Schwarzenbek. Die Europastadt will Klima und Bäume schützen. Ein Spagat, der manchen zur Kettensäge greifen lässt. Das aber kann teuer werden.

Bäume spenden Schatten, senken die Temperatur in Städten und binden jede Menge Kohlendioxid. Außerdem stehen sie ab einem gewissen Stammdurchmesser unter Schutz. „Das ist auch gut so. Deshalb haben wir eine Baumschutzsatzung erlassen, um das Grün zu erhalten“, betont Schwarzenbeks Bürgermeister Norbert Lütjens. Gut 10.000 Bäume sind in einem Kataster erfasst und auch in Bebauungsplänen vermerkt, ergänzt Silke Davideit vom städtischen Bauamt.

Allerdings nehmen es viele Bewohner der Europastadt mit dem Baumschutz offenbar nicht so ernst. Zum einen gibt es Menschen, die auf ihren Grundstücken Platz für Carports & Co. schaffen wollen, zum anderen wollen Hausbesitzer ihre Energiekosten senken, indem sie Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern installieren. Dabei sind hohe Bäume im Weg, weil sie die Module beschatten.

Baumfällaktionen für den Klimaschutz?

Die Folge ist: Die Bäume sollen weg oder aber massiv beschnitten werden. Das erlaubt – aus gutem Grund – die Baumschutzsatzung in vielen Fällen nicht. Denn ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern in einem Meter Höhe dürfen Bäume nur mit Sondergenehmigung gefällt werden. Eine Ausnahmeregelung für einzelne schnell wachsende Bäume hatten die Politiker im Jahr 2018 gekippt und alle Bäume gleichermaßen unter Schutz gestellt.

„In der Zeit vom 1. März bis zum 30. September sind wegen der Brutzeit unterschiedlichster Vögel auch Baumschnitt und das Beschneiden von Hecken verboten“, sagt Silke Davideit. Wenn Bäume besonders dicht an Gebäuden wachsen, gelten für das Fällen andere Regeln – zumindest hinsichtlich des Stammumfangs. Sobald ein Baum maximal 7,5 Meter von einem Gebäude entfernt wächst, darf er auch mit einem Stammumfang von zwei Metern gefällt werden.

Illegale Baumfällungen oder Beschnitte nehmen immer mehr zu

Das reicht vielen Bürgern aber anscheinend nicht aus. Deshalb greifen immer mehr Anwohner illegal zur Kettensäge und legen die klimaschützenden Gewächse um oder trennen unsachgemäß Äste und Kronen ab, sodass die Bäume nicht mehr zu retten sind. „Teilweise können unsere Außendienstmitarbeiter mitansehen, wie ein Baum mit der Zeit immer kleiner wird. Dann werden wir natürlich aktiv, aber oft genug ist dann nichts mehr zu retten“, sagt Bürgermeister Norbert Lütjens.

Oft entdecken die städtischen Mitarbeiter bei ihren Dienstfahrten durch das Stadtgebiet aber auch Baumstümpfe auf Grundstücken, die auf eine kurz zurückliegende Fällung hindeuten. Ein Blick auf den Stammdurchmesser und in das Baumkataster bringt dann schnell an den Tag, dass ein geschützter Baum illegal gefällt wurde.

150 Jahre alte Linde musste einem Carport weichen: 15.000 Euro Strafe

Krassester Fall in den vergangenen Wochen: Ein Anwohner hat auf einem von ihm neu gekauften Grundstück eine 150 Jahre alte Linde gefällt, weil er ein Carport bauen wollte. Die Strafe betrug 15.000 Euro einschließlich einer von ihm zu zahlenden Neupflanzung. In Extremfällen können 50.000 Euro Strafe für das Fällen eines Baumes fällig werden. Hinzu kommen die Gebühren für eine Neuanpflanzung und die Pflege des neuen Baumes. Dafür kommen locker mehrere Tausend Euro zusätzlich zusammen.

„Wir stellen fest, dass es eine Häufung von Anzeigen gibt. Jeden Monat, mitunter sogar mehrmals innerhalb einer Woche, bekomme ich entsprechende Vorgänge auf den Tisch“, sagt der Verwaltungschef. „Alle wollen es schön grün haben, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Die Baumschutzsatzung schützt das Klima, weil Bäume durch ihre positive CO2-Bilanz Klimaretter sind. Das steht mitunter in Konkurrenz mit dem Interesse der Menschen, Photovoltaik auf ihrem Grundstück zu nutzen“, ergänzt die Klimaschutzbeauftragte Nina Reimers.

Kleine Windkraftanlagen als Alternative für Photovoltaik auf dem Hausdach

Es gibt aber oft auch Alternativen. „Wenn PV-Anlagen auf dem Dach anders positioniert werden, ist Baumschutz und die Nutzung regenerativer Energie oft in Einklang zu bringen. Aber auch Windenergie kann eine Alternative sein. Es gibt durchaus kompakte Anlagen für den Dachfirst oder aber auch in aufrechter Position, die als Energieversorgung für ein Haus dienen können“, sagt Nina Reimers.

Es sind aber nicht nur die ständig steigenden Energiekosten und der Wunsch nach einem eigenen Kraftwerk am Haus, die Grundeigentümer zur Säge greifen lassen. „Oft geht es auch um die zu große Beschattung durch Bäume, das viele Laub oder einfach darum, ein neues Carport zu bauen“, sagt Silke Davideit. Bevor eine hohe Strafe droht, lohnt sich mitunter ein Kontakt mit der Stadtverwaltung. „Es gibt mitunter Alternativen. Sowohl hinsichtlich der Nutzung anderer regenerativer Energien als auch bei der Standortsuche für einen Carport“, sagt Nina Reimers.

Baumschutz bleibt oberstes Kriterium für den Umweltschutz

Grundsätzlich gilt aber der Baumschutz als oberstes Kriterium. Denn gerade Arten wie Kastanie, Buche, Eiche und Linde sind in Gefahr. Nicht nur Anwohner mit der Kettensäge setzen diesen heimischen Gewächsen zu, auch Trockenheit, Klimawandel und die hohe Verdichtung des Bodens sowie Flächenversiegelung sorgen dafür, dass der Baumbestand kränkelt. „Ein Grund mehr, alles für den Schutz der Bäume zu tun“, fügt Bürgermeister Norbert Lütjens hinzu.