klar. Die Gefahren der Vereinsamung durch Lockdowns, Homeoffice, zeitweilig geschlossene Schulen wie auch geschwundene soziale Kontakte werfen jedoch dunkle Schatten. Der Jahresbericht 2021 der Alkohol- und Drogenberatung im Kreis Herzogtum Lauenburg warnt vor den negativen Folgen, macht aber zugleich Hoffnung. Die Pandemie hatte bislang nur geringe Auswirkungen auf die Arbeit der ADB.
Pandemie behindert Alkohol- und Drogen-Prävention an den Schulen
Die von der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit (SVS) betriebenen Präventions-, Beratungs- und Therapieangebote sind von Corona unterschiedlich betroffen. Die stärksten Einschränkungen verzeichnet Peter Spitza (58) in der Prävention, besonders an Schulen.
Lediglich 34 Veranstaltungen waren 2021 möglich. Fast 80 mussten wegen Homeschooling oder Zugangsbeschränkungen abgesagt werden, berichtet der neue ADB-Leiter im jüngst vorgestellten Jahresbericht 2021.
Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen steigt weiter
Problem: Von Lehrkräften und Schulsozialarbeitern wurde „vermehrt auf Beobachtungen bezüglich gesteigerten Medienkonsums bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam gemacht“, sagt der Theologe und Sozialpädagoge. Homeschooling und Einschränkungen von Freizeitaktivitäten haben „diese Problematik weiter verschärft“.
Die ADB hat reagiert, hat eine Schülerhotline geschaffen, an die sich Kinder und Jugendliche telefonisch oder über soziale Medien wenden können. Die Nachfrage hat das insgesamt 16-köpfige ADB-Team veranlasst, die Einzelsprechstunden an Schulen auszuweiten.
Neue Hotline und Einzelsprechstunden an Schulen
Im Fokus stehen übermäßige Medien- oder Spiele-Nutzung, Abhängigkeit von Smartphone oder Social-Media, der Umgang mit Cybermobbing, aber auch der eigene Drogen-Konsum oder der von Freunden oder Familienmitgliedern.
Die ADB mit Sitz in Geesthacht bietet Beratung und Therapie auch in Lauenburg (Tel: 04153/20 71, E-Mail: adb.lauenburg@sucht-rz.de), Schwarzenbek (04151/67 45, adb.schwarzenbek@sucht-rz.de) und Ratzeburg. Mehr als 600 Menschen wurden 2021 beraten.
Angebote in Geesthacht, Lauenburg und Schwarzenbek
Die Zahl ist gegenüber 2020 leicht gesunken, besonders anonyme Kontaktaufnahmen. Kontakte zu Betroffenen sind fast gleich geblieben, der zu Angehörigen, die um Hilfe nachsuchten, ist sogar gestiegen.
Mit fast 70 Prozent Verbesserung zum Ende der Betreuung weist die ADB eine im Vergleich hohe Erfolgsquote auf. Die Verantwortlichen führen diese positive Entwicklung auf die enge Verzahnung der Angebote zurück – inhaltlich wie räumlich.
Erfolgsquote ist mit 70 Prozent ungewöhnlich hoch
Eine Folge: Fast alle Drogensüchtigen, die mit Ersatzdrogen wie Methadon substituiert werden, nutzen die angebotene psychosoziale Betreuung, so der Jahresbericht. „Die Kombination von medizinischer integrierter Versorgung, Kooperation mit örtlichen Apotheken, die offenen Angebote im Kontaktladen (KOLA in Geesthacht) und die vielfältigen Beratungsangebote vor Ort bilden eine fast ideale Versorgungsstruktur, wie sie in dieser Form an nur wenigen Orten im Land vorgehalten werden kann.“
Die Wohnortnähe der meisten Angebote macht sie für viele Betroffene gut erreichbar. Die Verteilung auf die Städte sorge zudem dafür, dass trotz zentrumsnaher Versorgung keine ausgeprägte Szene entsteht. Im Straßenbild auffällige Drogensüchtige, wie sie früher zu teils massiven Protesten gegen Betreuungseinrichtungen und Substituierungspraxen geführt haben, sollen vermieden werden.
Sucht ist keineswegs ein Problem der Jugend
Wer meint, die Mehrzahl der Suchtkranken sei jung, der irrt. Die Mehrheit der im Kreis Herzogtum Lauenburg betreuten Menschen ist zwischen Mitte 40 und 60 Jahren. Die Mehrzahl ist weiterhin männlich, wobei der Anteil der Frauen in den Beratungsstellen weiter steigt. Nach 29 Prozent 2020 betrug er 2021 bereits 31 Prozent.
In manchen Feldern haben die Frauen in den vergangenen Jahren deutlich aufgeholt. Übermäßiger Alkoholkonsum (30 Prozent) liegt vor Heroin-Missbrauch (28 Prozent) und kurz hinter dem Mischkonsum (32 Prozent). Galt früher Medikamentenmissbrauch als typisches „Hausfrauenproblem“, untermauern die aktuellen Zahlen für den Kreis Herzogtum Lauenburg diese Einschätzung nicht, sagt Peter Spitza auf Nachfrage.
Alkoholmissbrauch und Drogen: Frauen holen auf
Allerdings: „Der verhältnismäßig geringe Anteil der Medikamentenabhängigen in der Beratung spiegelt vermutlich nicht den wirklichen Anteil an Betroffenen wider.“ Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen geht bundesweit von einer ähnlich hohen Zahl aus wie bei Alkoholabhängigen – bis zu zwei Millionen Menschen. Durch enge Zusammenarbeit mit Ärzten und vermehrter Öffentlichkeitsarbeit will die ADB mehr Betroffene erreichen.
Ganz weit vorn liegen die Männer nach der Statistik für 2021 im Kokain- und Cannabis-Konsum mit fast 92 beziehungsweise gut 93 Prozent. Noch deutlicher das Thema Amphetaminmissbrauch: Alle ADB-Klienten waren 2021 Männer.