Brunstorf. Steigende Energiekosten belasten die Bauern im Herzogtum Lauenburg. Doch es gibt noch mehr Probleme, vor denen die Bauern stehen.

Die Wintergerste ist abgeerntet – der Trockenheit zum Trotz mit durchschnittlichen Erträgen. Doch trotz hoher Verbraucherpreise ist die Zukunft der Landwirtschaft alles andere als sicher – das war auch Thema der Fachvorträge beim Kreisbauerntag in Brunstorf. „Endlich können wir wieder einen Kreisbauerntag begehen“ – mit diesen Worten begrüßte Hans-Peter Grell, Vorsitzender des Kreisbauernverband Herzogtum Lauenburg aus Duvensee, mehr als 350 Besucher aus Gesellschaft, Politik und Landwirtschaft beim Kreisbauerntag auf dem Betrieb der Familie Lütten.

Frank Lütten hatte für die Veranstaltung seine Maschinenhalle freigeräumt, nur einen Sattelauflieger als Podium für die hochkarätige Diskussionsrunde mit Professor Christian Henning (Uni Kiel), Ludwig Striewe (ART Landhandel), Klaus-Peter Lucht, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Gastgeber Grell und Moderator Sönke Hausschild vom Landesbauernverband stehen gelassen.

Kreisbauerntag: Unsichere Zeiten im „schönsten Beruf der Welt“

„Selten waren die Aussichten für unsere jungen Landwirte mit so vielen Fragen versehen“, erklärte Grell und betonte dennoch: „Landwirt ist immer noch der schönste Beruf der Welt.“ Die vergangenen drei Jahre seien jedoch auch von viel Unsicherheit und Unzufriedenheit geprägt gewesen, was schließlich zur Einberufung der Zukunftskommission Landwirtschaft geführt habe.

Das Gremium wurde 2019 nach bundesweiten Bauernprotesten und einem „Agrargipfel“ noch von der Regierung Merkel initiiert. Die Zukunftskommission hatte 2021 Empfehlungen für eine praxistaugliche Transformation hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft vorgelegt. „Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung die Vereinbarungen zum moderaten Wandel einhält“, so Grell.

Wer soll eine andere Form der Landwirtschaft bezahlen?

Der Krieg in der Ukraine habe aber vieles verändert. Russland setze die Blockade von Getreideexporten gezielt als Waffe ein. Zudem stiegen die Energie- und damit auch die Betriebsmittelkosten. Grell mahnte: „Wenn die Erzeugungskosten steigen, müssen auch die Erzeugerpreise steigen. Sonst gibt es bald niemanden mehr, der die Lebensmittel produzieren kann, zumindest nicht in Deutschland.“ Er machte aber auch ein Angebot: Landwirte können neben ihrer eigentlichen Aufgabe der der Nahrungsmittelproduktion auch zusätzliche Leistungen erbringen, zum Beispiel in den Bereichen Klima- und Artenschutz. Das müsse aber auch honoriert werden.

„Das Problem ist, das Konsumenten für Ökosystemleistungen nicht bezahlen wollen“, erläuterte Professor. Christian Henning von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ohne Einnahmen würde aber kein Landwirt diese erbringen und dafür auf besser vermarktbare Produkte verzichten, so der Agrarökonom. An dieser Stelle komme die Politik ins Spiel. Es brauche effiziente Maßnahmen und klare Zielvorgaben. Wenig effizient sei es, Produktionsweisen vorzuschreiben. Das hemme Innovationen, so Henning: „Langfristig ist es unvernünftig, auf Kosten der Nachhaltigkeit den Hunger der Welt abzumildern.“ Es müsse andere Wege geben. Und schließlich seien die „Armen der Welt“ zumeist Bauern, die von steigenden Preisen auch profitierten.

Europa darf sich nicht vom Weltmarkt abkoppeln

„Es gibt auch städtische Bevölkerung, die arm ist“, hielt Ludwig Striewe vom ATR Landhandel dagegen: Er wolle den Politiker sehen, der nach Tunis, Algier oder in den Iran fährt und sagt: „Ihr bekommt unser Getreide nicht mehr, weil wir mehr Nachhaltigkeit wollen.“ Laut Striewe nimmt insbesondere die Importnachfrage Chinas viel Ware vom Markt. Offiziell halte China 58 Prozent der Weltreserven an Getreide. Warum das Land dennoch aktuell so viel zu so hohen Preisen importiere, könne zu dem Schluss führen, dass diese chinesischen Bestände in der Realität wohl gar nicht vorhanden seien, gab der Landhändler zu bedenken.

Die aktuelle Versorgungslage sei demnach trügerisch. Deswegen könne man die Bedeutung der Ukraine als Produzenten nicht überschätzen. „Die Prognose der Knappheit war noch nie so hoch wie in diesem Jahr“, unterstrich Striewe. Deutschland und die EU dürften sich nicht wegen Ökosystemleistungen vom Weltmarkt abkoppeln, weil das hier produzierte Getreide gebraucht werde. Dennoch sei gerade der Klimawandel neben der Schaffung von Frieden die große Herausforderung unserer Zeit. Striewe plädierte dafür, beispielsweise Biokraftstoffe zu flexibilisieren, also bei höheren Agrarpreisen weniger beizumischen und bei geringen Agrarpreisen mehr.

Lebensmittelversorgung muss Vorrang haben

Für Klaus-Peter Lucht ist klar: „Das große Thema ist Effizienz.“ Höhere Effizienz helfe sowohl Ökonomie als auch Ökologie etwa beim Düngereinsatz, um vermeidbare Stickstoffeinträge in die Umwelt zu reduzieren. Er berichtete, wie sich das Verbraucherverhalten mit Blick auf die aktuelle Inflation verändert. Laut den großen Lebensmitteleinzelhändlern sei die Nachfrage nach höherpreisigen Produkten rückläufig, egal ob Bio- oder konventionell produzierte Lebensmittel. Wenn Landwirte Naturschutzleistungen erbrächten, müssten sie damit auch Geld verdienen, forderte Lucht: „Entscheidend wird sein, dass Ökosystemleistungen freiwillig bleiben.“ Vorrang habe aber die Lebensmittelversorgung.