Güster. Minister Werner Schwarz war selbst Landwirt und kennt die Nöte. Was Betriebe an der aktuellen Politik kritisieren.

Vor einem Jahr war Werner Schwarz (CDU) noch Vorsitzender des Landesbauernverbands – am Dienstag, 6. Juni, kommt er als Landwirtschaftsminister zum Kreisbauerntag nach Neu-Güster. Ein Heimspiel wird es für den Minister nicht: Groß sind die Sorgen der Landwirte und die Kritik Bürokratie, Verordnungen und der Politik auf Landes- und Bundesebene.

Gastgeber des Kreisbauerntags am Dienstag, 6. Juni, ist Gunnar Heidebrecht: Der 53-Jährige hat den elterlichen „Eichenhof“ in Neu-Güster zwischen Roseburg und Güster vor 20 Jahren übernommen. Im Schweinemastbetrieb werden jedes Jahr 10.000 Tiere bis zur Schlachtreife gefüttert. Das Futter für die Tiere baut Heidebrecht auf 320 Hektar eigenen und gepachteten Flächen selbst an. Zudem betreibt er ein kleines Lohndruschunternehmen, produziert auf den Dächern seiner Hallen Solarstrom und betreibt gemeinsam mit seinen Nachbarn das Wärmenetz Neu-Güster: Per Holzhackschnitzel aus dem eigenen Wald werden drei Höfe klimaneutral beheizt.

Bauern in Sorge: Zu viele Verordnungen sorgen für hohen Investitionsdruck

Noch stehen in der Mehrzweckhalle die Geräte, darunter der große Mähdrescher. „Allein das ist eine Investition von rund einer dreiviertel Million“, sagt Heidebrecht und beschreibt damit ein Problem, das alle Landwirte betrifft: Aufgrund neuer Verordnungen der rot-grünen Bundesregierung zum klimagerechten Umbau der Landwirtschaft werden von ihnen in zu kurzer Zeit zu viele Investitionen gefordert. Seine größte Sorge ist derzeit die TA Luft (Technische Anleitung zur Reinerhaltung der Luft): Neben einem modernen Stall etwas außerhalb der Ortschaft gehören zwei Altställe auf dem Hof zum Betrieb. Obwohl es dort nicht nach Schweinemist riecht, muss Heidebrecht beide Anlagen bis 2029 mit einer neuen Filterung nachrüsten.

Gunnar Heidebrecht an der Fütterungsanlage: Per PC werden Mischung und Menge des Futters für seine Schweine festgelegt.
Gunnar Heidebrecht an der Fütterungsanlage: Per PC werden Mischung und Menge des Futters für seine Schweine festgelegt. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Das sei Unsinn, sagt der Landwirt und fordert Ausnahmen für bestehende alte Ställe: Die geforderte Filteranlage könne nur mit großem Aufwand in die bestehenden Gebäude eingebaut werden. Sinnvoller sei es da, den Stall komplett neu zu bauen. Doch: „Ich bin 53 Jahre alt, meine Tochter ist 13. Ob sie den Hof übernimmt, ist noch offen“, sagt Heidebrecht.

Die Investition von knapp einer Millionen Euro für den Neubau werde sich aber erst nach 20 Jahren amortisieren. Wie er darauf reagieren soll, weiß der Landwirt noch nicht. Dies sei nicht die Schuld von Werner Schwarz, betont Heidebrecht: „Er ist die Person, die sich hier öffentlich zeigt. Er ist nicht verantwortlich, muss sich aber unsere Kritik anhören.“

Fruchtwechsel gefordert, obwohl sich der nicht rentiert

Und die hört bei der TA Luft noch nicht auf: Heidebrecht baut in der Delvenauniederung Körnermais als Futter für seine Tiere an. Geerntet wird anders als bei Silomais, wo Stengel und Kolben als Futter eingelagert werde oder in einer Biogas-Anlage landen, nur die Kolben. Möglich mache dies ein spezieller Schneidaufsatz des Mähdreschers: Stängel und Blätter bleiben als Gründünger auf dem Acker zurück. „Ich muss nur wenig mineralischen Dünger hinzugeben“, sagt der Landwirt, obwohl der Boden mit 20 Bodenpunkten an der unteren Grenze der landwirtschaftlichen Nutzbarkeit liegt. Die Bodenpunkte oder der Ackerindex bemessen die Qualität eines Bodens: 100 ist die bestmögliche Bewertung, null die niedrigste.

Maisernte im klassischen Sinn: Der Mähdrescher schneidet und häckselt Stängel und Kolben, die als Silage oder zur Bestückung der Biogasanlage dienen.
Maisernte im klassischen Sinn: Der Mähdrescher schneidet und häckselt Stängel und Kolben, die als Silage oder zur Bestückung der Biogasanlage dienen. © HA | Thomas Pöhlsen

Eine EU-Verordnung verlangt von ihm nun aber, einen Fruchtwechsel vorzunehmen. Doch angesichts der Bodenpunkte und des Zeitpunkts der Maisernte ist das schwierig: Der Mais wird im Spätherbst geerntet, eine Aussaat von Getreide ist dann kaum mehr möglich. „Es gibt unterschiedliche Bodenqualitäten mit unterschiedlichen Anforderungen. Für die kann man keine allgemein gültigen Bewirtschaftungsregeln vorschreiben“, kritisiert Heidebrecht. Wie der Schweinemäster ist auch Milchbauer Carsten Buhk aus Schnakenbek genervt von der Vielzahl neuer Verordnungen: „Ich weiß nicht, ob es richtig ist, alles bis ins Kleinstes mit Gesetzen regeln zu wollen – wozu bilden wir Landwirte denn aus?“

Sind Turbokühe besser für das Klima?

Investitionssicherheit ist für Buhk das zentrale Thema: „Angefangen habe ich mit 20 Milchkühen, jetzt sind es 150“, sagt der Landwirt und kritisiert die zu schnelle Folge neuer Verordnungen und damit verbundener Investitionen: „Sollen wir denn jetzt 500 oder 1000 Kühe halten, nur damit sich die Investitionen auch rechnen“, fragt er. Für eine angesichts des Klimawandels effizientere Landwirtschaft hat sich Klaus-Peter Lucht, aktueller Präsident des Landesbauernverbands, ausgesprochen: Je höher die Milchleistung einer Kuh, desto weniger Tiere werden benötigt, die dann auch weniger klimaschädliches Methan ausstoßen. „Es ist immer eine Frage des Blickwinkels: Wenn ich mir die Überflutungen in Italien anschaue, ist Klimaschutz der richtige Ansatz, es gibt aber auch noch das Tierwohl“, so Buhk. Hochleistungskühe geben heute rund 10.000 Liter Milch im Jahr, 1950 waren es nur 3900 Liter.

Milchkühe auf einem Hof bei Grömitz: Wie effizient soll die Tierhaltung werden?
Milchkühe auf einem Hof bei Grömitz: Wie effizient soll die Tierhaltung werden? © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Der Kreisbauernverband lädt für Dienstag, 6. Juni, zum Kreisbauerntag auf den Eichenhof in Neu-Güster ein. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr mit Musik durch den Feuerwehrmusikzug Tramm sowie Getränken und Bratwurst. Um 19 Uhr wird Johannes Henner Langhans, Vorsitzender des Kreisbauernverbands aus Behlendorf, die Veranstaltung eröffnen, daran folgen ein Vortrag und die Diskussion mit Landwirtschaftsminister Werner Schwarz.

Werner Schwarz: Vom Funktionär zum Landwirtschaftsminister

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz beim Landeserntedankfest am 2. Oktober 2022 in Lütau.
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz beim Landeserntedankfest am 2. Oktober 2022 in Lütau. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Herr Schwarz, Sie sind jetzt seit knapp einem Jahr Minister: Wie schwer war und ist der Wechsel für sie persönlich vom Funktionär eines Interessenverbandes auf den Ministersessel?

Werner Schwarz: Nicht schwer. Ich bin selbstständiger Landwirt gewesen und durfte fast 15 Jahre den Landesbauernverband führen – und auch da wird Politik gemacht, nämlich Verbandspolitik. Mit dem Wechsel in die Landesregierung begann für mich dann eine ganz neue Aufgabenstellung. Viel Zeit zum Eingewöhnen gab es allerdings nicht, zumal ich gleich mit dem Aufbau eines komplett neuen Ministeriums beauftragt wurde. Das empfinde ich als einmalige Chance. Durch die Ressorttrennung ist eine Konzentration auf konkrete Fragestellungen und eine stärkere Fokussierung auf die Belange der Landwirtschaft und der ländlichen Räume möglich.

Das Kabinett Günther ist sehr heterogen zusammengesetzt: Es gibt Quereinsteiger wie Sie und Claus Ruhe Madsen, dazu Minister mit langjähriger Politikerfahrung. Wie ist die Stimmung im Kabinett?

Gut und kollegial. Ich stehe mit meinen Kabinettskolleginnen und –kollegen in einem konstruktiven, zielorientierten Austausch. Mein Ziel ist klar: ich will die Rahmenbedingungen für eine gute Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein gestalten. Um den Erhalt der identitätsprägenden Kulturlandschaften in unserem Land auch zukünftig sicherzustellen, werde ich mich in der Koalition für ausgewogene Kompromisslösungen stark machen.

Landwirtschaftsminister stehen immer im Fokus der Landwirte – manchmal wird ihnen sogar Mist vor die Tür gekippt: Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren einstigen Berufskollegen, und ist für Sie der Zugang vielleicht einfacher, die Diskussionen weniger konfrontativ?

Wir begegnen uns auf Augenhöhe, und ich nehme die Sorgen und Nöte ernst. Aber auch mich erreichen seit meinem Amtsantritt manchmal sehr kritische oder sogar unsachliche Kommentare. Die Zeit des Welpenschutzes ist vorbei. Da spielt meine Verbandsvergangenheit keine Rolle mehr. Ich bin jetzt eben ein Vertreter der Landesregierung Schleswig-Holstein.

Klaus-Peter Lucht, Ihr Nachfolger im Amt des Bauernpräsidenten, hat angesichts des Klimawandels effizientere Methoden in der Landwirtschaft gefordert, etwa Turbo-Kühe in der Milchwirtschaft, weil eine Hochleistungskuh weniger Methan pro Liter Milch ausstößt. Gleichzeitig gibt es den Bericht der Borchert-Kommission, die mehr Tier- und Umweltschutz fordert. Wie kann dieser Konflikt gelöst werden?

Mir ist es wichtig, dass wir gesellschaftlich relevante Fragestellungen der Tierhaltung und des Tierwohls bewegen und diese aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Ich werde weiterhin alle Beteiligten an einen Tisch versammeln, um im Dialog praxisfähige und gesellschaftlich vertretbare Lösungsansätzen zu entwickeln. Aus diesem Grund haben wir das Thema Hochleistungskühe auch beim nächsten Runden Tisch „Tierschutz in der Nutztierhaltung“, der sich Anfang Juni trifft, auf die Agenda gesetzt.

Wie sollte aus Ihrer persönlichen Sicht die Landwirtschaft im Jahr 2040 aussehen?

Globale Krisen, Klimawandel und veränderte gesellschaftliche Anforderungen prägen das Hier und Jetzt. Themen wie Ernährungssicherheit, Artenschutz, Energiewende und Digitalisierung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Folge sind tiefgreifende Transformationsprozesse, die auch vor Schleswig-Holstein und den dort ansässigen Landwirtinnen und Landwirten keinen Halt machen. Umso wichtiger ist es, gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Akteuren über die Landwirtschaft der Zukunft nachzudenken. Das Land hat hierfür 2018 den Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein ins Leben gerufen. Die in diesem Rahmen erstellten 24 Thesen werden derzeit vertiefend diskutiert. Nur wenn unsere Landwirtinnen und Landwirte eine langfristige Perspektive und Einkommenssicherheit haben, kann unsere familiengeprägte, bäuerliche Landwirtschaft – egal ob konventionell oder ökologisch, ob im Haupt- oder Nebenerwerb - auch im Jahr 2040 Bestand haben.