Ebersdorf. Gelassen auf die Heizkostenrechnung blicken? Das können viele Menschen in Ebersdorf. Dort befinden sich zwei Biogas-Anlagen.
Auf die Rechnung für seine Heizkosten blickt Bernd Witte gelassen. „Es ist definitiv günstig“, sagt der Bürgermeister von Ebersdorf im niedersächsischen Landkreis Rotenburg/Wümme. Wittes Haus ist an das lokale Fernwärmenetz angeschlossen – wie zwei Drittel der Haushalte in der Gemeinde. Dass ihre Wohnzimmer im Winter warm sind, hängt nicht davon ab, ob Russland Gas nach Deutschland liefert. In Ebersdorf liefern nämlich zwei Biogas-Anlagen Energie.
Wer ans lokale Netz angeschlossen ist, zahlt nur 58 Prozent dessen, was das Statistische Bundesamt jährlich als durchschnittlichen Preis für Heizöl berechnet. Durch die Energiekrise wird nun also auch das Heizen für die Menschen in Ebersdorf teurer – aber es ist immer noch weitaus billiger als für einen Großteil der Menschen in Deutschland.
Heizkosten: Ebersdorf ist ein Bioenergie-Dorf
Die Gemeinde deckt mehr als die Hälfte ihres Bedarfs an Strom und Wärme aus regional erzeugter Bioenergie. Damit zählt Ebersdorf zu den sogenannten Bioenergie-Dörfern. Das Projekt wird betreut von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe, die wiederum dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft untersteht. Insgesamt gibt es in Deutschland inzwischen mehr als 170 Bioenergie-Dörfer. Das erste seiner Art entstand 2005 in Jühnde bei Göttingen.
Damit das Projekt Bioenergie-Dorf gelingt, ist es am wichtigsten, die Menschen vor Ort für die Idee zu gewinnen, rät die Fachagentur. Denn die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes sind es, die die Energie für ihre Häuser beziehen und damit die Finanzierung gewährleisten. „Die größten Hindernisse ergeben sich in der Regel nicht aufgrund der technischen Umsetzbarkeit oder der Verfügbarkeit von Biomasse“, heißt es auf ihrer Webseite.
Biogas-Anlage: Wärme als Abfallprodukt
In Ebersdorf erinnert sich Tim Schröder an die Anfangszeiten. Zusammen mit seinem Bruder Jörg betreibt er zwei Biogas-Anlagen. Die erste nahmen sie 2009 in Betrieb. Anfangs planten sie, nur Strom zu produzieren. Doch dabei entsteht Wärme – quasi als Abfallprodukt. „Die Abwärme wollten wir vernünftig nutzen und nicht einfach nur in die Atmosphäre pusten“, erklärt Bürgermeister Witte.
Also klingelten die Schröder-Brüder an den Haustüren der Ebersdorfer. „Wir haben jeden gefragt, ob er mitmachen möchte“, erzählt Tim Schröder. Den Ausbau des Wärmenetzes im Ort übernahmen die Brüder selbst. Und: Nicht nur zwei Drittel der Privathaushalte nutzen inzwischen das Angebot. „Auch die Schule, eine Turnhalle und die Feuerwehr sind angeschlossen“, zählt Schröder auf.
Aus Mist, Mais und Gras entsteht Biogas
Bei einem Rundgang über das Gelände erläutert er, wie die Anlagen funktionieren. Aus Mist von Tieren, Mais, Gras und anderen Trägern von Bioenergie entsteht Biogas, das wiederum mit Motoren in Strom umgewandelt wird. Den Strom speist Schröder ins Netz ein. Die entstehende Wärme wird in einen Wasserkreislauf gepumpt, der dann per Leitung das Dorf beheizt. Die Reste aus der Biogas-Anlage landen als Dünger auf den Feldern – und der Kreislauf beginnt von vorn.
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Doch Biogas-Anlagen haben auch Nachteile. Sie produzieren unangenehme Gerüche, Lärm und Schadstoffe, zählt das Bundesumweltamt auf. Große Teile der in den Anlagen produzierten Gase seien leicht entzündbar und klimaschädlich. Manche Stoffe wie Gülle oder Gärreste seien zudem „wassergefährdend“.
Ein weiterer Kritikpunkt: Nur etwa 20 Prozent der in den Biogas-Anlagen erzeugten Energie stamme aus Bioabfällen oder Mist. Der Großteil werde aus extra dafür angebauten Pflanzen wie Mais oder Getreide hergestellt. Die dafür genutzten Ackerflächen fehlen dann für die Produktion von Nahrungsmitteln und Futter.
Heizkosten: Zwei Drittel der Dorfbewohner profitieren
Einst wuchs auf den Feldern in Ebersdorf Roggen. „Doch dafür haben wir so gut wie kein Geld mehr bekommen“, sagt Tim Schröder. Um den Betrieb wirtschaftlich führen zu können, brauchten die Brüder eine andere Lösung. Sie entschieden sich für die Biogas-Anlagen. Aus seiner Sicht eine Verbesserung für alle: Mais wächst am Standort Ebersdorf sehr gut. Für die Schröder-Brüder lohnt sich der Anbau finanziell. Und zwei Drittel der Menschen aus dem Dorf heizen kostengünstig.
Das ganz große Geld machen die Brüder mit ihren Biogas-Anlagen nicht. „Natürlich ist der Betrieb für uns keine Nullnummer.“ Aber der Gewinn sei im Verhältnis zum Umsatz gering, sagt Schröder. „Allerdings – was wir auf jeden Fall erzeugt haben, ist eine super Stimmung im Dorf.“ Denn wenn nun die Traktoren mit der Maisernte durch den Ort donnern, fühlten sich die meisten Ebersdorfer nicht mehr gestört – sondern freuten sich darüber, dank der Biogas-Anlage warme Wohnungen zu haben.